Deutsche Bahn provoziert neue Streiks: Riskantes Spielchen
Dass der Bahnvorstand vorerst weitere Verhandlungen mit der Eisenbahngewerkschaft EVG ablehnt, ist inakzeptabel und verantwortungslos.
E s ist ein riskantes Spiel, das der Vorstand der Deutschen Bahn spielt – auf Kosten von Millionen von Fahrgästen, die jetzt damit rechnen müssen, dass in naher Zeit wieder der Zugverkehr in Deutschland streikbedingt stillstehen wird. Weitere Verhandlungen mit der Eisenbahngewerkschaft EVG davon abhängig zu machen, dass diese vorab von ihren Forderungen ablässt, ist nicht nur ein völlig ungewöhnliches Vorgehen bei Tarifverhandlungen, sondern zwingt die Gewerkschaft geradezu in den nächsten Ausstand.
Für einen Konzern in Staatsbesitz, dessen Image aufgrund seiner chronischen Unzuverlässigkeit ohnehin schon arg angeschlagen ist, ist ein solches Agieren inakzeptabel und verantwortungslos.
Dabei ist auch der EVG bewusst, dass ihre Kernforderung nach mindestens monatlich 650 Euro in diesem Jahr nicht dem entspricht, was letztlich machbar für sie sein wird. Wie groß in der Regel der Widerspruch zwischen gewerkschaftlichem Anspruch und sozialpartnerschaftlicher Wirklichkeit ist, haben in diesem Jahr bereits anschaulich die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst oder bei der Deutschen Post gezeigt.
Gleichwohl ist es verständlich, dass die EVG auch das jüngste Angebot der Bahn zurückgewiesen hat. Denn es bleibt ausgerechnet für die Beschäftigten in den unteren Lohngruppen, die am stärksten von den heftig gestiegenen Lebenshaltungskosten betroffen sind, deutlich dahinter zurück.
Wenn sich der Bahnvorstand einerseits üppige Boni gönnen will – was der Aufsichtsrat vorläufig ausgesetzt hat – und zudem noch Prämien in dreistelliger Millionenhöhe an weitere Führungskräfte auszahlt, aber andererseits einen Reallohnverlust denen zumuten will, die ihn am schlechtesten verkraften können, dann kommt er seiner sozialen Verantwortung nicht nach.
Statt neue Streiks zu riskieren, sollte sich die Konzernspitze endlich bereitfinden, ernsthaft mit der Gewerkschaft zu verhandeln, wie hoch ein Sockel- oder Festbetrag sein kann. Denn der würde besonders den Niedrigverdienenden nützen. Das wäre gut für die Beschäftigten – und für alle Bahnkund:innen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel