
Der Nachwendekindertalk : Chatbot statt Couch
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Chipi kritisiert Doppelmoral und Verantwortungslosigkeit von Politiker*innen. Marie fragt sich: Ist KI ein guter Therapeut*innenersatz?
In der aktuellen Folge „Mauerecho – Der Nachwendekindertalk“ sprechen Marie und Chipi über Verantwortungsübernahme und Fehlerkultur in der Politik. Im Mittelpunkt steht der Fall Andreas Scheuer: Der ehemalige Bundesverkehrsminister muss sich wegen Meineids vor Gericht verantworten. Er soll im Untersuchungsausschuss zur Pkw-Maut bewusst falsch ausgesagt haben. Scheuer bestreitet die Vorwürfe und bezeichnet die Klage als politisch motiviert. Die zentrale Frage der Diskussion: Zerstört mangelnde Verantwortungsbereitschaft von Politiker*innen das Vertrauen in die Demokratie – und welche Konsequenzen sollten sie für Fehlverhalten tragen?
Chipi verweist in diesem Zusammenhang auf Umfragewerte: Das Vertrauen junger Menschen in politische Parteien ist massiv gesunken. Auf einer Skala von 1 bis 5 liegt es nur bei 2,6 Punkten. Er führt das auch auf das Fehlverhalten von Politikerinnen zurück – und darauf, dass Verantwortliche kaum Konsequenzen tragen. Beispielhaft nennt er Jens Spahn: Trotz Schäden in Millionenhöhe durch die Maskendeals und massiver Kritik blieb Spahn politisch weitgehend unbeschadet. Für Chipi ein Ausdruck von Doppelmoral. Sein Fazit: Politikerinnen sollten für Fehler genauso haften wie Bürger*innen. „Jedes Kind lernt: Wenn ich einen Fehler mache, muss ich dafür geradestehen“, sagt er.
Marie hinterfragt dagegen, ob Vertrauensverlust allein mit fehlender Fehlereinsicht erklärbar ist. Für sie steht im Vordergrund, dass Politiker*innen durch ihr Verhalten dem Berufsethos widersprechen. Manche Formen der Verantwortungsübernahme könnten zudem auch rein performativ sein – und damit Vertrauen eher untergraben.
Auch das Thema KI und psychische Gesundheit wird aufgegriffen. Immer mehr Menschen nutzen Chatbots, um über persönliche Probleme zu sprechen. Für manche ersetzen diese Programme bereits Therapeut*innen oder sogar Freundschaften. Doch welche Bedürfnisse stecken dahinter – und welche Risiken birgt dieser Trend?
KI verstärkt Vereinzelung
Im zweiten Teil der Folge berichtet Marie berichtet über einen Fall aus den USA, in dem ein 16-Jähriger Suizid beging, nachdem er zuvor ChatGPT um Hilfe gebeten hatte. Zwar habe der Bot mehrfach zum Aufsuchen professioneller Hilfe geraten, jedoch in anderen Momenten die Schwere der Situation nicht erkannt. Die Eltern haben inzwischen Klage gegen OpenAI eingereicht.
Warum wenden sich Menschen überhaupt an KI-Systeme? Chipi sieht darin ein Symptom gesellschaftlicher Vereinzelung: Menschen verlören zunehmend die Fähigkeit, echte Verbindungen aufzubauen. Marie ergänzt, dass sich dieses Phänomen noch verstärke, je mehr Menschen digitale Tools statt persönlicher Kontakte nutzten. „Das verändert auch die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, weil sich die Erwartungshaltung verändert.“ Chatbots hingegen seien immer verfügbar und tendieren dazu, Nutzer*innen recht zu geben.
Besonders in Ostdeutschland zeige sich zudem eine „Male Loneliness Epidemic“, so Chipi. Viele Männer seien isoliert und besonders anfällig für Radikalisierungen. Gleichzeitig sei die Versorgung mit Therapieplätzen dramatisch schlecht. Chatbots könnten zwar kurzfristig helfen, Wartezeiten zu überbrücken, doch langfristig bestehe die Gefahr, dass sie strukturelle Defizite in der psychischen Gesundheitsversorgung unsichtbar machen.
Haben Sie suizidale Gedanken? Dann sollten Sie sich unverzüglich ärztliche und psychotherapeutische Hilfe holen. Bitte wenden Sie sich an die nächste psychiatrische Klinik oder rufen Sie in akuten Fällen den Notruf an unter 112. Eine Liste mit weiteren Angeboten finden Sie unter taz.de/suizidgedanken.
„Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der taz Panter Stiftung. Er erscheint jede Woche Sonntag auf taz.de/mauerecho sowie überall, wo es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt unserem Tonmeister Daniel Fromm.
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