Demenzforschung: Die Pille gegen das Vergessen

Viele werden mal betroffen sein von der Volkskrankheit Demenz. Man kann testen lassen, wie wahrscheinlich das ist. Nur: Wer will das wissen?

Ein Mann hält die Hände an den Kopf

Chaos im Kopf. Foto: dpa

Man verliert die Kontrolle über sein Leben. Das bewusste Denken fällt immer schwerer. Während die Angehörigen nach Symptomen suchen und nach Momenten, in denen sie helfend einspringen können, verschwindet man. Das ist die größte Angst: Langsam bewegt man sich in Richtung Nichts.

So hat Richard Taylor in einem Interview seine Krankheit beschrieben. Alzheimer. Taylor war Psychologieprofessor und Aktivist. Er setzte sich dafür ein, dass Demenzkranke selbstbestimmter leben können.

Demographen glauben, dass im Jahr 2030 jeder dritte Mann und jede zweite Frau jenseits der 60 dement sein wird. Die häufigste Form der Demenz ist Alzheimer. Eiweiße lagern sich im Gehirn ab. Die Nervenzellen gehen kaputt und die Signalübertragung zwischen den Zellen ist gestört. Man verliert Orientierung, Sprache, Denkvermögen und die Kontrolle über den eigenen Körper.

Wenn es einmal losgegangen ist, gibt es kein Zurück. Bislang kann eine Therapie die Symptome schwächen, den Krankheitsverlauf verzögern. Die Pille gegen das Vergessen gibt es nicht.

Heidenau war ein Fanal für die rechtsextreme Szene: Es geht wieder was. Einen Essay über die Welle rechten Terrors lesen Sie in der taz.am wochenende vom 29./30. August 2015. Mehr zur Flüchtlingskrise: Unsere Reporterin begleitete eine syrische Familie beim Grenzübertritt nach Mazedonien. Außerdem: Ein Franz-Josef-Strauß-Alphabet zum hundertsten Geburtstag. Und: Leben mit Alzheimer. Als seine Ärztin Norbert Heumann von einer neuen Studie erzählt, klammert er sich an eine vage Hoffnung. Nicht zuletzt: Ein Besuch in Wiens berühmtester Imbissbude. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Im Interview in der taz.am wochenende vom 22./23. August sagt der Neurologe und Psychiater Karl Broich, dass er die Demenzforschung aus ihrer Sackgasse führen will. Broich leitet die deutsche Zulassungsbehörde für Arzneimittel. Er kritisiert, dass die Medizin bislang erst dann therapiert, wenn alle Symptome der Krankheit bereits aufgetreten sind. „Wir werden künftig mit Medikamenten in früheren Stadien als bisher ansetzen und Kombinationstherapien entwickeln, die je nach Stadium der Krankheit modifiziert werden müssen.“ So sollen Demenzen zehn bis fünfzehn Jahre vor Ihrem Vollbild erkannt werden. Broich verspricht: „Ich bin jetzt 55 Jahre alt. Und ich sage, dass wir, bevor ich pensioniert werde, ein erstes vielversprechendes Medikament gegen Alzheimer zugelassen haben werden in Deutschland.“

Hoffnung auf ein Medikament

Für Norbert Heumann ist das zu spät. Er ist 66 und hat seit zwei Jahren Alzheimer. Unsere Autorin Heike Haarhoff hat ihn für ihre Reportage „Kribbeln im Kopf“ begleitet. Heumann hofft auf ein Medikament, das noch nicht zugelassen ist. Als einer von wenigen hundert darf er an einer Alzheimer-Studie teilnehmen. Aber vielleicht ist das, was er da einnimmt und in das er seine Hoffnung setzt, doch nur ein Placebo?

Die wenigsten Demenzen sind erblich. Mit einem Bluttest lässt sich zwar eine gewisse Disposition für Alzheimer herausfinden. Aber aus der Wahrscheinlichkeitsprognose folgt nicht viel. Ob jemand tatsächlich dement wird und wenn ja, wann, darüber kann der Test nichts aussagen.

Deshalb hält Broich nichts davon, große Teile der Bevölkerung auf ihr Demenzrisiko hin zu überprüfen. Er selbst will es auch nicht tun: „Was sollte ich mit dieser Information anfangen? Ich wüsste doch nur, ob ich eine höhere oder niedrigere Wahrscheinlichkeit hätte zu erkranken – mehr nicht.“ Dieses Wissen würde ihn beeinflussen, ohne ihm zu helfen. „Ich möchte mein Leben leben, ohne die Erkrankung im Hinterkopf zu haben.“

Würden Sie sich testen lassen? Wollen Sie wissen, wie hoch Ihr Risiko für eine Krankheit ist, für die es noch immer keine Heilung gibt? Und was würden Sie mit dem Wissen anfangen?

Diskutieren Sie mit!

Das große Interview mit Karl Broich und die Reportage von Heike Haarhoff lesen Sie in der taz.am wochenende vom 22./23. August. Broich spricht außerdem darüber, wie die Pharmaindustrie funktioniert und warnt davor, dass ein Schwarzmarkt für Medikamente in Europa entstehen könnte.

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