Der sonntaz-Streit: „Völlig inakzeptabel“
Die Politiker Marina Weisband und Volker Beck fordern: Die Fifa muss Russland die Fußball-Weltmeisterschaft wieder wegnehmen.
Die Kämpfe im Osten der Ukraine zwischen prorussischen Separatisten und der ukrainischen Armee gehen weiter. Russland wird beschuldigt, die Separatisten zu unterstützen und damit die Gewalt zu schüren. Auch für den Absturz der Boeing MH17 über ostukrainischem Gebiet machen westliche Medien Russland verantwortlich. Wirtschaftssanktionen sollen Russland jetzt unter Druck setzen.
Darf in einem Land, das eine solche Gewalt in seinem Nachbarland toleriert, ein völkerverbündendes Großereignis wie die Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden? Muss die Fifa als Weltfußballverband nicht die humanitären und gesellschaftlichen Zustände im Land der Austragung verantworten können? Sollte sie Russland die Weltmeisterschaft wieder abnehmen?
„Die Fifa könnte ausnahmsweise moralisch handeln und eine symbolische Grenze aufzeigen. Vielleicht fangen russische Bürger dann an, die international isolierende Politik ihrer Regierung zu hinterfragen“, sagt Marina Weisband, die ehemalige Geschäftsführerin der Piratenpartei. Putin könne, wenn er wollte, den Konflikt mit wenigen Worten beilegen.
Auch der innenpolitische Fraktionssprecher der Grünen, Volker Beck, plädiert dafür, bei der Wahl des Austragungsorts der Weltmeisterschaft Menschenrechtsfragen ernster zu nehmen. „Wenn bei der Errichtung von Sport- und Kulturstätten Vertreibungen stattfinden oder Wanderarbeiter wie Sklaven behandelt werden, ist eine rote Linie überschritten“, sagt er. „Völlig inakzeptabel ist eine Durchführung von Weltmeisterschaften in einem Land, das gerade einen Teil seines Nachbarstaates völkerrechtswidrig annektiert hat und in anderen Teilen des Nachbarlandes einen Bürgerkrieg befeuert.“ Lenkt Russland nicht ein, müsse die Fifa Russland die WM entziehen.
Angenommen man weiß, jemand wird mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit einen Mord begehen. Was macht man da? Ihn mit einer Drohne überwachen? Ein Gespräch mit den Science-Fiction-Autoren Marc Elsberg und Tom Hillenbrand über eine Zukunft, die wir immer besser kennen, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 2./3. August 2014. Außerdem: Hoyerswerda hat wieder ein Asylbewerberheim. Kann die Stadt ihre Vergangenheit überwinden? Und: Helmut Höge über Waschbären. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
„Als die WM vor vier Jahren an Russland vergeben wurde, hatte die Fifa keine Ausschreibungskriterien, in denen Menschenrechte eine Rolle spielen. Das muss sich nach meiner Auffassung dringend ändern“, sagt Theo Zwanziger, ehemaliger DFB-Präsident und Mitglied im Fifa-Exekutivkomitee. In Zukunft müsse auf die soziale und gesellschaftliche Struktur eines möglichen Ausrichterlandes sehr viel mehr Wert gelegt werden. „Der Sport hat durchaus auch die politische Aufgabe, für Menschenrechte einzutreten und gegen Diskriminierung zu kämpfen“, so Zwanziger. Bevor die Staatengemeinschaft selbst eine überzeugende Sanktionsstrategie entwickelt habe, könne der Sport jedoch nicht eine derart schwerwiegende Sanktion ergreifen. „Der Sport würde damit seine eigene völkerverbindende Kraft relativieren und aufgeben.“
Die Streitfrage in dieser Woche beantworten außerdem die Sängerin Bella Hahn, Marcus Urban, der erste Fußballspieler in Deutschland, der sich als homosexuell geoutet hat, Dorothea Schäfer, Forschungsdirektorin der Finanzmärkte am DIW Berlin sowie Olaf Opitz von der Berliner Band Apparatschik - in der taz am wochenende vom 2./3. August 2014.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen