piwik no script img

Demo für Seenotrettung in DresdenMal etwas anderes als Pegida

1.300 demonstrieren in Dresden für die Seenotrettung von Geflüchteten. Überall in der Stadt tauchen symbolische Rettungsringe auf.

„Seebrücke statt Seehofer“ heißt es auch auf Demos in vielen anderen Städten wie hier in Stuttgart Foto: dpa

Dresden taz | „Seebrücke statt Seehofer“, fordert am Sonntagnachmittag eines der Transparente des Dresdner Demonstrationszuges. „Save passage – save havens! Wenn sie Europäer wären, hättet ihr sie längst gerettet“, mahnt die Banderole an der Spitze.

Von der großen Resonanz an diesem heißen Sommertag sind die Organisatoren selbst überrascht: 1.300 überwiegend junge Teilnehmer ziehen während der zweistündigen Demo vom Treffpunkt im Dresdner Szenestadtteil Neustadt zum Kulturpalast im Zentrum.

Die Dresdner Organisatoren zählen sich nicht direkt zum bundesweiten Seebrücken-Bündnis, das sich gegen die Abschottung Europas und die Erbarmungslosigkeit gegenüber den Mittelmeer-Flüchtlingen empört. Auslöser für ihr Engagement sei die Odyssee der in Dresden ansässigen Hilfsorganisation „Mission Lifeline“ Ende Juni gewesen, berichtet Sprecher Lennart Happe.

Eine Woche lang war deren Schiff mit 250 Geretteten an Bord von Hafen zu Hafen geschickt worden. „Da muss man etwas tun“, sagt der Student. Vor etwa zwei Wochen habe man sich ein einem losen Kreis getroffen und dann relativ kurzfristig eine unabhängige Demo organisiert.

Rettungsring am Reiterdenkmal

Die Verbindungen reichen vor allem ins studentische Milieu. Man habe sich bewusst nicht an Parteien angelehnt, sagt Happe, obschon auch Redner von Linken und Grünen bei den Zwischenhalten der Demonstration zu Wort kommen. Ebenfalls vor Ort ist Axel Steier als Kopf von „Mission Lifeline“. Verbindungen in die Dresdner Klubkultur haben zusätzlich für die gute Sache mobilisiert.

Als eine solche empfinden Demonstranten und Redner die unbedingte Hilfeleistung für akut vom Ertrinken bedrohte Flüchtlinge im Mittelmeer. Die Gruppe „Kritische Mediziner“ erinnert an die Grundsätze der Weltgesundheitsorganisation WHO und die „Pflicht zu helfen“. Man dürfe die humane Perspektive nicht aus den Augen verlieren und einer „provinzpolitischen, teils offen rassistischen Agenda“ beispielsweise eines Innenministers Horst Seehofer opfern, sagen sie. Die „europäische Politik der Angst“ dürfe nicht zu einer Kriminalisierung der Seenotretter führen, meinen sinngemäß mehrere Redner.

Schon in den vergangenen beiden Tagen waren an mehreren Orten der Stadt symbolische Rettungsringe aufgetaucht, unter anderem am Reiterstandbild des ehemaligen Sachsenkönigs Johann vor der Semperoper. Bei Facebook gingen zwar die erwarteten Hasstiraden ein, aber die Demonstration am Sonntagnachmittag bleibt unbehelligt. Organisator Happe ist froh, dass sie aus Dresden ein anderes Signal als die wöchentlichen Pegida-Demonstrationen senden können.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • In mehreren deutschen Städten demonstrierten ja zuletzt Menschenrechtsgruppen, Flüchtlingsorganisationen und Bürgerinitiativen für die Seenotrettung von Flüchtlingen. Die Kampagne "Seebrücke - schafft sichere Häfen" meldete auf Twitter Aktionen in insgesamt elf Städten am Samstag, unter anderem in Düsseldorf, wo mehrere hundert Menschen friedlich demonstrierten. Bereits an den vergangenen Wochenenden waren in zahlreichen Städten Tausende Menschen auf die Straße gegangen.

    Eine Anfang Juli gestartete Online-Petition, die Politik und Kirchen zum Einsatz für eine humane Asylpolitik aufruft, hat inzwischen mehr als 90.000 Unterstützer. Das zeige, dass die Petition etwas zum Ausdruck bringe, "was vielen Menschen auf der Seele liegt und was sie zum Ausdruck gebracht haben möchten", sagte Mitinitiatorin Beatrice von Weizsäcker, Präsidiumsmitglied des Deutschen Evangelischen Kirchentags, am Samstag im Deutschlandfunk. Die Autorin hatte die Petition auf "change.org" gemeinsam mit dem Grünen-Europaabgeordneten Sven Giegold und dem Historiker Ansgar Gilster veröffentlicht. Beide sind ebenfalls Präsidiumsmitglieder des Kirchentags.

    www.evangelisch.de...trettung-der-krise

    • @Stefan Mustermann:

      Sicher sind die Demonstranten auch bereit diese Menschen bei sich aufzunehmen und für deren Unterhalt Sorge zu tragen.

  • Eine "Seebruecke" impliziert weitaus mehr als die Rettung Ertrinkender, und genau das duerfte der Grund sein, wieso die "Rettung" in betroffenen Laendern nicht allzu gern gesehen wird.

    • 8G
      82430 (Profil gelöscht)
      @Peer:

      Peer nun wieder.



      Ich zünde mal ein Kerzchen an und hoffe, dass Sie niemals in die Lage geraten werden, Ihr Leben Menschen in die Hände legen zu müssen, die meinen, dass sich Ihre Rettung irgendwie nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen lohnt.

      • @82430 (Profil gelöscht):

        Ich habe mich in keiner Weise gegen die Rettung Ertrinkender ausgesprochen.

      • @82430 (Profil gelöscht):

        Rettung aus Seenot? Unbedingt.

        Das kann aber nicht bedeuten, dass diese Menschen dann automatisch "per Taxi" nach Europa verfrachtet werden, wo sie dann erfahrungsgemäß jahrelang oder sogar für immer bleiben werden.

        DAS ist nämlich einer der größten Fluchtursachen, die alle Seiten doch so gerne bekämpfen wollen.