piwik no script img

Deutsche Botschaften in CoronakriseEin Jahr warten auf den Vater

Deutsche Botschaften arbeiten wegen Corona zurzeit nur eingeschränkt. Weil Elternteile kein Visum bekommen, werden Familien getrennt.

Mutter und Sohn allein zum einjährigen Geburtstag – der Vater sitzt in Kairo fest (Symbolfoto) Foto: Georges Schneider/imago

Berlin taz | Der Sohn von Christine Hoffmann (Name geändert, d. R.) wurde vor Kurzem ein Jahr alt. Es war ein schöner Tag. Die Großeltern mütterlicherseits kamen zu Besuch, es gab Geschenke und die Familie machte einen Ausflug. Nur: Der Vater war nicht da. Er konnte sich nur zwischendurch aus Ägypten dazuschalten, erzählt Hoffmann. Per Videokonferenz sang er dann ein Geburtstagslied, immerhin.

In echt konnte der Vater seinen Sohn bis heute nicht sehen. Das Problem: Er ist Ägypter und lebt in Ägypten. Seit der Geburt des Sohnes wartet er darauf, ein Visum zur Familienzusammenführung zu bekommen und nach Deutschland zu reisen. Voraussetzung dafür ist allerdings eine Vaterschaftsanerkennung, die an der deutschen Botschaft in Kairo durchgeführt werden muss.

Und bis Anfang März gab es dafür ein Jahr lang keine Termine: Die zuständigen Stellen an deutschen Auslands­vertretungen sind schon zu normalen Zeiten oft überlastet. In der Pandemie haben sie ihr Angebot noch weiter heruntergefahren – zulasten von Familien wie der von Christine Hoffmann.

Ihre Situation ist ungewöhnlich, aber kein Einzelfall: Hoffmann sagt, sie habe ihren Partner im Ägypten-Urlaub kennengelernt. Die beiden verliebten sich und Hoffmann verbrachte von da an jeden Urlaub bei ihm. Als sie im Sommer 2019 schwanger wurde, beschlossen sie, sich nach der Geburt ein gemeinsames Leben in Deutschland aufzubauen. Dafür setzte das Paar auf das Visum zur Familienzusammenführung, das dem Vater eigentlich zusteht – gäbe es nicht das Problem mit dem Termin zur Vaterschaftsanerkennung.

„Massiver Eingriff in Grundrechte“

Solche Beurkundungen hätten „deutsche Auslandsvertretungen pandemiebedingt weltweit vor besondere Herausforderungen gestellt“, antwortet das Auswärtige Amt auf eine Frage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Linke). Bei solchen Terminen müssten sich Antragsteller*innen, Be­am­t*in­nen und Dol­met­sche­r*in­nen eine Stunde oder länger in einem Raum aufhalten. „Das bedeutet für alle Beteiligten ein sehr hohes Ansteckungsrisiko.“

In Kairo arbeite die Botschaft wegen Corona abwechselnd in einem A- und einem B-Team, wodurch die Kapazitäten weiter eingeschränkt seien. Erst mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie hat die Botschaft die Beurkundungen im März wieder aufgenommen. Wie viele Vertretungen in anderen Ländern die Terminvergabe ebenfalls eingestellt hatten oder noch haben, kann das Ministerium auf Anfrage nicht sagen: Man führe keine Statistik.

„Für viele binationale Familien wurde mit der Aussetzung der Beurkundungen auch die Familienzusammenführung in Deutschland unmöglich“, sagt die Linken-Abgeordnete Jelp­ke. „Eine einjährige Trennung ist ein massiver Eingriff in Grundrechte und auch in Pandemiezeiten nicht zu rechtfertigen.“

Im Falle von Hoffmann und ihrem Partner dauert die Trennung sogar noch länger: Die Vaterschaftsanerkennung fand mittlerweile zwar statt. Das Visum ist beantragt. Der Vater muss jetzt aber noch letzte Unterlagen bei der Botschaft vorlegen. Dafür konnte er bisher allerdings noch keinen Termin ergattern.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Wer vor Corona mal versucht hat, in einer dt. Botschaft ein Visum zur Familienzusammenführung zu bekommen, der weiß, dass das schon immer als gutes Training für den dt. Behördendschungel galt. Wir haben das in Mexico erlebt, und kennen Erzählungen darüber aus Kolumbien, El Salvador, Brasilien, Chile, Marokko, Thailand, Laos.

    Man wird dort behandelt, wie ein Bittsteller, also wie auch auf dem Jobcenter oder beim Zollamt.

  • Die dt. Botschaften sind leider überhaupt nicht willens, irgendwie digital zu arbeiten. Da werden Passfotos mit Schere und Kleber bearbeitet statt direkt vor Ort ein digitales Foto zu schießen. Jedes Mal muss man persönlich vorsprechen und wenn ein Dokument fehlt (da die Anweisungen im Internet teils mangelhaft oder missverständlich sind), braucht man einen neuen Termin. Ein Riesen-Tam-Tam mit Stempeln, Formularen etc. Kafkaesk.

    • @Katrina:

      Das mit den Terminen kennen wir auch, und wehe, bis zum nächsten oder übernächsten Termin ist dann wieder ein Formular zu alt.