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Demostimmung in StuttgartErnst und gelassen für den Rechtsstaat

44.000 Menschen treffen sich in Stuttgart zum Protest gegen die Zusammenarbeit mit der AfD – 41.000 mehr, als die Veranstalter angemeldet hatten.

Protest in Stuttgart: Tausende demonstrieren gegen die Zusammenarbeit von Union und AfD Foto: Jason Tschepljakow/dpa

Stuttgart taz | „Wir sind die Brandmauer“, schallte es am Samstag über den Platz vor dem Neuen Schloss mitten in der Stuttgarter Innenstadt, die Transparente reichten von Ironie („Friedrich, Mutti hat Nein gesagt“) bis Zorn („Wer hat uns verraten? Christdemokraten“). Im Hintergrund warnte die Stuttgarter Kunsthalle mit einem riesigen Schriftzug: „All Systems Fail“. Es war ein Protest aus der Mitte der Gesellschaft, der in Stuttgart vor einem Jahr noch breiter gewesen ist. Damals hatten FDP und CDU mit zu Protesten gegen die Remigrationspläne der AfD aufgerufen, diesmal richtete sich der Protest gegen den Flirt mit der AfD.

Er erwarte, dass die Parteien der Mitte hart um Lösungen ringen, aber nicht mit Feinden der Demokratie paktieren, sagte ein Demons­trant. Eine Frau ergänzte, spätestens nach den Ereignissen dieser Woche könne man es sich nicht mehr bieten lassen, von den Rechten überrannt zu werden.

3.000 Demonstranten hatten der Bund Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Gewerkschaften DGB und Verdi angemeldet, 44.000 fluteten am frühen Abend dann den Platz. Es mögen auch viele spontan Demonstrierende dabei gewesen sein, denn die Stadt war um diese Zeit voll von Einkaufsbummlern und Fußballfans. Und als wollten sie auch Klischees der schwäbischen Hauptstadt bedienen, hielten sich die Demonstranten brav an das Verbot, den Rasen zu betreten. „Seid nett zu den Blumen“, forderten die Veranstalter.

Die Vorsitzende des BUND, Sylvia Pilarski-Grosch, erklärte, warum ausgerechnet eine Umweltorganisation zum Protest aufgerufen hatte: „Wir alle brauchen einen verlässlichen, faktenbasierten Rechtsstaat, der uns alle schützt“, sagte sie, das sei auch die Grundlage für ihre Arbeit im Umweltschutz. Die Demonstration strahlte jenen Ernst aus, den CDU und FDP aus Sicht der Demonstranten in ihren fahrlässigen Abstimmungen gemeinsam mit der AfD vermissen lassen. Dazu trug auch die Stuttgarter Sängerin Jiska bei, die mit gelassenen und heiteren Soulsongs dem Protest den passenden Soundtrack lieferte.

Bereits nach der ersten Bundestagssitzung hatte es spontan große Demonstrationen im ganzen Land gegeben. 15.000 Leute waren allein in Freiburg auf der Straße. Auch prominente Stimmen wie der frühere Trainer des SC Freiburg Christian Streich hatten vor der Zusammenarbeit mit der AfD gewarnt. Auf einer Podiumsdiskussion unter dem Motto „­SymbadischDemokratisch“ in Freiburg sagte er: „Die Demokratie steht auf dem Prüfstand, die Demokratie wird angegriffen. Von dem her müssen wir sie verteidigen mit allem, was wir haben.“

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2 Kommentare

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  • Top, weiter so!

  • Danke für die Demoberichterstattung!



    Wir haben schön in Bonn gestanden, lt. Polizei 10.000, was ja meist konservativ geschätzt ist.



    Sehr nachhaltig konnten Plakate aus dem letzten Jahr wiederverwandt werden 😉!



    Schön, zu hören, dass mit all den großen und kleinen Demos gegen Rechts, VIELE für ein demokratisches und weltoffenes Deutschland aufstehen.