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Deutsch-griechisches VerhältnisKrach an allen Ecken

Gastkommentar von Jens Bastian

Um die Beziehungen zwischen Berlin und Athen steht es nicht gut. Das liegt vor allem am mangelnden Fingerspitzengefühl Deutschlands.

Als „Strafe Gottes“ bezeichnete der griechische Abgeordnete Babbis Papadimitriou die deutsche Flut Foto: Michael Probst/ap

A then im Sommer 2021. Es kracht an verschiedenen Ecken und Kanten im deutsch-griechischen Verhältnis. Ende Juni kam es zu einem öffentlichen diplomatischen Disput zwischen den Außenministerien in Berlin und Athen. Der Anlass war die zweite Berlin-Konferenz zu Libyen. Die Türkei war eingeladen, Vertreter der Afrikanischen Union, der Arabischen Union, der Republik Kongo sowie Delegationen aus Algerien, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Nur Athen erhielt keine Einladung und fühlte sich durch Berlin brüskiert. Drei Wochen später werden Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen von einer Flutkatastrophe getroffen. Zahlreiche Länder bieten ihre Hilfe an. Und wie sieht es mit der Solidarität in Griechenland aus? Die „Flutkatastrophe ist eine Strafe Gottes für jene, die uns in der Vergangenheit belehrend den Zeigefinger entgegenhielten und uns als Dritte-Welt-Land bezeichneten.“

Diese empörende Aussage trifft der Abgeordnete der regierenden konservativen Nea Dimokratia (ND), Babbis Papadimitriou. Der ehemalige Journalist des Fernsehsenders Skai und der Tageszeitung Kathimerini ist seit Juli 2019 Abgeordneter im griechischen Parlament. Es kann vorausgesetzt werden, dass er mit den Regeln der öffentlichen Rede hinreichend vertraut ist. Papadimitriou wurde in Athen umgehend und scharf kritisiert. Zahlreiche griechische Journalisten wiesen seine Äußerung als unverantwortlich zurück.

Trotzdem gewinnt man einen Eindruck davon, warum es zwischen Berlin und Athen kracht. Papadimitrious Äußerung steht sinnbildlich für die deutsch-griechischen Beziehungen, die im Sommer 2021 von Missverständnissen, Anschuldigungen und vermeidbaren Fehlern geprägt sind. Abermals ist zu beobachten, wie es griechischen Politikern und Journalisten nicht gelingt, der Versuchung zu widerstehen, unnötig zu polarisieren. Gleichwohl ist ein unaufgeregter Blick auf das bilaterale Verhältnis notwendig.

Die Ursachen liegen tiefer

Eine nüchterne Ansicht auf die deutsch-griechischen Beziehungen legt nahe, dass die jüngsten Unstimmigkeiten tiefere Ursachen haben. Aus den Worten Papadimitrious spricht neben Dummheit und Beleidigung auch ein in Griechenland weit verbreitetes Ressentiment. Der „belehrende Zeigefinger“ und die „Dritte-Welt“-Kategorisierung spielen auf die europäische Rettungspolitik der vergangenen Dekade an.

Bild: privat
Jens Bastian

ist 1960 in Nürnberg geboren und Ökonom.Er lebt und arbeitet seit 1998 in Athen, wo er zwischen 2011 und 2913 Mitglied der „Task Force for Greece“ war. Heute arbeitet er als un­abhängiger Berater und Finanzanalyst bei der griechischen Denkfabrik Eliamep.

Viele Menschen in Griechenland ­empfinden auch heute noch die damalige Rettungspolitik als demütigend, die primär von „Berlin“ und „Merkel-Land“ vorangetrieben worden sei. Ein aktuellerer Hintergrund betrifft die griechisch-türkischen Auseinandersetzungen in der Ägäis, die Zypern-Frage und Energievorkommen in umstrittenen Seegrenzen. Berlins Bereitschaft, in diesen Konfliktzonen zwischen Athen und Ankara zu vermitteln, ist begrenzt.

Dagegen werden Frankreich und die USA als glaubwürdigere Nato-Partner in Athen angesehen, die dem türkischen Autokraten-Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan entgegentreten und diese Haltung auch mit handfesten militärischen Mitteln unter Beweis stellen. Die deutsche Diplomatie wird hingegen in Athen als der wenig überzeugende Versuch wahrgenommen, es beiden Seiten in den mediterranen Konfliktzonen möglichst recht zu machen.

Dabei werden die fortgesetzten deutschen U-Boot-Lieferungen an die Türkei als Affront gegenüber Griechenland angesehen. Sehr oft fragen sich griechische Regierungs- und Medienvertreter, warum sich die Verantwortlichen in Berlin so opportunistisch gegenüber Erdoğan verhalten. Der griechische Verteidigungsminister Nikolaos Panagiotopoulos forderte von seiner deutschen Amtskollegin Annegret Kramp-Karrenbauer einen Stopp der deutschen U-Boot-Exporte für die Türkei und bekam eine klare Absage.

Irritationen und Schuldzuweisungen

Schließlich führten die weiträumigen Brände der vergangenen Wochen in Griechenland zu weiteren Irritationen im bilateralen Verhältnis. 22 Länder, darunter Zypern, Moldawien und Bulgarien, beteiligten sich umgehend an verschiedenen Maßnahmen des Katastrophen- und Zivilschutzes. Sie standen mit aktiver Unterstützung und Ausrüstung bereit, während die Hilfe aus Deutschland zunächst auf sich warten ließ.

Dies führte zu manch scharfer Kritik in griechischen Medien und auch bei einzelnen Oppositionsparteien. Am Ende schickte Berlin mehrere Löschmodule. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis bedankte sich insbesondere bei Russland, welches das Löschflugzeug Beriev Be-200 zur Verfügung gestellt hatte. Die Bundesregierung bekommt gegenwärtig schonungslos vor Augen geführt, wie rasch die Schattenseiten des deutsch-griechischen Verhältnisses abermals zum Vorschein kommen können.

Ob es rhetorische Entgleisungen eines griechischen Parlamentsabgeordneten sind, diplomatische Noten seitens des Athener Außenministeriums wegen der Libyen-Konferenz, Waffenexporte in die Türkei oder verspätete Hilfestellung zur Bewältigung der Brände – die Summierung solcher Ereignisse unterstreicht, wie labil die deutsch-griechischen Beziehungen sind, wie schnell Verbesserungen aus den vergangenen Jahren umschlagen können in Ressentiment und stereotype Meinungsbilder.

Die Stimmungslage im Sommer 2021 ist geprägt von Irritationen und reflexartigen Schuldzuweisungen. Während das in Athen niemanden überrascht, reagiert Berlin auf solche Entwicklungen mit Erstaunen. Das lässt den Schluss zu, dass Empfindlichkeiten in der griechischen Politik, historische Hinterlassenschaften vor 1945 und regional-strategische Konstellationen in Berlin immer noch ungenügend verstanden werden. In Athen ist deshalb die Hoffnung gering, dass sich nach der Bundestagswahl an dieser Ausgangslage substanziell etwas ändern wird.

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