piwik no script img

Der weltweit höchstverschuldete KonzernImmobilienriese muss dichtmachen

Jetzt ist Schluss für China Evergrande, beschied eine Richterin. Die Abwicklung des Bauträgers dürfte Folgen für die ganze Volkswirtschaft haben.

Ein von Evergrande entwickeltes Wohnhaus: Jetzt wird der Bauträger abgewickelt Foto: Florence Lo/Reuters

Hongkong dpa | Linda Chan hat es gereicht: In der chinesischen Immobilienkrise hat die Hongkonger Richterin die Auflösung des hoch verschuldeten Konzerns China Evergrande angeordnet. Ein entsprechendes Urteil fällte Chan am Montag in der chinesischen Sonderverwaltungszone und folgte damit dem Antrag der Gläubiger.

Immobilienriese China Evergrande landete wegen nicht bezahlter Kredite vor Gericht. Einen Vorschlag, die im Verfahren verhandelten Schulden des südchinesischen Konzerns im Wert von etwa 23 Milliarden US-Dollar (ungefähr 21,2 Milliarden Euro) umzustrukturieren, lehnten die im Ausland sitzenden Gläubiger mehrmals ab.

Die Anhörung habe eineinhalb Jahre gedauert, und die Firma sei immer noch nicht fähig, einen konkreten Vorschlag für eine Restrukturierung vorzubringen, sagte Chan, wie die South China Morning Post berichtete. „Ich denke, es ist Zeit für das Gericht zu sagen, genug ist genug“, sagte sie demnach.

Chan gab dem mit umgerechnet mehr als 300 Milliarden US-Dollar weltweit am höchsten verschuldeten Konzern mehrmals Aufschub, um eine Lösung zu finden. Evergrande kann gegen das Urteil in Berufung gehen. Bis zu einer Entscheidung würde der Abwicklungsprozess allerdings erst einmal eingeleitet werden.

Folgen für Chinas ganze Wirtschaft

An der Hongkonger Börse rauschte das Papier der Evergrande Group am Montag in die Tiefe. Der Handel mit der Aktie wurde gestoppt. Die Abwicklung Evergrandes könnte auf den Märkten, denen Peking jüngst versuchte, wieder auf die Beine zu helfen, Wellen schlagen und das Vertrauen in den chinesischen Immobilienmarkt weiter schwächen. Jetzt beginnt die Suche nach einem Insolvenzverwalter. Der verkauft die Anlagen des Unternehmens, um damit die Schulden an die Gläubiger zu bezahlen.

Dass die Gläubiger in Hongkong vor Gericht zogen, lag daran, dass Evergrande an der dortigen Börse gelistet ist. Ob das Urteil jedoch in Festlandchina, wo viel Vermögen des Konzerns sitzt und ein anderes Rechtssystem herrscht, umgesetzt wird, ist unklar. Für einen Verwalter könnte es schwer werden, am offiziellen Firmensitz im südchinesischen Guangzhou personelle Entscheidungen zu treffen.

Für die Gläubiger könnten die Aussichten eher schlecht stehen, viel von ihrem Geld wiederzubekommen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Verwalter einen neuen Plan erarbeitet, die Schulden bei den Auslandskreditgebern umzubauen. Allerdings müsste dafür feststehen, dass der Konzern noch genug Anlagen hat, oder es müsste ein „Weißer Ritter“ auftauchen, also ein Investor mit dem nötigen Geld.

Die Krise bei China Evergrande und im Immobiliensektor lastet schwer auf der chinesischen Wirtschaft. „In China Evergrade manifestiert sich die aktuelle Immobilienkrise in konzentrierter Form“, sagt Chefökonomin Wang Dan von der Hang Seng Bank China.

Für die Volksrepublik war Bauen einer der wichtigsten Konjunkturtreiber. Der Immobilienbereich macht der Expertin zufolge mehr als 20 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung aus. 2023 legte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach offiziellen Zahlen um 5,2 Prozent zu. In diesem Jahr könnte das Wachstum laut der Weltbank allerdings deutlich niedriger ausfallen.

Zudem war die Branche ein wichtiger Anlaufpunkt für arbeitsuchende Uniabsolventen. Mit wenigen Voraussetzungen ließ sich hier laut Wang gutes Geld verdienen, etwa als Makler oder als Angestellter in einer großen Immobilienfirma. Da der kränkelnde Sektor seine Rolle als Arbeitsbeschaffer mittlerweile verloren hat, trägt er nun zur hohen Arbeitslosigkeit unter jungen Leuten bei. „Viele Studenten finden heute keine Jobs mehr und werden vielleicht Taxifahrer“, sagt Wang.

Außerdem droht laut Wang den mehr als 4.000 chinesischen Banken Ungemach. Ihre nicht zurückgezahlten Schulden seien mehr oder weniger mit Immobilien oder Anleihen der Lokalregierungen verbunden. Wenn der Markt für Immobilien einbreche, erhöhe sich der Druck auf die Banken deutlich.

Doch damit ist nicht Schluss: Wenn viele Firmen sich von Banken Geld leihen, hinterlegen sie als Sicherheit meist Immobilien, wie Wang erklärt. Nun sei der Wert der Immobilien und damit der Sicherheiten gesunken, was bedeute, dass viele Firmen auch Liquiditätsprobleme hätten, sagt sie.

Im Fall von China Evergrande kam erschwerend hinzu, dass die chinesischen Behörden gegen den Konzern zu ermitteln begannen. Der Vorstandsvorsitzende und einst Asiens reichster Mann, Hui Ka Yan, steht wegen „illegaler Verbrechen“ im Fokus der Untersuchung. Ein Verbot untersagte dem Unternehmen zudem, Dollar-Anleihen auszugeben, was ein wichtiger Teil des Sanierungsplans war.

Wie es zu der Krise kam: In den Boom-Jahren nach der Jahrtausendwende investierten viele Chinesen in Immobilien, weil sie mehr Stabilität als der Aktienmarkt versprachen. Die Bauträger steckten ihre sprudelnden Einnahmen direkt in neue Projekte. Menschen hatten schon Wohnungen gekauft, die noch gar nicht fertig waren – und jetzt vielleicht auch nicht mehr fertig werden.

Da die Wirtschaft seit der Coronapandemie schwächelt und die Menschen weniger Geld ausgeben, gingen auch die Einnahmen der Bauträger deutlich zurück. Dadurch konnten sie ihre Schulden nicht mehr begleichen. Die Regierung versuchte zuletzt, mit Lockerungen bei der Kreditvergabe Kaufanreize zu schaffen. Laut Berichten soll es auch eine Liste mit angeschlagenen Firmen geben, in die Banken investieren sollen, um ihnen aus der Misere zu helfen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Das Ganze ist ein Beispiel dafür, dass Reichtum immer relativ ist: Der Einsatz von Kapital muss sich lohnen. Wenn er zu hoch ist und zu spekulativ ist wie bei uns wie bei Benko Benko, geht es schief und alles wird nichts. Wenn Nachfrage nachlässt,weil die 'Kunden' oder Verbraucher immer ärmer werden wie im absterbenden Kapitalismus derzeit. verlieren alle, auch die 'Reichen', die mit dem Kapital, das eigentlich Abhängigen Jobs geben soll, damit sie Profit erwirtschaften. Jetzt müssen diejenigen, die fürs Kapital geschuftet haben, sehen, wo sie bleiben, neue Jobs und Tätigkeitsfelder nach einem Gemeinnwohlprinzip finden und die Ergebnisse und den geschaffenen Reichtum gerecht aufteilen, Zu tun gibt es genug und mit den Erkenntnissen aus der alten Wirtschaftsform, dem Kapitalismus, sollte genug für alle da sein auch ohne Ausbeutung der Rohstoffquellen bis zum Gehtnichtmehr.

  • Bei uns sind die Banken "to big to fail". Andere Länder andere Sitten.



    Aber eines dürfte mittlerweile klar sein: Es braucht einen abosoluten Deckel für Schulden. In allen Branchen.



    Vermutlich wäre sogar ein Deckel auf die Gesamtgröße sinnvoll.

    Aber wie das so ist: Jede: weiß im Grunde was nötig ist aber keine: hat die Chuzpe dazu.

    • @Bolzkopf:

      Eigentlich ist ja alles noch viel schlimmer. Denn im Gegensatz zu Deutschland, wo Kapitalisten die Eigentümer sind, denen der Staat bitteschön nicht reinreden soll, erwartet man von der kommunistischen VR China eigentlich, dass dort alles "dem Volke" gehört und demzufolge nach dem Prinzip "alles mit dem Volk - alles für das Volk" gewirtschaftet wird.

      Rückblick: Nach jahrzehntelangen, erfolglosen Wirtschafts-Experimenten aufgrund der Rezepte von Marx / Engels / Lenin (/Stalin / Mao) war es schließlich unumgänglich geworden, wieder zum einst besiegten Kapitalismus zurückzukehren. Ein Gräuel für überzeugte Kommunisten, denn hierdurch holte man sich alle Risiken und Nebenwirkungen des Kapitalismus wieder zurück!

      Seitdem steckt in einer "kommunistischen" Verpackung, repräsentiert durch die Kommunistische Partei, ein knallharter kapitalistischer Kern. Vom gehabten Sozialismus/Kommunismus bleibt nur die Allmacht des Staatsapparates und seiner Sicherheitsorgane, sowie die weitgehende Unterdrückung jeglicher Opposition.



      Das Ende der Ausbeutung? Die Lösung aller Menschheitsprobleme? LOL!