Demo von Abtreibungsgegnern: Grußwort von der CDU
Fundamentalistische Abtreibungsgegner haben in Berlin mit einem „Marsch für das Leben“ demonstriert. Kritiker werden von ihnen eingeschüchtert.
BERLIN taz | Gott soll über den Anfang und das Ende des Lebens entscheiden, nicht der Mensch: 4.500 Menschen beteiligten sich nach Polizeiangaben am Samstag am „Marsch für das Leben“ durch Berlin, um für das Ende straffreier Schwangerschaftsabbrüche, gegen Sterbehilfe und gegen Gentests an Embryonen zu demonstrieren. Ein neuer Rekordwert – im vergangenen Jahr waren es nach laut Veranstalter noch 3.000 Teilnehmer. Der Marsch vom Kanzleramt zum Lustgarten wurde von etwa 300 Gegendemonstranten begleitet.
Angemeldet wird der jährliche Marsch vom Bundesverband Lebensrecht. Der Vorsitzende Martin Lohmann war zu Beginn des Jahres wegen seiner Äußerungen zum Thema Abtreibung in die Kritik geraten. Nicht einmal nach einer Vergewaltigung wäre die Einnahme der „Pille danach“ gerechtfertigt, erklärte Lohmann in der Talkshow „Günther Jauch“: „Die Lehre, dass man nicht töten darf, gilt immer.“
Bei der Auftaktkundgebung vor dem Kanzleramt bekräftigte er erneut diese Haltung. Wenige Tage zuvor war der Lebensschützer nach mehr als 40 Jahren aus der CDU ausgetreten. Die Kanzlerin „habe der CDU die Standfestigkeit genommen“, erklärte er gegenüber dem Deutschlandfunk. Dennoch sandte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, auch in diesem Jahr Grußworte an die Teilnehmer.
Das „Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung“, das von Familienverbänden und Parteien wie Linke, Grüne und SPD getragen wird, nahm den Schweigemarsch der Lebensschützer mit lauter Musik am Brandenburger in Empfang. Sybill Schulz, Geschäftsführerin des Familienplanungszentrums „Balance“ in Berlin, berichtet, dass sie noch am Samstag wieder eine polizeilich Anzeige im Briefkasten gehabt habe.
Sie würde „Werbung für Abtreibung“ machen, so der Vorwurf. Es sei nicht das erste Mal, dass Lebensschützer ihre Gegner einzuschüchtern versuchten, sagt Schulz. Seit Anfang der nuller Jahre „starten radikale Abtreibungsgegner gezielte Diffamierungskampagnen“ gegen Anlaufstellen wie pro familia, die die für den Schwangerschaftsabbruch nötigen Beratungsscheine ausstellen, sowie gegen Ärzte und Kliniken, die Abtreibungen durchführen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett