Debatte um „sichere Herkunftsstaaten“: Ohne Perspektive
Die Grünen kritisieren die geplante Einstufung Georgiens als „sicheren Herkunftsstaat“. In der Praxis würde die Kategorie wenig verändern.
Georgien steht im Schatten der Diskussion. Wenn über neue „sichere Herkunftsstaaten“ debattiert und verhandelt wird, geht es derzeit fast nur um die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien. Dabei erklärt das jüngst beschlossene Gesetz auch Georgien zum „sicheren Herkunftsstaat“. Nach der Zahl der Antragsteller ist Georgien dabei sogar am relevantesten.
Seit 1993 gibt es eine gesetzliche Liste „sicherer Herkunftsstaaten“. Von diesen Staaten wird vermutet, dass es dort keine politische Verfolgung gibt; diese Vermutung kann im Einzelfall aber widerlegt werden. 2014 wurde die Liste um Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien ergänzt. Ein Jahr später folgten Albanien, das Kosovo und Montenegro.
Der Bundestag beschloss 2017, die drei Maghreb-Staaten auf die Liste zu setzen, was im Bundesrat aber keine Zustimmung fand, weil grün mitregierte Länder sich verweigerten. Anfang 2019 beschloss der Bundestag ein neues Gesetz, das neben den Maghreb-Staaten nun auch Georgien erfasste. Der Bundesrat hat darüber noch nicht abgestimmt, es wird noch verhandelt.
Georgien ist ein Staat mit 3,7 Millionen Einwohnern am Schwarzen Meer, an der Grenze zwischen Europa und Asien. Als die Sowjetunion zerfiel, wurde Georgien 1992 wieder unabhängig. Es gilt heute als halbwegs demokratischer Staat, vor allem seit 2012 erstmals ein friedlicher Regierungswechsel gelang. Es gibt aber immer wieder Berichte über Polizeigewalt und einseitig regierungsfreundliche Gerichtsurteile. Georgien strebt langfristig die EU-Mitgliedschaft an.
Keine Chance
Die Zahl der Asylantragsteller aus Georgien stieg von 2008 bis 2018 beständig an, von 298 auf 4.265. Das sind mehr Asylanträge, als aus den drei Maghreb-Staaten zusammen. Die Schutzquote für georgische Anträge liegt jedoch anhaltend niedrig zwischen 0,3 und 2,1 Prozent.
Der Öhringer Rechtsanwalt Andreas Krämer, der schon Hunderte asylsuchende Georgier vor Gericht vertrat, sagt: „Wenn ich Erfolg habe, dann nur, wenn ein Abschiebehindernis festgestellt wird, etwa wegen einer Krankheit.“ Die meisten Antragssteller versuchen nicht einmal, politische Verfolgung geltend zu machen. Sie geben als Grund ihrer Ausreise die Perspektivlosigkeit in Georgien an oder auch die schlechte Gesundheitsversorgung.
Georgische Asylbewerber wissen, dass sie keine Chance haben, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Anders als die Maghreb-Staaten ist Georgien bei Abschiebungen seiner Bürger sehr kooperativ. Denn Georgien will auf keinen Fall die seit März 2017 geltende visumfreie EU-Einreise georgischer Bürger gefährden.
Die georgischen Asylbewerber versuchen, die Zeit in Deutschland zu nutzen, um mit den schmalen Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz noch Verwandte zu Hause zu unterstützen. Viele finden auch Arbeit, teils schwarz, teils legal. Häufig sind den Asylbewerbern medizinische Leistungen wichtig. Anwalt Krämer berichtet von Georgiern, die Krebstherapien oder Tuberkulosebehandlungen erhielten.
Wiedereinreise nach Abschiebung
2016 warnte das Bundeskriminalamt noch, dass georgische Antragsteller oft einreisten, um im Rahmen organisierter Banden Diebstähle und Einbrüche zu begehen. Laut BKA ist die Zahl georgischer Tatverdächtiger inzwischen aber „deutlich rückläufig“.
Was würde eine Einstufung Georgiens als „sicherer Herkunftsstaat“ bringen? Auch dann erhalten Antragssteller ein normales Asylverfahren, und ihre Gründe werden individuell geprüft. Allerdings gelten abgelehnte Asylanträge dann stets als „offensichtlich unbegründet“, was theoretisch eine schnellere Abschiebung ermöglicht. Derzeit wird nur rund die Hälfte der georgischen Anträge als „offensichtlich unbegründet“ eingestuft.
In der Praxis haben auch georgische Ausreisepflichtige fast immer ihren Pass „verloren“, sodass neue Passpapiere beschafft werden müssen – was den Aufenthalt in Deutschland um mehrere Monate verlängert. Deshalb brächte auch die Einstufung Georgiens als „sicherer Herkunftsstaat“ in der Regel keine schnellere Abschiebung. Manche Georgier reisen nach Abschiebung oder freiwilliger Ausreise auch einfach wieder nach Deutschland ein und stellen einen Asylfolgeantrag.
Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, lehnt auch für Georgien die Einstufung als „sicherer Herkunftsstaat“ ab. Dies sei das „falsche außenpolitische Signal“, die rechtsstaatlichen Reformen in Georgien seien noch nicht ausreichend. Stattdessen seien „legale Wege in den deutschen Arbeitsmarkt zwingend notwendig“, so Amtsberg.
Die Bundesregierung plant zwar ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Doch ob dieses Gesetz mit seinen Oualifikationsanforderungen im Falle der ausreisenden Georgier hilft, bezweifelt Gökay Akbulut, die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Die Vergabe von Arbeitsvisa, wie sie der Bundestag 2015 für die Westbalkanländer beschlossen hat, ist für Georgien nicht geplant.
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