Der aktuelle Tipp von Berlins Polizeipräsident: „Porsche nicht in Kreuzberg parken“
Polizeipräsident Dieter Glietsch ist linken Brandstiftern und Polizeiübergriffen auf der Spur. Nur von Fußball hat er keine Ahnung.
taz: Herr Glietsch, was macht Ihnen mehr Sorgen? Die Aktionen der linken Szene während der Freiraumtage oder die täglichen Jubelarien der Fußballfans auf dem Ku'damm?
DIETER GLIETSCH (61) ist seit 2002 Polizeipräsident von Berlin. In die Stadt geholt wurde er von der rot-roten Regierung. In den sechs Jahren seiner Amszeit hat der frühere Inspekteur der Polizei von Nordrhein-Westfalen vieles bewirkt. Das Vollzugspersonal wurde auf 16.000 Beamte reduziert, die Führungsstrukturen verschlankt, eine von sieben Polizeidirektionen aufgelöst. Aber das wichtigste ist wohl, dass die Berliner Polizei, deren Einsatzeinheiten einst als Prügelgarde verschrien waren, kaum noch negative Schlagzeilen produziert.
Dieter Glietsch: Auf die Jubelarien sind wir vorbereitet. So lange es friedlich bleibt, ist das überhaupt kein Problem. Wir sind auch darauf eingestellt, dass es bei dem Sieg von bestimmten Mannschaften zu Auseinandersetzungen kleiner Art kommen kann.
Gäbe es ein Partie, die Ihnen Sorgen machen würde?
Nein. Dass wir alles gut im Griff haben, haben wir ja schon bei der Fußball-WM gezeigt.
Die Freiraumtage hatte die Polizei nicht so gut im Griff. Es gabe eine Hausbesetzung und reihenweise brennende Autos. Wurden Sie davon überrascht?
Nein. Wir waren ziemlich genau auf das eingestellt, was sich in dieser Woche ereignet hat. Die Freirraumtage wurden ja intensiv beworben. Welches Haus besetzt wird und welche Autos angezündet werden, konnten wir schlechterdings nicht wissen. Die Inbrandsetzung von Fahrzeugen ist polizeilich nur sehr schwer zu bekämpfen.
Warum ist das so schwer?
Wir haben über eine Millionen Autos auf der Straße, die als Tatobjekte in Frage kommen. Um vier Uhr morgens ist es dunkel, die Straßen sind menschenleer. Der Täter bückt sich kurz und legt einen Grillanzünder unter das Auto. Bevor das qualmt, ist er schon zwei Straßen weiter.
Drei Personen hat die Polizei während der Freiraumtage dann aber doch festgenommen.
Aus polizeilicher Sicht gibt es überhaupt keinen Zweifel, dass sie Autos in Brand setzten wollten. Möglicherweise haben sie das auch bereits getan. Mir kann keiner erzählen, dass einer nachts mit Einweghandschuhen, Feuerzeug und Grillanzündern im Brustbeutel rumläuft, nur um spazieren zu gehen. Das haben die Betreffenden aber behauptet. Unser Problem ist, dass wir die Täter mehr oder weniger auf frischer Tat ertappen müssen.
In dem Moment, wenn der Zünder drapiert wird?
Richtig. Sonst müssen wir sie wieder entlassen, weil es sich im strafrechtlichen Sinne noch nicht einmal um eine Versuchshandlung gehandelt hat. Bei zwei der Festgenommen ist der Tatverdacht noch nicht ganz ausgeräumt. Bei dem dritten steht fest, es war noch keine Versuchshandlung.
Was raten Sie dem Porsche-Besitzer in Kreuzberg?
Man kann ihm nur abraten, sein Auto nachts auf der Straße zu parken.
Stimmt es, dass die Kripo jetzt Köder aufstellt, also mit Kameras ausgestattete Nobelkarossen?
Wir nutzen alle Möglichkeiten, die es uns erleichtern, Festnahmen auf frischer Tat zu machen. Mehr sage ich nicht dazu.
Waren die Freiraumtage eine Renaissance der linken Szene?
Ich habe nie geglaubt, dass der gewaltbereite Teil der linksextremen Szene in Berlin tot ist. Mit einem Aufflackern bei bestimmten Gelegenheiten ist auch in Zukunft zu rechnen. Auch Mediaspree könnte so ein Anlass sein.
Gewaltausbrüche gibt es leider auch bei der Polizei. Am 1. Mai hat es zwei taz-Redakteure getroffen. Haben Sie sich die Polizeivideos von dem Vorfall angeguckt?
Ja, aber ich kann und will sie noch nicht bewerten. Ich lege großen Wert darauf, solche Sachverhalte aufzuklären. Aber man wird auch in Zukunft nicht ausschließen können, dass Polizisten der geschlossenen Einheiten in einer Stresssituation falsch reagieren.
Ist das eine Entschuldigung?
Nein. Man darf nicht sagen, „wo gehobelt wird, fallen Späne“. Man muss Konsequenzen ziehen, wenn feststeht, was passiert ist.
Müssten Sie dann nicht die individuelle Kennzeichnung der Beamten einführen?
Rechtsstaatlich ist es problematisch, wenn die Aufklärung einer Straftat daran scheitert, dass tatverdächtige Polizisten nicht identifiziert werden können. Aber die Einzelkennzeichnung wird von den Mitarbeitern sehr emotional, von den Befürwortern sehr ideologisch geführt. Beides ist nicht hilfreich für eine sachliche Auseinandersetzung.
Wann könnte ein Einzelkennzeichnung denn schaden?
Rein rational betrachtet: gar nicht. Aber ich muss überzeugende Argumente haben, wenn ich jetzt noch einen Schritt weiter gehe, als bei der Gruppenkennzeichnung, die wir vor drei Jahren eingeführt haben.
Vorher hatten je 40 Beamte eine Nummer, nun je zehn.
Genau. Diesen Schritt haben wir im Einnehmen mit der Beschäftigtenvertretung getan. Wenn ich jetzt weiter gehen will, muss ich belegen, dass dieser große Schritt nicht gereicht hat, um offenkundig berechtigte Vorwürfe im Hinblick auf polizeiliche Übergriffe aufzuklären.
Es gab Fälle, die nicht aufgeklärt werden konnten …
… aber ich kenne bisher keinen, bei dem es am Fehlen der Kennzeichnung lag. Weil meine hausinterne Überprüfung eventuell nicht überzeugt, habe ich einen Rechtsprofessor gebeten, rund 150 Vorgänge auszuwerten. Er hat noch keinen Vertrag …
… das läuft noch gar nicht?
Doch, er hat die ersten Akten und muss jetzt sagen, für 150 solcher Akten brauche ich …
… fünf Jahre?
Nein, nein.
Im November 2006 hatten Sie angeordnet, dass die Beamten des SEK gekennzeichnet werden. Erst jetzt, anderthalb Jahre später, wurde das umgesetzt. Gab es da Widerstände?
Natürlich haben die Kollegen nicht begeistert Ja gesagt, aber daran lang es nicht.
Wurde da verschleppt?
Nein. Erst musste eine praktikable Lösung gefunden werden, dann nimmt das personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren viel Zeit in Anspruch. Anschließend gibt es eine Ausschreibung. Dann wird zunächst der falsche Stoff ausgesucht, bevor man feststellt, dass der Aufnäher nicht an die vorgesehen Stelle passt. All das führt dazu, dass das länger dauert, als es einem lieb ist.
Heißt das, Sie werden die Kennzeichnung der geschlossenen Einheiten als Polizeipräsident nicht mehr erleben, wenn Sie 2011 in Ruhestand gehen?
Ich würde darunter nicht leiden. Aber wenn ich Ende des Jahres das Gutachten habe, kann auch die Entscheidung über Konsequenzen fallen. Das muss nicht nochmal zwei Jahre dauern, wenn das Ergebnis für die Kennzeichnung spricht.
Es geht also schneller als beim SEK?
Man lernt aus solchen Prozessen. Aber ich halte die Kennzeichnung auch nicht für ein brennendes Problem. Seit Jahren wird den Beamten unser Einsatzeinheiten auch von politischen Kräften, die der taz nahe stehen, bescheinigt, dass sie eine ganz tolle Entwicklung durchgemacht haben. Sie sind nicht mehr die Prügelgarde der Nation. Sie sind in der Lage, vom Einsatzmittel der Kommunikation viel besser Gebrauch zu machen. Sie schreiten gezielt ein gegen Gewalttäter. Sie wissen, dass es ganz wichtig ist, dass man Unbeteiligte nicht in Mitleidenschaft zieht. Und ausgerechnet nach solch einem Prozess sollen die Berliner als bundesweit erste die individuelle Kennzeichnung einführen …
… man könnte auch sagen: gerade jetzt!
So würde ich auch argumentieren. Aber das muss nicht jeder teilen.
Wer wird Fußball-Europameister?
Fragen Sie mich nicht sowas! Mich interessiert … Nein, das sag ich jetzt nicht.
Doch!
Mich interessiert am Sport in erster Linie die Gewaltproblematik. Und das ist berufsbedingt.
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