„Marsch für das Leben“ in Berlin: Abtreibungsgegner wegglitzern
Das Bündnis „What The Fuck!“ will am Samstag den „Marsch für das Leben“ der Abtreibungsgegner stören. Warum? Das erklärt Gegenpäpstin Rosa I.
taz: Sie nennen sich „Gegenpäpstin Rosa I.“ Warum?
Rosa I.: Als der Papst 2011 nach Berlin kam, wurde ich vom Bündnis „What The Fuck!“ zur ersten Gegenpäpstin der Stadt ausgerufen. Wir wollten die Straße damals nicht nur so einem reaktionären Mann mit seinem Papamobil überlassen, sondern mit den emanzipatorischen „Jüngern“ und “Jüngerinnen“ der wirklichen „Herrin“ huldigen.
Mit dem Berliner Bündnis „What the Fuck“ wollen Sie den “Marsch für das Leben“ stören, zu dem tausende Abtreibungsgegner am Samstag nach Berlin reisen - wie jedes Jahr. Warum machen Sie das?
Wir sind der Meinung, dass diese Märsche weder in Berlin noch in anderen Städten etwas zu suchen haben. Das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und anderen Menschen auf ihre sexuellen und reproduktiven Rechte darf von niemanden, von keinem Staat, keinem Richter und auch von keinen selbst ernannten Lebensschützern eingeschränkt werden. Deswegen wollen wir uns mit reichlich buntem Material und unterschiedlichen Verschönerungsaktionen unter die graue Masse mischen und den sogenannten Schweigemarsch lauthals sabotieren.
Wer sind diese Abtreibungsgegner eigentlich?
Das sind ganz unterschiedliche christliche Fundamentalisten, die zum Teil aus der ganzen Republik nach Berlin reisen. Leider wissen wir viel zu wenig darüber, wer sie sind und wo sie überall ihre Finger drin stecken haben. Klar ist, dass sie gute Verbindungen in die Politik haben. Jedes Jahr erhalten sie Grußworte von der Senioren- und der Jungen-Union und von unterschiedlichen hohen kirchlichen Würdenträgern. Die Demonstration in Berlin zeigt, wie gut die vernetzt sind: sie organisieren dafür Sonderbusse, haben eine eigene Mitfahrzentrale und bekommen Rabatte bei der Deutschen Bahn.
wurde von dem Berliner Bündnis „What The Fuck!“ zum Papstbesuch 2011 ausgerufen und ist seit dem Sinnfigur für einen lauten und bunten Protest gegen Abtreibungsgegner und die Kirche.
Die Zahl derer, die an diesem Marsch teilnehmen, nimmt mit jedem Jahr zu. Woran liegt das?
Ich glaube, die mobilisieren einfach verstärkt in ihren eigenen Reihen. Bedauerlicherweise sieht man auf dem Marsch viele junge Menschen, die offensichtlich von ihren Gemeinden mobilisiert werden. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie mit ihren Ansichten und Forderungen in der Mitte der Gesellschaft viel Anklang finden. Bei anderen Demonstrationen schließen sich ja immer mal wieder spontan Leute an, das habe ich bei denen noch nie gesehen. Ganz im Gegenteil: die meisten Leute finden die weißen Kreuze, die sie mit sich tragen, eher abstoßend und schockierend.
Was machen diese selbst ernannten „Lebensretter“ sonst noch, um gegen Abtreibungen zu agitieren?
In München haben sie ganz lange vor einer Abtreibungsklinik den Frauen, die dort abtreiben wollten, irgendwelche Plastikföten in die Hand gedrückt. Mit abschreckenden Bildern und lauten Gebeten im Sinne von “Mama, bitte lass mich leben“ wollen sie die Frauen einschüchtern. Das wurde ihnen jetzt untersagt. Aber auch im liberalen Berliner Bezirk Kreuzberg wirbt heute noch eine Apotheke mit einem Aushang im Schaufenster damit, dass sie die Pille danach nicht verkaufen würde.
Werden diese Abtreibungsgegner radikaler?
Wir sind nicht in den USA. Deshalb glaube ich nicht, dass hier irgendwann Abtreibungsärzte um ihr Leben fürchten müssen. Aber so friedlich, wie sie immer tun, sind sie halt auch nicht. Wir sagen den Leuten, die an den Gegenprotesten teilnehmen, immer: Passt auf, mit diesen Kreuzen kann man auch ganz schön ausholen!
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