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Der sonntaz-StreitIst Datenhygiene jetzt Bürgerpflicht?

Unsere Daten sind begehrt – bei Geheimdiensten und Unternehmen. Müssen wir selbst darauf achten, was wir preisgeben? Oder ist das Aufgabe des Staates?

Datenströme besser schützen – eine Bürgerpflicht? Bild: luxuz::. / photocase.com

„Der Staat muss persönliche Kommunikationsdaten der Menschen schützen“, heißt es im neuen Wahlprogramm der CDU/CSU für die Bundestagswahl im September. Paradoxerweise wird damit der Paragraph über die Vorratsdatenspeicherung eingeleitet. Die jetzt nicht mehr so heißt. In Reaktion auf den Aufruhr rund um das amerikanische Überwachungsprogramm Prism ist jetzt von der Mindestdatenspeicherung die Rede.

Das ändert aber nichts an den Fakten. Wo die technische Möglichkeit zur Überwachung unserer Aktivitäten im Netz besteht, wird sie auch genutzt: Sei es von privaten Unternehmen für die Optimierung personalisierter Werbung oder eben von Staat und Geheimdiensten zur so genannten Terrorabwehr.

Das wird nicht nur in den USA so praktiziert, sondern auch in Kanada, Großbritannien, Frankreich und in Deutschland. Hierzulande stößt die geheimdienstliche Überwachung eher auf Zustimmung: Etwa 55 Prozent der Bundesbürger befürworten sie, solange es sich um Terrorbekämpfung handelt, zeigt der neueste ARD-Deutschlandtrend.

Der Politk-und Internetforscher Viktor Mayer-Schönberger fordert schon lange ein Verfallsdatum für Daten im Internet. Geschehen ist in diese Richtung allerdings noch nicht viel.

Die Antworten auf den sonntaz-Streit lesen Sie am 13./14. Juli in der neuen taz.am wochenende. Mit großen Reportagen, spannenden Geschichten und den entscheidenden kleinen Nebensachen. Mit dem, was aus der Woche bleibt und dem, was in der nächsten kommt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Kein Aufschrei

Kein Aufschrei. Keine Empörung, keine Wutbürger, die auf die Straße gehen für die Geheimhaltung ihrer Daten. Ist es uns einfach egal, was „die“ über uns wissen? Wir haben ja schließlich nichts zu verbergen. Das ist gefährlich, sagt Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar. Durch diese gleichgültige Haltung des „modernen Untertanen“ ebnen wir den Weg hin zur totalen Überwachung.

Denn: Indem wir nichts tun, signalisieren wir: Das ist schon ok, macht mit meinen Daten, was ihr wollt. Gehört es ab sofort also nicht nur zu unseren Bürgerpflichten, vor der Haustür bei Glätte zu streuen, sondern eben auch, digital mündiger zu werden? Durch digitale Sparsamkeit, gar Enthaltsamkeit, oder durch das Verschlüsseln unserer Daten? Der Zeit-Online-Redakteur Ludwig Greven rief jüngst dazu auf, wie in der DDR lieber im Wald unter vier Augen als im Internet miteinander zu kommunizieren.

Brauchen wir Makrostrukturen, um solche Szenarien zu verhindern? Muss der Staat unsere Daten im Internet schützen, durch eine Art digitalen Radiergummi, wie ihn Viviane Reding, die EU-Kommissarin für Grundrechte, forderte? Brauchen wir Datenschutzbeauftragte, die sich bei den großen Internetunternehmen um die Löschung unserer Daten kümmern? Sollte es für Daten im Internet ein eingebautes Verfallsdatum geben? Oder müssen wir uns selbst darum kümmern, welche Daten wir im Internet preisgeben?

Was meinen Sie: Ist Datenhygiene jetzt Bürgerpflicht?

Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom 13./14. Juli. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 10. Juli, eine Mail mit Name, Foto und Alter an: streit@taz.de

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12 Kommentare

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  • V
    vic

    Die individuelle Zuständigkeit endet bei der Wahl des Betriebssystems, des "Social"Networks, des Browsers, des E-Mail Clients, der freiwilligen Preisgabe privater Daten.

    Der Schutz vor Geheimdiensten- fremden oder eigenen- obliegt der Regierung. Schlimm genug.

  • UR
    Uwe Roos

    @anonym: Ein Kommentar der Resignation. Gut geschrieben mit sehr vielen bekannten und dennoch unausgesprochenen Wahrheiten. Wäre ein Abdruck wert. Ist aber wahrscheinlich zu gut für die kleine Debattenseite, in der nur Allgemeinplätze abgehandelt werden.

  • Y
    Yep

    Anonym schrieb:"...

     

    Wenn meine Vorbereitungen zur Emigration in 12 Monaten abgeschlossen sind, werde ich dieses Land hoffentlich für immer verlassen - wissend, dass es nicht mehr besser - sondern im Gegenteil weit schlimmer werden wird.

     

    Ich bin nach all den Jahren eindeutig zu müde. Zu frustriert, um noch irgendwo aktiv zu sein. Als Kind ins Netz getaucht, gelernt, beobachtet, den Verfall erlebt und heute mit 25 Jahren fertig mit den Nerven.

     

    Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, steig' ab!

     

    In diesem Sinne: Adiós, Deutschland. ..."

    --------

     

    Das kann ich sowas von nachvollziehen. Ich habe nur seit Jahren keine wirklich befriedigende Antwort gefunden, wohin man denn abhauen könnte. Man kann die DDR-Checker damals nur beneiden: Einfach "rübermachen" gibt es heute leider nicht mehr.

  • S
    Supi

    Wasser ist nass. Unverschlüsselter eMail-Verkehr ist unsicher.

     

    Da ändert auch Merkel nichts dran.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/E-Mail#Vergleich_mit_der_Postkarte

     

    Wenn man seine Mails nicht selbst verschlüsselt können auch nicht nur die Geheimdienste, sondern auch Krethi und Plethi mitlesen. Und Plethi ist ein ganz schlimmer Finger.

     

    Die Bürger sind selbst schuld, wenn sie intime Liebesbotschaften und Kreditkarteninformationen per Postkarte verschicken oder gleich als Aushang am Schwarzen Brett bekanntgeben.

  • P
    Paul

    "Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden. Jeder hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen." - Artikel 12 der Menschenrechte

     

    Auch wenn Datensparsamkeit und Verschlüsselung sicherlich eine gute Idee sind, sagen die Menschenrechte ganz klar, dass der Staat rechtlichen Schutz gegen willkürlichen Zugriff leisten muss. Solange die Bundesregierung dies nicht umsetzt, muss sie sich vorwerfen lassen, Menschenrecht mit Füßen zu treten.

  • A
    Anonym

    Seit dem 56k Modem bin ich dabei, damals noch in sehr jungen Jahren. Ich sah ein unendlich erscheinendes Potential. Heute resigniere ich angesichts der Pervertierung des Netzes vom digitalen Land der unbegrenzten Kommunikationsmöglichkeiten in ein Horrorszenario à la 1984. Menschen wie mir war schon vor vielen Jahren klar, dass Wirtschaft und Staaten jede Option nutzen werden, wenn die technische Möglichkeit zur Totalüberwachung und Verfolgung besteht. Man wurde belächelt, als paranoid tituliert und heute sind alle frommen Lämmer "schockiert" über das, was sich Big Brother laut Zeitung alles erlaubt.

     

    Terrorabwehr, Urheberrechte, Kinderschutz, etc... Ich kann es nicht mehr hören. Es geht im Netz um Kontrolle und Profit. Es ist tatsächlich so simpel.

     

    Nehmen wir die Terrorabwehr:

    Es gibt nur eine einzige Maßnahme, um Terrorismus zu verhindern. Man nimmt nicht daran teil. Jedem Sicherheitsfanatiker und Innenminister sollte man die Bücher von Chomsky links und rechts um die Ohren hauen.

     

    Urheberrechte/Kinderschutz: Reine Bevormundung der User vor unbequemen Inhalten (Netzsperren), Profitgier (Abmahnwahn), Niederschlagung der anonymen und freien Rede. Die EU spielt in Sachen Bevormundung in der 1. Liga. Aber: Wenn ich erzogen werden möchte, dann gehe ich zu meiner Mutter.

     

    Wir müssen uns ins Gedächtnis rufen, dass jede Überwachung und jede Zensur sofort ausgeweitet wird, wenn erst einmal die Infrastruktur vorhanden ist. Anhand der VDS sah man das gut. Da gingen den Ermittlern keine bösen Freiheitshasser ins Netz. Nein, man überwachte Dealer und verknackte Betrüger oder Stalker. Aber das war doch alles nur wegen Terrorgefahr? Das hat man uns immer versichert! Empörung! Gleiches galt für die Netzsperren. Da ging es um Kinderschutz. Oder war es doch illegales Glücksspiel? Oder Internettauschbörsen? Hmmmm...

     

    Freie Rede und Kontrollgier sind der Konflikt zwischen jeder Regierung und mündigen Bürgern. Aktuell muss man nur zur Türkei sehen, um das zu verstehen. SocialMedia-User werden verhaftet. Kein Wunder, denn ihre Daten sind ja leicht abzugreifen.

     

    Staaten wollen keine mündigen und frei denkenden Bürger. Das widerstrebt dem Konzept. Dies gilt nicht nur für Diktaturen. Dies gilt für die USA, China, Russland, die EU und große Teile der restlichen Welt gleichermaßen. Das ist die bittere Realität.

     

    Früher, als ich noch politisch aktiv im Bereich Datenschutz und digitale Anonymität war, traf ich mich einmal eher widerwillig zu einem Radiointerview mit Vertretern der CDU zum Thema Netzsperren. In Ruhe hörte ich mir ihre Argumente an und zerlegte diese anschließend anhand von klaren Fakten (Studien, Auswertungen, Querverweise auf andere Länder, etc.), doch die Anzugträger beharrten weiter auf ihren platten und dummen Pseudoargumenten. Ich verließ schweigend den Tisch, bestellte mir am Tresen ein kühles Bier und setzte mich anschließend in den Biergarten nach draußen. Die Frau vom Radio war irritiert und fragte mich, was denn los sei. Ich antwortete, dass ich ebenso gut versuchen könne, Kreationisten die Evolution zu erklären. Es hat einfach keinen Sinn.

     

    Hier in Deutschland haben wir ohnehin das Problem, dass die Revolution ausfällt, weil das Betreten des Rasens verboten ist. Die Köpfe sind verkalkt und die antiken Ansichten längst verstaubt.

     

    Was bleibt uns letztlich an Alternativen? Die Antwort ist frustrierend. Den Stecker ziehen. Treffen nur noch persönlich vereinbaren. Kein Telefon, kein Handy, Internet nur dann, wenn es sich zwecks Recherchen nicht vermeiden lässt. Briefe statt Email. Zurück zum Ursprung.

     

    Wenn meine Vorbereitungen zur Emigration in 12 Monaten abgeschlossen sind, werde ich dieses Land hoffentlich für immer verlassen - wissend, dass es nicht mehr besser - sondern im Gegenteil weit schlimmer werden wird.

     

    Ich bin nach all den Jahren eindeutig zu müde. Zu frustriert, um noch irgendwo aktiv zu sein. Als Kind ins Netz getaucht, gelernt, beobachtet, den Verfall erlebt und heute mit 25 Jahren fertig mit den Nerven.

     

    Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, steig' ab!

     

    In diesem Sinne: Adiós, Deutschland.

  • B
    BillyGunn

    Wenn man hier irgendwo auf der Seite den öffentlichen Schlüssel deponieren würde, könnte man der taz ja auch zu diesem Thema eine verschlüsselte Mail schicken ;)

  • M
    MenschMeier

    Ist Datenhygiene jetzt Bürgerpflicht?

    Nun, selbstverständlich ist sie Bürger-Recht.

    Sie wird allerdings zur Bürgerpflicht, wenn die herrschenden Verhältnisse das Recht unterhölen.

    Das ist dann der Fall, da Bürger, die ihr Recht auf Datenhygiene, zum Beispiel durch Verschlüsselung wahrnehmen besonders "gründlich" überwacht werden, d.h. nicht "nur" Metadaten sondern - weil verschlüsselt - alle Datenpakete gespeichert werden.

     

    Wenn also jemand, der ein Recht ausübt, grundsätzlich in höherem Maße des Unrechts verdächtigt wird, kann davon ausgegangen werden, dass die Grenzen von Recht zu Unrecht verwischt werden/worden sind - daraus folgt dass Widerstand zur Pflicht wird, ergo das Bürgerrecht Datenhygiene zu pflegen wird zu Bürgerpflicht.

     

    Wie sich diese Bürgerpflicht ohne große Anstrengungen gewissermaßen bürgerfreundlich ausgestalten lässt (Stichwort "Volks-Verschlüsselung"..), ist eine andere Frage.

     

    Dass diese Umstellung, ähnlich wie die einst die Aufklärung das Zeitalter der Inquisition beendete, kein Zuckerschlecken sein wird und eine partizipierende "kritische Masse" benötigt, ist klar.

  • R
    richter169

    Hallo,

    sehen wir es mal so, wie es in der DDR die Stasi gab, haben sich die Bürger geschützt, in den sie überlegten wen sage ich was.

     

    Bei den Daten gibt es nur folgende Lösung, ich lege mir ein Verschlüssungsprogramm zu und Verschlüsse alle Mails und Daten auf meinen Rechner. Es gibt bereits Partys/Stammtische wo man das lernt.

     

    Das ist die eine Lösung, die andere ist ein Schuss vor den Bug der Bundespolitiker, in den man die Piraten wählt. Was anderes zählt nicht. Warum die Piraten? Weil sie für Datensicherheit sind.

     

    Bis dann

    lg von Richter169

  • DU
    Der Uli

    Bürger 'Pflicht" sicher nicht - aber es ist eine Sache, die 'der Bürger' letztlich selber machen muss. Aus einem einfachen Grund:

     

    Wollte irgendeine Instanz des Burgers Daten schützen, müsste eben diese Instanz eben diese Daten kennen - was bedeutet, daß der Datenschutz in dem Moment nicht mehr gegeben ist, in dem er deligiert würde.

    Ein Paradoxon ...

    Selbstredend sind staatlich Maßnahmen in vielen Fällen sinnvoll - Kennzeichnungpflicht, Pflicht zur Transparenz, das ganze Zeug. Nur: Was anschließend der einzelne damit anfängt, ist allein dessen Angelegenheit.

     

    Medienkompetenz vermitteln, Informationen zugänglich machen, aber nicht "beschützen" - weil das letztlich auf Zensur rausläuft

  • R
    Ruhrblume

    Ich las gerad: "Ist Damenhygiene jetzt Bürgerpflicht?"

  • UR
    Uwe Roos

    Wir können bei der Datensicherheit und -hygiene keine Sozialverantwortung des Staates einfordern. Wir rufen zu schnell nach dem Staat, nur um dann ernüchternd festzustellen, das dieser seine eigenen Interessen verfolgt. Die Verwendung und die Weitergabe persönlicher Daten liegt primär in unserer Verantwortung. Zu vorschnell geben wir heute aus Bequemlichkeit und Unwissenheit Daten weiter. Nur, Unwissenheit schützt nicht vor Schaden. Und die fatalistische Einstellung, das die da oben kontrollfrei sind machen was sie wollen, war

    schon immer barer Unsinn.