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Demonstration von IslamistinnenKampf ums Kopftuch in Bosnien

Kopftuchtragen ist ein Menschenrecht, behaupten Muslima in Bosnien-Herzegowina. Dafür gehen sie auch auf die Straße.

Bosnische Muslima tragen traditionell nur diese Art von Kopftuch, nicht den schwarzen Hidschab oder gar die Burka. Foto: reuters

Sarajevo taz | Eine Demonstration muslimischer Frauen hat in Sarajevo die Diskussionen über das Verhältnis von Staat und Gesellschaft angeheizt. Am 20. Januar hatte das Verfassungsgericht in Bosnien und Herzegowina entschieden, dass religiöse Symbole vor Gericht nicht getragen werden dürfen.

Darunter fallen islamische Kopfbedeckungen genauso wie christliche Kreuze. Das hatte scharfe Proteste der Islamischen Gemeinschaft ausgelöst. Die Islamische Gemeinschaft sprach von „Ungerechtigkeit und rassistischer Diskriminierung“ der muslimischen Frauen.

Unter dem Motto „Hidzab, mein Recht, meine Wahl, mein Leben“ zogen mehr als 2000 Frauen am Sonntagnachmittag protestierend durch Sarajevo. Dzevada Susko, Direktorin des Instituts für bosniakische Tradition, sieht durch die Entscheidung des Gerichts die Menschenrechte der islamischen Frauen verletzt.

Der Hidzab ist ein Import aus Arabien

Das Mitglied des Obersten Gerichts, Rusica Jukic, erklärte gestern in einem Interview mit der Zeitung Oslobodjenje, vor Gericht müssten alle Angeklagten, Zeugen, Staatsanwälte, Anwälte und Richter als Person erkennbar sein, es ginge nicht an, dass Frauen in Ganzverschleierung vor Gericht erschienen.

Andere Kritikerinnen der islamischen Frauen weisen darauf hin, dass die Hidzab-Kopfbedeckung ein Import aus dem arabischen Raum sei und die arabische Islamisierung des bosnischen Islam widerspiegele.

Demgegenüber argumentieren die Demonstrantinnen, die Säkularisierung des Staates sei ein Resultat des Sozialistischen Systems seit 1945, in dem die Religion unterdrückt worden sei. Die in Frankreich lehrende bosnische Orientalistin Jasna Samic zeigte sich in Oslobodjenje erschüttert darüber, dass das Menschenrechtsargument von jenen politischen Kräften gebraucht werde, die in den islamischen Ländern an der Macht seien und Frauenrechte mit Füssen träten.

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6 Kommentare

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  • Entscheidend ist der hinter diesem Streit stehende Machtkampf. Saudi Arabien hat in Bosnien Millionen in die wahabitische Islamisierung der Muslime investiert. Während des Bürgerkrieges akzeptierte der Westen Versorgungsflüge mit Waffen, die von den Saudis finanziert wurden. Nach Abwehr der Aggression der serbischen Nationalisten, konnten die Wahabiten Zug um Zug ihren Einfluss in Bosnien ausdehnen. (Siehe auch ARD-Weltspiegel vom 7. Februar)

  • Oh liebe Taz, was für ein niedriges Niveau, wenn Ihr aus dem Verbot der Ganzkörperverschleierung einen Kampf ums "Kopftuch" macht. Ihr solltet euch schämen! Es macht doch einen riesigen Unterschied, ob das Gesicht bei Gericht zu erkennen ist. Ein Richter sollte die Möglichkeit haben, einem Zeugen ins Gesicht zu sehen. Auch die Mimik ist oft sehr aufschlussreich. Dazu kommen Sicherheitsprobleme, wenn sich mit einer Ganzkörperverschleierung jeder, der ein Attentat plant, sich problemlos in den Gerichtssaal begeben kann, ohne identifiziert werden zu können.

  • Aufmarsch? islamistische Frauen? bitte nicht immer solche, plakativen, Kraftbegriffe, das kann viele falsche Assoziationsketten hervorrufen! Demonstration, wie im ersten Satz und muslimische Frauen würden es auch tun! Wann endlich sehen die Leute ein, dass Sprache tatsächlich DEN Unterschied machen kann....

    • @Opetin:

      Genau da liegt das Problem bei vielen Presseveröffentlichungen. In Berichten werden sehr oft wertende, Tendenziöse Begriffe benutzt. Das halte ich für sehr gefährlich. Wenn Zeuge, Ankläger und Richter eine Person ist, dann ist irgendetwas falsch.

      Bei Kommentaren ist das anders, da ist die Meinung des Kommentatoren eben auch wertend. Doch Berichte sollten möglichst neutral sein, auch in der Wortwahl!

  • Geht es jetzt ums Kopftuch oder um eine "Ganzverschleierung"? Daß es nicht zulässig sein kann, in Burka oder einer anderen die Identität verschleiernden Vermummung vor Gericht zu erscheinen, das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Aber ein Kopftuch ist doch etwas anderes. Der Blick in Gesicht kann der Wahrheitsfindung dienlich sein, der freie Blick auf die Haare hingegen wohl kaum. Also sollte man da doch wohl differenzieren.

    • @yohak yohak:

      Absolut korrekt.