Deutsche Bundesstiftung Umwelt: Grüner Chef für schwarze Stiftung
Überraschend wählt die reichste Öko-Stiftung Europas einen Grünen zum Generalsekretär. Das CDU-dominierte Haus pfeift auf seine Regeln.
Zwei Kilometer weiter südlich dagegen verliert die Regierungspartei an diesem Abend eine wichtige Machtposition. Eine ganz große Koalition von Sozialdemokraten, Grünen und Unabhängigen wählt einen Grünen zum Chef der reichsten und einflussreichsten Umweltstiftung Europas – und nimmt der Union einen ihrer Erbhöfe. Für diese kleine ökologische Revolution braucht es zwei Dinge: Ein prominenter CDU-Politiker läuft zum Gegner über. Und die hochseriöse Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) verstößt gegen ihre eigenen Regeln.
Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich an diesem 30. November eine verschwiegene Gruppe im Berliner Hotel Steigenberger (Slogan: „Nachhaltigkeit auf ganzer Linie“) getroffen: das 13-köpfige Kuratorium der DBU. Die Vertreter von Bundesregierung, Ländern, Parteien, Wissenschaft und Unternehmen suchen einen neuen Generalsekretär für die Stiftung mit Sitz in Osnabrück.
Und sie finden Alexander Bonde, den ehemaligen grünen Minister für ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg. „Hervorragend qualifiziert“, sagen seine Unterstützer wie die Vorsitzende des Kuratoriums, die SPD-Staatssekretärin im Umweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter. „Ihm fehlt eine zentrale Qualifikation: ein abgeschlossenes Studium“, sagen seine unterlegenen Gegner.
Die Entscheidung fällt äußerst knapp. Drei Kandidaten sind am Donnerstag zur Endrunde nach Berlin bestellt worden: neben Bonde noch ein Abteilungsleiter aus der DBU und ein Angestellter des Bundesforschungsministeriums. Im ersten Wahlgang scheidet dieser aus. Im zweiten Wahlgang bekommt der DBU-Insider auf dem CDU-Ticket sechs Stimmen, berichten Teilnehmer. Bonde bekommt sieben – und damit den Spitzenjob mit gut 130.000 Euro Jahresgehalt.
Von den Kuratoriumsmitgliedern, die zum Stillschweigen verdonnert sind, will kaum jemand öffentlich reden. Denn die DBU, mit einem Stiftungskapital von 2,2 Milliarden Euro die größte Umweltstiftung Europas (siehe Kasten), hat bewegte Zeiten hinter sich. Gegründet und 22 Jahre geführt wurde das Haus von Fritz Brickwedde, einem CDU-Mann aus der niedersächsischen Staatskanzlei unter Ernst Albrecht. Er machte aus der DBU nicht nur eine Subventionsmaschine für Öko-Innovationen aus dem deutschen Mittelstand, sondern auch eine schwarze Institution.
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist der Gigant unter den etwa 60 Öko-Stiftungen in Deutschland. Sie wurde 1990 aus den Privatisierungserlösen der staatlichen Salzgitter AG errichtet. Heute verfügt sie über etwa 2,2 Milliarden Euro Stiftungsvermögen. Daraus fördert sie jährlich mit etwa 50 Millionen Euro Öko-Innovationen bei mittelständischen Firmen, Umweltbildung und Forschung und vergibt den "Umweltpreis", mit 500.000 Euro der höchstdotierte Umweltpreis Europas. Seit Gründung hat die DBU etwa 9500 Projekte mit insgesamt 1,7 Milliarden Euro unterstützt. Außerdem verwaltet sie für den Bund fast 70.000 Hektar Naturflächen.
Viele der Mitarbeiter und Unterstützer der DBU, die in Osnabrück mit einem vorbildlichen Ökobau protzt, stehen der Union nahe. Nur langsam haben SPD und Grüne hier Kuratorium und Förderpraxis beeinflussen können, obwohl sie lange den zuständigen Umweltminister gestellt haben.
2013 wurde Heinrich Bottermann DBU-Chef, auch er ein CDU-Mann. Brickwedde wechselte zum Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), sicherte sich aber einen Platz im Aufsichtsgremium der DBU, dem Kuratorium. Sein Nachfolger Bottermann räumte in der DBU mit alten Strukturen auf und ordnete die Verfahren für Fördermittel neu. Im Frühjahr 2017 ließ Bottermann seinen Vertrag für vier Jahre verlängern – und verabschiedete sich nur sieben Tage später nach Düsseldorf. Dort arbeitet er seit dem Machtwechsel zu Schwarz-Gelb als Staatssekretär im CDU-geführten Umweltministerium.
Bottermanns Abgang brachte die DBU in die Zwickmühle. Schnell musste ein neuer Chef her, der den Strukturwandel weitertreibt. Die Ausschreibung lief Ende September und wurde auch wegen der Bundestagswahl öffentlich kaum wahrgenommen. In der Stellenbeschreibung erwartet die DBU „Führungserfahrung“, die „Kenntnis von Förderstrukturen“, „langjährige Leitungsfunktion mit Bezügen zur DBU“ und „Kenntnisse über die Nachhaltigkeitsdebatte“.
Nur der Hochschulabschluss fehlt
Diese Anforderungen erfüllt Bonde praktisch perfekt. Der 42-Jährige war im grün-roten Kabinett von Winfried Kretschmann von 2011 bis 2016 Agrarminister. Er kämpfte einen neuen Nationalpark im Schwarzwald durch, machte Front gegen die Gentechnik, legte ein modernes Jagdgesetz vor und ließ Breitbandkabel durchs Land ziehen. Bonde lief im Trachtenjanker durch Feld und Flur und widersprach nicht, wenn er als Kretschmanns Nachfolger gehandelt wurde.
Nur eines hat Bonde nicht: einen Hochschulabschluss. Den aber erwartete die DBU in ihrer Ausschreibung gleich als erste Qualifikation. „Unmöglich“, grummeln daher seine Gegner. Ein DBU-Chef stütze sich auf den Sachverstand von „Hunderten von Professoren“, er zeichnet exzellente Wissenschaftler aus und müsse „mit Forschungsinstituten auf Augenhöhe agieren“, heißt es.
Bondes Unterstützer ficht das nicht an: Das Kuratorium sei davon ausgegangen, dass die von einer Findungskommission gekürten Finalisten alle qualifiziert seien, sagen sie. Eine Erwartung in der Ausschreibung sei im juristischen Sinne keine Bedingung. Und Kuratoriumschefin Schwarzelühr-Sutter erklärte, keiner der Kandidaten habe zu 100 Prozent die Bedingungen erfüllt. „Ein Bewerber, der sich bereits als Landwirtschaftsminister bewiesen hat, kann eine Qualifikation für das Amt auch durch andere Stationen seines Lebenswegs nachweisen.“
Chance auf eine zweite Karriere
Für Bonde, einen durchsetzungsstarken Oberrealo, ist der DBU-Chefposten die Chance auf eine zweite Karriere. Denn nach der Wahl 2016 kam für den Shootingstar der Südwest-Grünen der Absturz: Bonde verlor sein Ministerium an die Union, die nun viele seiner Erfolge in der Landwirtschaft zurückdreht. Er machte sich durch interne Manöver bei den Landesgrünen unbeliebt. Und er sorgte für einen Skandal, als herauskam, dass der verheiratete dreifache Familienvater eine langjährige außereheliche Beziehung mit einer Parteifreundin geführt hatte.
Auch Bonde will sich vor Amtsantritt im Februar nicht offiziell äußern. Aus seinem Umfeld heißt es aber, er sehe der Aufgabe mit Spannung und Vorfreude entgegen. Und er hoffe, „Parteipolitik aus der Stiftung herauszuhalten“.
Das hat bei seiner Wahl schon mal auf seltsame Art geklappt. Denn eigentlich standen die Chancen schlecht für den Grünen. Kurz vor der Wahl mussten seine Parteifreunde Bärbel Höhn und Stefan Wenzel das Kuratorium verlassen, weil sie aus Parlament und Regierung ausgeschieden waren. Auch die Abgeordnete Eva Bulling-Schröter von der Linkspartei war nicht mehr am Tisch. Dafür aber gelang es Bonde offenbar, die Union zu spalten.
Jens Spahn, Mitglied im Kuratorium, setzte sich nach Angaben von Teilnehmern stark für den Grünen ein: Die beiden kennen sich aus Bondes Zeit im Bundestag von 2002 bis 2011. Bonde ist mit einer ehemaligen CDU-Bundestags-Abgeordneten und damaligen Spahn-Kollegin verheiratet. Und auf seinem Facebook-Account findet sich noch am 11. September, in der heißen Phase der Bewerbung, ein Selfiefoto von Bonde und Spahn.
„Vielleicht ist es Bondes Schicksal, als Grüner schwarze Häuser zu übernehmen“, sagt ein Vertrauter. Der neue Mann will in der DBU die Reformen weiterführen, Naturschutz voranbringen und ein Auge auf die Digitalisierung haben. Sein Vertrag läuft für fünf Jahre, und er wolle in der DBU Spuren hinterlassen, heißt es.
Das ist ihm bei seinem letzten Arbeitgeber nicht geglückt. Seit Sommer war Bonde „Senior Advisor“ bei der Unternehmensberatung DWR eco. Auf deren Homepage war zur Zeit von Bondes Wahl sein Name falsch geschrieben: Alexander Bolde.
Anmerkung der Redaktion:
Nach Angaben von DWR eco beruht der Schreibfehler in Alexander Bondes Namen auf einem technischen Problem nach einem Hackerangriff auf die Homepage der Firma. Das ändere nichts an der hohen Wertschätzung des Unternehmens für Bondes Arbeit. (taz)
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