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Umweltschützer und LandwirteDen Graben überwinden

Umweltschützer und Landwirte stehen sich oftmals unversöhnlich gegenüber. Im Wasserwerk der Zukunft in Malchin kommen die zwei Gruppen ins Gespräch.

Es geht um mehr als nur Naturschutz, das Wasserwerk der Zukunft will ein Ort der Begegnung sein Foto: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Malchin taz | Als das riesige Buntglasfenster in die Maschinenhalle eingebaut wurde, war das für David Schacht der vielleicht schönste Moment im alten Wasserwerk in Malchin. Orange wie der Backstein, das es umgibt, leuchtet es; und blau, wie das Wasser, das in Malchin überall ist. Im Kummerower See, in der Peene, die hier mehr steht als fließt, und auch im Boden ist es. Malchin liegt in einem Nieder­moorgebiet in Mecklenburg-Vorpommern.

Im Glas zwischen den Farben erstrecken sich Verbindungslinien, ein Netz aus Verästelungen mit Sackgassen, blinden Enden und Kreuzungen. Wie ein Gespräch, in dem sich nicht alle einig sind, Gesprächsenden auch mal offen bleiben, das aber nie ganz zum Stillstand kommt.

Das Fenster steht für all das, was David Schacht versucht, mit dem alten Wasserwerk zu erreichen. Der 45-Jährige ist Geschäftsführer des Wasserzweckverbands, das den Backsteinbau von 1903 als Ort der Begegnung wiederhergestellt hat. Hier soll das gelingen, was in einer Gesellschaft, die zunehmend in Echoräume und Blasen zerfällt, eine der größten Herausforderung ist: scheinbar verfeindete Gruppen wieder ins Gespräch miteinander bringen.

Landwirtschaft und Naturschutz trennen in Mecklenburg-Vorpommern oft Gräben. Nicht die flachen Entwässerungsgräben, wie man sie hier überall sieht, sondern eher solche, die tief sind wie der Mariannengraben im Pazifik. Naturschützer wollen nasse Moore, hohe Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel und strenge Auflagen für Tierschutz. Bauern wollen die Moore bewirtschaften und möglichst wenig Einschränkungen und Bürokratie bei Anbau, Düngung und Pflanzenschutz.

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Wie bringt man also Gruppen zusammen, die seit Jahren Feindbilder voneinander kultivieren?

Schacht treibt eigentlich der Wasserschutz an. Gerade steht er in der Wasserwerksküche im ersten Stock und kocht Kaffee, dabei telefoniert er – wie so oft. Er braucht noch einen Moment.

Der Wasserlobbyist ist erstklassig vernetzt. Als Vorsitzender der Wasserwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern sitzt er im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Für das Projekt aber arbeitet er ehrenamtlich. „Durch die Arbeit beim Wasserwerk der Zukunft ist mir bewusst geworden, wie eng Wasser mit dem Gemeinwohl verknüpft ist. Wie wichtig es ist, alle in der Region daran zu beteiligen“, sagt er.

In Kooperation liegt der Schlüssel, glaubt David Schacht Foto: Anke Lübbert

Kunst, Kultur und Begegnung Zusammendenken

Das Wasserwerk für Zukunft ist der Verein, der das alte Haus betreibt und mit allerlei Leben füllt. In die ehemalige Maschinenhalle kommen immer wieder Jugendliche, um die Grundwasserqualität zu bestimmen oder um Videos übers Wasser zu drehen. „Als wir das Wasserwerk gekauft haben, war uns klar, dass das ein öffentlicher Ort werden muss“, sagt Schacht. Sowohl die Naturschützer als auch die Landwirte nutzen ihn, etwa zur Jahreshauptversammlung des Bauernverbands.

Manchmal tanzen Besucher zwischen den alten Wasserrohren Swing. „Wir wollen einen Begegnungsort, an dem Menschen miteinander ins Gespräch kommen. Dafür brauchen wir Kunst und Kultur“, sagt Schacht. Das Konzept Kunst, Kultur und Begegnung zusammenzudenken, ist mit Uta Berghöfer entstanden. Die Umweltwissenschaftlerin hatte früher schon mit Kindern und Jugendlichen aus der Gegend ein Moortheater inszeniert. Kürzlich übernachtete in der kleinen Kammer im ersten Stock die Berliner Liedermacherin Dota Kehr. Die Karten für ihr Konzert im Wasserwerk waren schnell weg.

Mit seiner Arbeit im Wasserwerk will Schacht ein Bewusstsein für die Wasserqualität schaffen, die seit Jahrzehnten sinkt. Man sehe es an den Kurven zu den Rückständen von Nitrat und den Resten von Pflanzenschutzmitteln. Das könne vielleicht noch 30 Jahre so weitergehen, aber spätestens dann müsse man das Wasser aufbereiten. Nur: Eine Kommune wie Malchin könne sich die entsprechende Technik nicht leisten. „Wenn wir nichts unternehmen, könnte es gutes Wasser dann bei uns nur noch in Flaschen aus dem Supermarkt geben“, sagt Schacht.

Deshalb verteilt der Verband eine Zeitung, in der er rund um Wasser informiert. Aber das wohl erfolgreichste Instrument des Wasserzweckverbands sind die Landschaftsspaziergänge, zu denen sich Schulklassen, Bauern und Umweltschützer auf dem Acker treffen.

Landnutzung ist ein komplexes System. Um es zu verstehen, braucht man zwei, drei Gehirne

David Schacht, Wasserzweckverband

Heike Müller war auf fast all diesen Begegnungen dabei. Sie ist Geschäftsführerin der Malchiner Ortsgruppe des Bauernverbandes, zugleich sitzt sie aber auch m Aufsichtsrat des Wasserwerks – und ist Gründungsmitglied des Vereins Wasserwerk der Zukunft. Auch sie will etwas für die Region tun und freut sich darüber, dass das Haus so schön geworden ist und es wieder genutzt wird: „Darauf können wir auch als Bauernverband stolz sein.“

Wunsch nach Anerkennung

Die Unzufriedenheit vieler Bauern, die im vergangenen Jahr in den Bauernprotesten gipfelte, wurzelt auch in einem Gefühl geringer Wertschätzung. Wenn man mit Landwirten spricht, klingt das ungefähr so: „Wir produzieren Nahrung für euch und als Dank werden wir mit bürokratischen Vorgaben und hohen Umweltauflagen überhäuft und ständig kritisiert.“ Beim Düngen oder Spritzen beschimpft zu werden, diese Erfahrung haben schon viele Bauern gemacht. Dabei haben sie eigentlich das Selbstverständnis, wertvoll für die Gesellschaft zu sein. Ihr Engagement für das Wasserwerk ist für sie auch eine Chance, das unter Beweis zu stellen.

Im Herbst haben sie die Malchiner Bürger zu einem Diskussionsabend mit Schmalzstullen und Bier in den roten Backsteinbau eingeladen, dieses Jahr soll es eine Neuauflage geben. „Es gibt eine gewisse Entfremdung der Landwirtschaft vom Rest der Gesellschaft, da wollen wir sichtbar sein und ansprechbar.“ Die Fragen seien querbeet gekommen, sagt Heike Müller, es ging um Pflanzenschutz, Trinkwasserschutz, Naturschutz.

Diese Themen prägen auch die Landschaftsspaziergänge. „Landnutzung“, sagt David Schacht, „ist ein komplexes System. Um das zu verstehen, braucht man mindestens zwei, drei Gehirne, mehrere Richtungen, aus denen man guckt.“ Dort gelinge das Besondere, sagt David Schacht: „Man spricht als Menschen miteinander, das verändert alles.“

Heike Müller sieht in den Landschaftsspaziergängen ein Format, um Verständnis und Respekt für die Bauern zu erreichen. „Das, was eben oft fehlt.“ Denn nicht jeder habe Ahnung von Grünlandbewirtschaftung oder vom Ackerbau. „Für uns ist das eine Gelegenheit zu vermitteln, was uns umtreibt.“

Kooperation statt Konfrontation

Dass die Verständigung gelingt, könnte an David Schacht liegen. Seine Methode nennt er „kooperativen Ansatz“. „Konfrontation heißt Stillstand. Kooperation führt zu Bewegung“, erklärt er und plädiert zum Gespräch auf Augenhöhe. Wenn er am Telefon spricht, sagt er Dinge wie: „Vielen Dank für Ihren Anruf, das ist Gold wert. Es ist mir wichtig, zu wissen, was sie meinen, dafür sage ich jetzt schon mal Danke.“ Könnte anbiedernd klingen, aber man nimmt ihm das ab. Ihm hilft, dass er von hier kommt.

Wenn er davon spricht, dass Zehntklässler aus Bauernfamilien nach einem Projekttag im Wasserwerk am Abendbrottisch mit ihren Eltern über die Grundwasserwerte reden, an denen man die steigende Nitratbelastung ablesen kann. Wenn er erzählt, wie sich Rechte und Linke, Künstler, Bauern und lokale Eliten im Wasserwerk die Klinke in die Hand geben, macht das Mut. Auch weil es dem Bild einer Debattenkultur, in der jeder sich hinter seiner eigenen Überzeugung verschanzt, entgegensteht.

Womöglich öffnet das auch Raum für Kompromisse zwischen den Moorschützern und den Bauern. Hand in Hand mit dem Wasserschutz will Schacht, dass die Region wieder einen Aufschwung erreicht, wie früher durch das Wasserwerk. Die Eröffnung sei damals ein Riesenfortschritt gewesen. „Vorher hatte jeder seinen eigenen Brunnen. Darmerkrankungen waren ein Thema“, erklärt der Ingenieur.

Zusammen mit Partnerorganisationen hat das Wasserwerk der Zukunft vor Kurzem 320.000 Euro für ein Riesenprojekt bewilligt bekommen, das MOOReturn. Ziel des Projekts ist es, aus Moorbiomasse Papier zu machen. Auch weil Moorschutz bei vielen Bauern auf Widerstand stößt, geht es um Möglichkeiten, nasse Flächen landwirtschaftlich rentabel zu nutzen. Zum Beispiel, indem man Seggen und Binsen anpflanzt, die zu Papier verarbeitet werden.

Dennoch werde dieses neue Projekt von einigen Landwirten durchaus skeptisch beäugt, sagt Heike Müller. „Diese Fokussierung auf Moor, das gefällt vielen Bauern nicht, weil es ihren Interessen entgegensteht. Ihre Offenheit für Wiedervernässung ist überschaubar.“ Bauern seien eben wirtschaftliche Akteure, die sich am Markt orientieren müssten.

Das Wasserwerk offen für alle zu halten, einen Ort, der Dialog ermöglicht, auch weil er von keiner Seite vereinnahmt wird – das wird wohl auch in Zukunft die größte Herausforderung sein.

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2 Kommentare

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  • Schön, dass es einen Dialog gibt. Tatsächlich denke ich aber, dass fuer sehr viele Aspekte (Biodiversität, Gewässerschutz etc.) die Zeit fuer Kompromisse bereits verstrichen ist. Wichtig wäre es, die Notlage zu begreifen, die uns die massive Umweltkrise bringt. Die Landwirtschaft hat einen massiven Einfluss darauf, weil die eben 50% der Fläche gestaltet. Die Frage muss also heissen, wie lösen wir die vielen umweltbezogenen Krisen, ohne die Landwirtschaft zu zerstören. Dafuer wird neben dem Naturschutz und der Landwirtschaft auch die Politik gefordert, die eine Quadratur des Kreises schaffen muss. Ohne funktionierende Agrarökosysteme sind auch die Bauern langfristig in der Guelle….