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Demokratieförderung nach Ende der AmpelDie Lage ist dramatisch

Das Ampel-Vorhaben sollte Demokratieprojekten finanzielle Sicherheit geben und scheiterte bislang an der FDP. Ein Verband bringt es nun wieder ins Spiel.

Für die Demokratie auf die Straße: Demonstranten vor dem Roten Rathaus in Berlin im Januar 2024 Foto: M. Golejewski/AdoraPress

Berlin taz | Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) drängt auf die Verabschiedung des Demokratiefördergesetzes noch in dieser Legislatur. Damit sollen Demokratieprojekte langfristig finanziell abgesichert werden, statt immer nur für eine Förderperiode. Das bisherige System sorgt dort wieder und wieder für existenzielle Unsicherheit – die jetzt mit dem Ende der Ampel-Koalition noch größer geworden ist.

„Der Entwurf für das Gesetz liegt seit Monaten herum“, kritisiert Heike Kleffner, Geschäftsführerin des VBRG, im Gespräch mit der taz. „Gerade mit Blick auf die Intensität rechtsextremer Angriffe auf die Demokratie und damit auch auf die demokratische Zivilgesellschaft wäre es Aufgabe von SPD und Grünen, es endlich zur Abstimmung zu stellen – und Aufgabe aller Abgeordneter demokratischer Parteien, es noch vor Ende der Legislatur zu verabschieden.“

Viele zivilgesellschaftliche Projekte werden durch Fördermittel ermöglicht, so auch die Opferberatungsstellen. Viele davon kommen vom Bund. Eines der größten Programme, „Demokratie Leben“, ist beim Familienministerium von Lisa Paus (Grüne) angesiedelt. Es förderte in diesem Jahr 700 Projekte mit 182 Millionen Euro. Auch das Auswärtige Amt, das Entwicklungs-, Justiz- oder Innenministerium fördern Zivilgesellschaft. Das Problem: Viele der Projekte sind befristet, müssen Gelder immer wieder neu beantragen. Schon in den Vorjahren fürchteten sie jedes Mal um ihre Weiterexistenz.

Mit den überraschend vorgezogenen Neuwahlen ist die Lage nun noch prekärer. Denn die Ampel hatte vor ihrem Ende noch keinen Haushalt für das kommende Jahr beschlossen. Bis die nächste Bundesregierung das nachholt, greift die vorläufige Haushaltsführung. Was das für beantragte und noch nicht bewilligte Projekte heißt: ungewiss.

Unsicherheit trotz Paus-Zusage

Die taz hatte berichtet, dass Paus’ Familienministerium den Initiativen in einem Schreiben zugesichert hat, ein Projektstart zum 1. Januar sei gesichert, für 2025 werde zunächst eine anteilige Zuwendung ausgezahlt. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Martina Renner, die der taz vorliegt, bestätigt das Ministerium in Bezug auf „Demokratie Leben“: Beabsichtigt sei, „ausgewählten Projekten noch in diesem Jahr zunächst eine anteilige Zuwendung der für das Jahr 2025 beantragten Fördermittel zu bewilligen“.

Für Heike Kleffner ist das kein großer Trost. „Es verlängert nur die Hängepartie“, kritisiert sie. Rechtlich bindend seien solche Versprechen nicht. „Gerade für kleine Initiativen ohne große Träger im Rücken ist die Frage, ob sie ihre langjährigen Be­ra­te­r*in­nen zum 1. Januar kündigen müssen, keineswegs vom Tisch.“ Kleffner findet es „fatal“, dass die Ampel wegen der Blockadehaltung der FDP das Demokratiefördergesetz verschleppt hat. „Die Botschaft der Bundesregierung an Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt lautet: Wir kommen unserer Verantwortung nicht nach.“

Kleffner verweist auf die EU-Opferschutzrichtlinie, die Deutschland schon 2012 ratifiziert hat und die dazu verpflichtet, Beratung für Gewaltbetroffene zu finanzieren. Auch seien sich alle demokratischen Parteien in den Empfehlungen nach dem NSU-Untersuchungsausschuss einig gewesen, dass Opferberatungen nicht nur ausgebaut, sondern auch ihre Finanzierung verstetigt werden müsse.

Betroffene müssten oft jahrelang warten und kämpfen, damit Tä­te­r*in­nen überhaupt belangt würden. „Im Februar 2020 haben Neonazis in Bremen während eines Konzerts Brandsätze in einen alternativen Jugendtreff geworfen“, nennt sie als Beispiel. Aber erst fünf Jahre später, im Januar 2025, beginne nun der Prozess. „Die Opferberatungsstellen waren dabei kontinuierlich an der Seite der Betroffenen, die ja jederzeit damit rechnen mussten, den Tätern auf der Straße zu begegnen“, sagt Kleffner. „Jetzt fragen sie sich zu Recht: Sind unsere Be­ra­te­r*in­nen noch an unserer Seite, wenn im Januar der Prozess losgeht? Diese Menschen fühlen sich vom Rechtsstaat im Stich gelassen.“

Ähnlich argumentiert auch die Linken-Politikerin Martina Renner. „Statt mit dem Demokratiefördergesetz eine stabile Grundlage für die langfristige Arbeit zu schaffen, gilt wohl auch künftig, dass diese Arbeit von machtpolitischen Verhältnissen abhängig ist und jederzeit zerstört werden könnte“, sagt sie der taz. Das sei ein „erschütternder Beleg dafür, wie unwichtig den im Parlament vertretenen Parteien das zivilgesellschaftliche Engagement der Menschen für Demokratie und Grundrechte wirklich ist“, so Renner. „Es ist dringend notwendig, dass der kommende Bundestag diese Unsicherheit der vielen engagierten Menschen und Projekte beseitigt.“

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17 Kommentare

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  • Sollte die Förderung zu einem mehr an Demokratie, sprich mehr Mitbestimmung der Bürger und Wähler zum Ziel haben, ist sie unerlässlich.

    Nur wer von den Herrschenden / Machthabern will mehr Mitbestimmung durch das Volk - wirklich ernsthaft wollen würden ?



    Freiwillig Macht abgeben ?



    Würde doch ein Machtverlust für die Herrschenden nach sich ziehen, somit andere Machtverhältnisse und mehr Mitspracherecht, mehr Gerechtigkeit für das Volk bedeuten....

  • Die Parteien erhalten schon jetzt viel Geld vom Staat - da fragt man sich eigendlich was machen sie damit. Bei mir hat schon seit Jahrzehnten lkein Kandidat vor der Tür gestanden. Wenn man sich nur kurz vor den Wahlen um das Stimmvieh kümmer und sich nicht auf der Fläche zeigt, ist es kein Wunder das dann unerwünschte Gruppen sich den Raum erobern.



    Und NGOs sollten aus Eigeninteresse unabhängig vom Staat sein und sich um ihre Finanzierung über Mitgliedsbeiträge und Funraising kümmern.

  • Es lässt sich sicherlich darüber streiten, was eine Demokratieförderung überhaupt ist und ob der Staat eine zivilgesellschaftliche Initiative überhaupt fördern dürfen sollte. Die Bezeichnung als NGO spricht erstmal gegen letzteres.

    Worüber man sich meines Erachtens nach nicht streiten kann ist, dass das Ministerium einen mehrheitsfähigen Entwurf in den Bundestag einbringen muss. Und hier ist die Ministerin in der Pflicht. Die Bedingung der oppositionellen Fraktionen ist die Einfügung einer Extremismusklausel,was ich prinzipiell für richtig halte, da der Staat niemanden fördern darf, der die Abschaffung des Staats als Ziel hat.

  • Und noch ein Beispiel wo mit Geld Geld Geld ein Zustand verbessert werden soll - hier nun glatt die Demokratie im Ganzen, Respekt.



    Wenn ich mir die Wahlergebnisse und den kontinuierlichen Rechtstrend anschaue, wächst in mir die leise Überzeugung, das auch hier echte Politik nicht durch Geld aus der Gießkanne ersetzt werden kann - na welch Überraschung😯



    Unsere bundes- und länderregierenden Politiker von CDSU, SPD, FDP, Grüne, Linke und Freie Wähler verlieren sich seit Jahren in immer mühseliger geführten Grabenkämpfen wo es oft um nicht mehr als die Deutungshoheit geht.



    Und dabei hat sich der unschöne Trend etabliert, das man selbst dem politischen Partner in der Koalition keinen Erfolg mehr gönnt und dem oppositionellen Gegner sowieso schon gar nicht - was unser Land dahin geführt hat wo es jetzt steht: teils unregierbar, extrem träge, Gesetze und Vorhaben die über Jahre verhandelt werden und am Ende kommt ein dermaßen kastrierter Ableger vom Ursprungsgedanken raus, der mit dem Beweggrund in der Realität nichts mehr zu tun hat...



    Das die Bürger sich davon abwenden darf niemand wundern. Es braucht wieder verantwortungsvolle Politik die das Wohl und nicht Parteilinien im Sinn hat.

  • Es gibt also 700+ Projekte mit mehr als 200 Mio pro Jahr. Zur Demokratieförderung. Ist nicht eine Schulaufgabe? Oder anders gefragt - lässt sich der Erfolg messen? Die Wahlergebnisse deuten es ja nicht an (es sei denn, man nimmt an, dass sie sonst noch schlechter ausgefallen wären).



    Und was fördert das AA im Inland?



    Und was das Entwicklungsministerium?



    Und wieso sind die notwendigen Opferberatungen Demokratieprojekte?

  • Eine weitere Anmerkung: das Bild scheint mir schlecht gewählt zu sein, 2 der 3 Plakate sind sicher nicht sehr demokratisch, jemand "hasst" und jemand anderes redet nicht mit "bastards".....so sollte man Menschen nicht nennen, weder in der alten Bedeutung noch als neumodisches Schimpfwort.

  • Man sollte bei dem Thema nicht ganz vergessen, wie unser Staat organisiert ist, was er darf und was er nicht darf. Eine Regierung ist nicht befugt, einseitig ihre politische Haltung finanziell zu fördern, sondern sie ist dem gesamten Volk verantwortlich. Daher gibt es immer wieder Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, dass bestimmte politische Äußerungen, Broschüren usw. aus Ministerien oder Rathäusern rechtswidrig waren.

    Es wirkt leider so, dass man dieses Verbot teilweise umgeht, indem man das, was man selbst nicht darf, angebliche NGOs machen lässt, die aber offenbar so wenig NGO sind, dass sie ohne Steuergelder nicht überleben können.

  • Die zeitliche Befristung der finanziellen Förderung ist ja durchaus richtig. Was dauerhafte Alimentierung sonst anrichtet, ist ja aus der Entwicklungshilfe mehr als bekannt. Was haben denn die Projekte in den Jahren versucht um eine Finanzierung der eigenen Arbeit ohne staatliche Förderung zu erreichen? Der Kampf um die Honigtöpfe wird ja unter der absehbar neuen Regierung nicht gerade einfacher werden. Da sollten solche Projekte nach der Kickoff-Phase nach 3-5 Jahren besser schon autark sein.

    • @Šarru-kīnu:

      Was genau ist denn in der Entwicklungshilfe schiefgelaufen? Gibt es dafür belastbare Beispiele? Und ist Demokratieförderung es nicht wert -gerade in diesen Zeiten- gefördert zu werden?

      • @Perkele:

        Dauerhafte Alimentierung erzeugt nur Anhängigkeiten. Es ist deshalb wichtig immer nur vorrübergehend zu subventionieren. Das ist die große Lehre aus Jahrzehnten Entwicklungshilfe.



        Wir geben derzeit jährlich 33,7 - 52 Mrd. € für Entwicklungshilfe aus je nach Zählweise. Was genau haben wir denn nach vielen Jahrzehnten als positive Ergebnisse vorzuweisen? Angeblich reicht ja schon ein Bruchteil der Summe um den Hunger in der Welt zu besiegen.

        • @Šarru-kīnu:

          Nicht angeblich sondern tatsächlich ist ein relativ geringer Aufwand für die Beseitigung des Hungers vonnöten. Allerdings steht dem entgegen, wie sich die Konzerne verhalten. Das machen die niemals mit, profitieren viel lieber von sog. "Frei"-Handelsverträgen. Und die Entwicklungspolitik richtet sich viel zu oft an deren Interessen aus, das ist oft und leider von der Parteizugehörigkeit abhängig. Es geht nicht darum die Aufwendungen für Entwicklungshilfe zu beschränken, es geht um einen fairen und zielgerichteten Einsatz.

  • 1. Zu viele möchten mehr Subventionen und Sozialhilfe bekommen. Das löst leicht einen Nein- Reflex aus.



    2. Einige Veranstalter pflegen eine politische Kultur, die rechts von den Grünen nicht vermittelbar und nicht verständlich ist. Da geraten andere Veranstalter mit in die gleiche ungünstige Schublade. Stil und zwischenmenschliche Ansprache muss auch bei CDU und FDP für Vertrauen werben. Fühlt sich ein CDU- Anhänger in diesen Kreisen noch eingeladen?



    3. Die Veranstalter brauchen glaubwürdige Antworten auf angebliche Qualitätsprobleme.

  • "Das Ampel-Vorhaben sollte Demokratieprojekten finanzielle Sicherheit geben und scheiterte bislang an der FDP. "

    Allein dieser Satz bringt mich auf die Palme. Nicht nur, dass Lindner die Ampel sabotiert und abschiesst, nein, er blockiert auch noch demokratieschützende Massnahmen.

    Der Typ ist sowas von unterirdisch.

    • @Mitch Miller:

      Weil die SPD dafür die Schuldenbremse aussetzen wollten. Und das ist nun wirklich etwas was aus dem laufenden Haushalt bezahlt werden sollte.



      Wie wichtig das der SPD und Grünen war sieht man eben auch daran, dass sie alle anderen Vorhaben als wichtiger ansahen. Denn das Geld war da…



      Ist ja schön wie jetzt alle Schuld der FDP zugeschustert werden soll, aber wenn man es übertreibt, dann schlägt das Pendel zurück und der Punkt ist schon überschritten…

    • @Mitch Miller:

      Ausgabendisziplin ist gelebter Demokratieschutz.



      Aktivismus nicht immer.

  • Welche Demokratie soll denn da noch gefördert werden? Dass die repräsentative Demokratie nur eine Farce demokratischer Mitbestimmung ist, sollte allen spätestens mit den Diskussionen in und um die Ampel-Koalition, deren Auflösung und alles was bisher danach kam, klar sein. Während PolitikerInnen und KommentatorInnen ständig betonen, wie bedroht und wie wertvoll 'unsere Demokratie' sei, erklären sie die ganze Zeit, dass sie nicht funktioniert. Die Versuche, dies einzelnen PolitikerInnen oder Parteien anzukreiden, scheitert daran, dass die 'Fehler' systemische Fehler sind.







    In der repräsentativen Demokratie geht es vor allem um Regierungsmacht, es geht um die Kontrolle des Staates als Instrument der Macht, weniger um das Wohl der Menschen und ganz sicher nicht um emanzipatorische Mitbestimmung der BürgerInnen. Und im 'Wahlkampf um die Macht' wird so ziemlich jede Waffe eingesetzt, von angeblichen Inhalten, (die hinterher keiner realisieren kann,) über Vorwürfe von Populismus und Betrug der WählerInnen, bis hin zu den modernsten Mitteln des Personenmarketings.

    • @Stoersender:

      ...die repräsentative Demokratie - demaskiert !