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Der Pate und der FilzFilz im Ministerium

Filz ist, nachhaltig, grün und hat Bindekraft. Getragen wird er gern von der Basis der Grünen. Nun ist Filz auch im Wirtschaftsministerium angesagt.

Filz – Urstoff und ein ein alter Hut Foto: Johannes Geyer/imago

Filz gilt wegen seiner hervorragenden Nachwachs- und Verrottungseigenschaften als Ökokönig unter den Textilien. Es braucht nur Druck, Schub, Feuchte, Wärme und ein bisschen Seife, um das biologisch vorbildlich abbaubare, aus erneuerbarem Rohstoff gefertigte Gut zu produzieren.

Filz wird als „Urstoff“ gefeiert. Nicht erst seit auch Architekten und Designer ihn als grün vermarktbaren Trendstoff entdeckt haben: Filz wird wie Korruption und Vetternwirtschaft seit mindestens 5.000 ­Jahren hergestellt.

Er ist der einzige Stoff, für den man keinen Faden benötigt. Man braucht nur Haare. Am besten das vom Schaf. Und davon gibt es weltweit recht viele, unter Tieren wie Menschen.

Ampelkoalitionäre träumen von seiner Bindekraft

Werden Haarfasern wie beschrieben behandelt, gehen­ sie eine Verbindung ein, die beständiger ist als jede Ehe vor Gott. Ampelkoalitionäre träumen von derartigen Bündniskräften: Filz dämmt, wärmt, hält Eindringlinge ab, lässt sich durch nichts entflammen und verwässern.

Nichts kriegt die verwobenen Haare mehr auseinander, weswegen die Filzfabrikanten als „eingeschworene Gemeinschaft“ gelten und mit dem Slogan „einmal Filz, immer Filz“ werben.

Eine Eigenschaft, die unter anderem das System des Paten auszeichnet. Hinter dem Netzwerk von Tauf-, Firm- und Ehepaten in ganz normalen Familien, aber auch in politischen sowie schwerer kriminellen Organisationen steckt die Idee, Loyalitäten so engmaschig zu knüpfen, dass dadurch Profite, Macht, Einfluss akkumuliert werden, die kein Solo-Selbständiger je erreichen kann.

Dichtung, Dämmung, Schlupfmütze, Windlicht

Filz wird so vielseitig eingesetzt, wie ansonsten nur das Gütesiegel „Fair Trade“. Im Auto als Klapperschutz, am Weihnachtsbaum als Lebkuchenmann, als Dichtung und Dämmung, als Gleit- und Poliermittel, als Schlupfmütze, Platzmatte, Pflanzeinsatz, Wäschekorb, Windlicht und als Stift.

Wird jedoch der Filzstift angesetzt, dann wird es für oben genannte Organisationen oft unangenehm. Jedenfalls dann, wenn der Stift Verbindungen in leuchtenden Farben markiert, um den Filz-Vorwurf zu erheben.

„Filz ist ein alter Hut“ lautet ein weiteres Sprichwort. Und in der Tat gehört der bayerische Filzhut mit der blau-weißen Kordel schon so lang zu den Traditionen dieses Landstrichs wie Amigos, Wurstfabriken und Geldkoffer.

Filz wird in allen möglichen Farben angeboten, am häufigsten sieht man ihn aber in Grün. Das ist natürlich reiner Zufall und hat gar nichts damit zu tun, dass das Milieu, aus dem die Grüne Partei einst hervorgegangen ist, sich schon immer gerne in Filz hüllte. Und es bis heute tut: Kleider, Schals, Hüte, Taschen.

Die Grünen sind also wahrhaftig aus dem Filz entstanden. Und stecken bis heute tief in ihm drin.

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5 Kommentare

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  • Amüsant sind Betrachtungen wie die von Doris Akrap allemal. Ein Wortspiel ist vielleicht noch erlaubt: Ich plädiere dafür, im übertragenen Sinne in unseren Ministerien und bei unseren Volksvertreter:innen das investigative Filzen zu bewerben.



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    taz.de/Vetternwirt...-der-CSU/!5069041/



    //



    Reichtum und Wohlstand für Generationen durch Nepotismus, ich sehe hier ein Nord-Süd-Gefälle. Die Selbstgefälligkeit bei Selbstbedienung war sprichwörtlich auf unterschiedlichen Ebenen. Auch der aktuelle bayerische MP bemühte das Bild vom Filz in seiner Rede vor dem Parteitag in Nürnberg, selbstverständlich mit Bezug zur Farbe Grün. Mit dem Begriff einer Politiker-Dynastie werden viele Aufstieg und Fall des Strauß-Clans assoziieren. Was Markus Söder über sein Jugendzimmer postete, ist Schnee von gestern. Er hält FJS für den größten Sohn der CSU. Die bajuwarische Variante des politischen Dicke-Hose-Stils war und bleibt authentischer Markenkern des FJS und sie wird noch für viel Unterhaltung sorgen, durch einen großen Verehrer wiederbelebt. Auf die Auswirkungen auf die Bundesebene der Union bin ich gespannt. Tipp für eine strapazierfähige dicke Hose aus dicht gewebter Baumwolle: Deutschleder. Filzokratie ist sprachlich ein Hybrid, hier synonym Klüngelwirtschaft. Zum Berliner Klüngel wir man im taz-Archiv fündig werden. Fortsetzung folgt.

  • Der letzte Satz ist so zutfeffend😁

  • Jetzt wird zwar die persönliche Verbindung lustvoll skandalisiert, aber verwerflich wäre doch vor allem, Inkompetenz zu befördern!



    Und? Sind die Begünstigten inkompetent, also ungerechtfertigt in Position?



    Da hört man nix von.



    Könnte es also sein, dass einfach ein paar hochgradig engagierte und kompetente Leute sich durch ihre Zusammenarbeit auch persönlich verbunden haben?



    So dass nun fünf verwandschaftlich verbundene den Habeck an der Spitze des WiMi unterstützen?



    Ist ja nicht ganz einfach, einen Jahrzehnte eingefleischt neoliberalen Haufen umzusteuern...



    Und weil es fachlich nix zu meckern gab, wird munter auf das persönliche eingedroschen.



    Traurig...

  • Saludos Amigos verdes!

  • Die Grünen sind halt im Establishment angekommen. Da wollten sie hin, dafür haben sie viele ihrer Gründungswerte über Bord geworfen, und jetzt wo man endlich oben angekommen ist, müssen Jahre der harten Arbeit bezahlt werden durch Pöstchen hier und da. SPD und CDU haben dasselbe Spiel über Dekaden auch gespielt, weswegen die Ministerien mit "feindlichen" Parteimitgliedern durchtränkt sind, so dass neue Minister immer ihre eigenen Leute positionieren müssen. Das ist halt eins der vielen Probleme mit einem Parteiensystem wie unserem: Ministeriumsbeamte können von Politikern festgelegt werden, anstatt dass sie wie überall sonst aufgrund ihrer Qualifikation ins Amt kommen. Aber, wenn die Minister auch nicht nach Qualifikation ausgesucht werden, sollte man wohl in den Ministerien auch nix anderes erwarten. Man sieht ja was bei rum kommt. /shrug