Demonstration nach „Compact“-Verbot: Islamisten stützen Rechtsextreme
Die Solidarität für das verbotene rechte „Compact-Magazin“ ist groß, auch über die Milieugrenzen hinweg. In Bremen gehen Islamisten auf die Straße.
D as „Compact-Magazin für Souveränität“ erfreut sich großer Solidarität. Nachdem das Verbot des rechtsextremen Netzwerks um den Publizisten Jürgen Elsässer durch das Bundesinnenministerium vor neun Tagen bekannt wurde, fanden viele Aktion statt. In Bremen ging am Freitag eine Gruppe von Muslimen auf die Straße. „Compact Verbot = Zensur“, „Totalitäre Regierung“ und „Muslime gegen Compact-Verbot“ stand auf den selbst gemalten Plakaten der Frauen und Männer.
Der religiöse muslimische Influencer Huseyin Özoğuz soll die Solidaritätsbekundung angestoßen haben. Das ist leider keine Überraschung: Rechtsextreme und Islamisten können sich in ihren traditionellen Vorstellungen durchaus nahe stehen – und auch weitere Ideen teilen. So hat Huseyin Özoğuz auf seinem Youtube-Kanal „Actuarium“ bereits vor dem „zerstörerischem Feminismus“ und dem „Homo-Kult“ gewarnt und dem AfD-Hardliner Hans-Thomas Tillschneider eine Plattform gegeben.
Die Aktion von Huseyin Özoğuz in Bremen ist auf der Website „Muslim Markt“ dokumentiert. Betreiber der Seite ist Yavus Özoğuz, der Vater von Huseyin Özoğuz. Das Webangebot leitet der Vater von Delmenhorst aus, das angebunden Forum betreut der Sohn mit.
Hier schreibt Vater Yavus Özoğuz, warum auch er sich „über das Compact-Verbot nicht freuen kann“. Zwar sei das Magazin „eine der islamfeindlichsten Publikationen Deutschlands“, doch kenne er dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer „seit über zwölf Jahren“.
Özoğuz berichtet in dem Beitrag, 2012 mit einer „bunt gemischten Reisegruppe“ von „deutschen Intellektuellen“ in die Islamische Republik Iran gereist zu sein. Mit dabei: Elsässer. Weil Yavus Özoğuz eine Privataudienz beim damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad für die Gruppe organisieren konnte, sei er „mit Jürgen per Du!“.
Eine Aufnahme zeigt Yavus Özoğuz und Jürgen Elsässer links und rechts an der Seite von Ahmadinedschad, der zuvor die Schoah als „große Lüge“ bezeichnet hatte. In diesem Milieu wird nicht erst seit dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres der sogenannte „Schuldkomplex“, die vermeintliche „Holocaustindustrie“ und die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson beklagt. Der Antisemitismus eint hier, was sonst nicht vereint sein muss.
Zwar habe die Verlesung einer Grußbotschaft des radikalen Antiislamisten Geert Wilders bei Pegida 2016 zum Ende des Miteinanders zwischen Özoğuz Senior und Elsässer geführt, die „Umstände des Verbots“ hätten bei ihm jedoch die „Alarmglocken“ schrillen lassen. Denn das Verbot könne „auch jeden anderen treffen, der die zunehmend diktatorisch vertretene Staatsmeinung“ nicht teilt.
Und er führt auch aus, was er damit meint: „Du bist gegen die Staatsräson und willst nicht alle Interessen Deutschlands für das Wohl des Apartheidsstaates Israel opfern? Verbot! Du glaubst nicht an die Klimavorgaben einiger Wissenschaftler? Verbot! Du willst Dich nicht zum Sündenbock abstempeln lassen, weil Du Dich nicht impfen lassen willst? Verbot!“, schreibt Özoğuz.
Schon vor Jahren fiel „Muslim Markt“ wegen der Nähe zu Rechtextremen auf. Die islamistische Website wird vom Verfassungsschutz beobachtet.
Und auch Elsässer scheute die Nähe zum Islam nicht. Vor Gründung der Compact gab er der „Islamischen Zeitung“ ein Interview. Deren Herausgeber, der Konvertit Andreas Abu Bakr Rieger gründete mit dem einst linken Publizisten Elsässer die Compact, erzählte er der taz. Nach 30 Artikeln stiegt er 2014 wegen der „rassistischen und nationalistischen Positionen“ aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene