Demos gegen Coronamaßnahmen in Nepal: „Desinfiziert die Regierung“

Immer mehr junge Menschen gehen auf die Straße. Sie sind unzufrieden damit, wie die Regierung auf die Pandemie reagiert hat.

Junge Protestierende stehen im Strahl von Wasserwerfern

Wasserwerfer gegen Protestierende in Kathmandu Foto: Navesh Chitrakar/reuters

MUMBAI taz | „Desinfiziert die Regierung“ (Sanitize the government) steht auf dem Protest-Schild einer jungen Frau in Nepals Hauptstadt Kathmandu. Mit bedrücktem Blick steht sie mit Mund-Nasen-Schutz den nepalesischen Polizisten gegenüber, die in voller Montur aufgefahren sind. Bilder wie diese sind derzeit immer öfter auf Nepals Straßen und in den sozialen Netzwerken zu sehen. Die junge Generation des Landes zeigt damit, dass sie genug hat von der Unfähigkeit der Regierung.

Die #Sanitizethegovernment-­Bewegung nimmt seit Mittwoch Fahrt auf. In verschiedenen Städten hinterfragen die Protestierenden die Coronamaßnahmen der Regierung Nepals. Sie fordern einen konkreten Plan zur Pandemieeindämmung und mehr Coronatests, die sich die Bevölkerung leisten kann. Zugleich handelt es sich um eine Antikorruptionsbewegung: Die Demonstrierenden fordern Transparenz über die Verwendung von Hilfsgeldern in Millionenhöhe.

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In der Hauptstadt Kathmandu findet der anhaltende Protest an mehreren Orten statt, aber auch in kleineren Städten wie dem historischen Bhaktapur gibt es immer wieder Sit-ins oder Märsche. Nicht überall verlaufen die Demonstrationen in Nepal friedlich. So kam es bei Demonstrationen in Kath­mandu am Donnerstag zu Zusammenstößen zwischen nepalesischen Sicherheitskräften und Demonstrierenden, Wasserwerfer wurden eingesetzt.

Touristenführer Anish Ma­nandhar, der mit dem Lockdown in Nepal Ende März arbeitslos geworden ist, gehört zu den Unzufriedenen. „Hier in der Hauptstadt können wir noch mit der Situation umgehen, doch besonders in den Grenzregionen zu Indien im Süden ist die Lage kritisch“, sagt der 29-Jährige. Die Quarantäne-Einrichtungen für Rückkehrer aus Indien, die dort ihren Job verloren haben, seien in schlechtem Zustand, Coronatests gebe es kaum.

Seit Mai stieg die Zahl der Infizierten rasch

Zunächst war die Zahl der mit dem Coronavirus infi­zierten Personen in Nepal gering, doch stieg sie seit Mai sehr rasch auf über 5.000. Unter anderem bekam das Entwicklungsland aus Deutschland 20.000 Testkits und Masken – was bei einer ­Bevölkerung von 30 Millionen aber nicht sonderlich viel ist.

Nepals Regierungschef Khadga Prasad Oli hatte angekündigt, den harten Lockdown nun schrittweise zu lockern. Er macht Indien für die steigende Zahl der Coronafälle verantwortlich. Von April bis Juni sind laut der nepalesischen Regierung 230.000 Rückkehrer aus Indien eingereist. Dazu kommt eine Rückholung aus anderen Ländern, in denen die Gastarbeiter ihre Anstellung verloren haben.

Pradip Pariyar, Vorsitzender des Nepal Policy Center, hält diese Schuldzuweisung für zu einfach: Es gehe nicht darum, aus welchem Land die neuen Coronafälle kommen, sondern wie die Regierung die Pandemie bekämpfe. Die negativen Auswirkungen des Lockdowns bekomme sein Land schon zu spüren. Geschlechtsspezifische Gewalt wie Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit habe zugenommen. Nepalesische Medien berichten, dass zudem die Selbstmordrate gestiegen ist, ebenso die Zahl der Kinderehen.

Viele Jobs hängen am Tourismus

Nepal ist eine junge Repu­blik, die sich erst vor einem Jahrzehnt von der Monarchie verabschiedete. Korruption ist weiter ein großes Problem. „Im Moment protestieren die Menschen vor allem gegen die Regierung. Ihr Hauptanliegen sind finanzielle Transparenz und ein besseres Management der Pandemiesituation“, sagt PradipParyar.

Unterdessen steigen die Lebensmittelpreise am beliebten Reiseziel für Bergsteiger. Der Corona-Lockdown fiel genau in die Hauptsaison im März und April. Viele Jobs hängen in Nepal am Tourismus, der fast völlig zum Erliegen gekommen ist. Touristenführer Anish befürchtet, dass sich die Lage erst in einem Jahr wieder bessert. Zwar öffnen immer mehr Geschäfte, doch die Coronafallzahl steigt.

Zudem schwelt weiterhin ein Grenzkonflikt mit Indien um eine 80 Kilometer lange Straße im Himalaja, eine Verbindung mit China, die von Indien Anfang Mai eingeweiht wurde. Manche befürchten zudem den Einfluss, den Nachbar China auf den Binnenstaat Nepal ausübt. Indien sieht deshalb seine Vormachtstellung in Südasien gefährdet. Und Nepal steht wie immer zwischen den beiden Riesen. 


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