piwik no script img

Demonstrationsverbote in BerlinSelbst Hamburg ist weiter

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Überall ist Demonstrieren wieder möglich, nur in Berlin zögert der Senat. Es ist höchste Zeit umzusteuern, auch um den Verschwörerdemos zu begegnen.

Was in Hamburg geht, muss in Berlin doch auch möglich sein Foto: dpa

F ast hätte man sich gewöhnen können, an einen Senat, der in der Coronakrise schneller reagiert als andere Landesregierungen. Doch während Berlin die Hilfen für Selbstständige in Rekordzeit auf den Weg gebracht hat, hinkt die Stadt bei der Gewährung des Demonstrationsrechts inzwischen dem Rest der Republik hinterher. Für eine rot-rot-grüne Regierung, die den Anspruch hat, in Bürgerrechtsfragen progressiver als der Law-and-order-Standard zu sein, ist das inakzeptabel.

In Hamburg durften am Samstag Flüchtlingsaktivisten auf vier Kleinkundgebungen demonstrieren. Selbst Niedersachsen und Sachsen, die bislang in ihren Coronaverordnungen jede öffentliche Meinungsäußerung unterbanden, haben nachjustiert. In Berlin dagegen nichts als schöne Worte. „Natürlich ist uns bewusst, wie sensibel es ist, dass wir dieses Grundrecht im Moment einschränken“, so Bürgermeister Michael Müller vergangenen Donnerstag. Konkrete Folgen: keine. Dabei liegt das Thema mindestens seit zwei Wochen auf dem Tisch, als die Polizei am Brandenburger Tor sogar Einzelpersonen die Meinungsäußerung untersagte.

Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht – nicht überraschend – in zwei Entscheidungen klargemacht, dass die völlige Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit inakzeptabel ist. In Berlin gilt bislang: Kundgebungen mit bis zu 20 TeilnehmerInnrn können gestattet werden. Faktisch macht die Versammlungsbehörde aber nicht mal das. Der Senat muss die pauschale Grenze daher kippen; Auflagen zum Infektionsschutz kann – und muss – es danach selbstverständlich weiter geben.

Für manche mag es angesichts anderer Corona-bedingter Probleme eine Petitesse sein, ob jetzt demonstriert werden darf. Doch ein Grundrecht ist nicht verhandelbar. Dazu kommt: Seit Wochen ereifern sich Verschwörungstheoretiker wegen des Demoverbots über eine „Coronadiktatur“. Zumindest diese Fantasie sollte man ihnen nehmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Wie auf einschlägigen Internetseiten zu lesen ist, steigt die Anzahl politisch motivierter Graffiti im öffentlichen Raum (z.B. Berlin, Hamburg & Stuttgart). Und zynisch kann man dazu bemerken: Das habt ihr nun von Eurer “Coronadiktatur“. Widerstand und Protest suchen sich ihren Weg...