Debatte um die innere Sicherheit: Abschiebehaft ist nicht die Lösung
Die Union möchte die Gründe für Abschiebehaft verschärfen. Im Fall Anis Amri hätte das aber wohl nichts genutzt.
Der aus Tunesien stammende mutmaßliche Attentäter kam als Asylbewerber nach Deutschland, gab sich dabei aber als Ägypter aus. Da dies schnell auffiel, wurde sein Asylantrag im Frühjahr 2016 als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Ab nun war Amri ausreisepflichtig und hätte im Falle einer Weigerung abgeschoben werden können – unabhängig von seiner Gefährlichkeit.
Eine Abschiebung setzt allerdings voraus, dass das Herkunftsland den Ausländer wieder aufnimmt. Das ist das zentrale Problem bei Abschiebungen nach Nordafrika. Staaten wie Tunesien kooperieren hier kaum, auch wenn sie völkerrechtlich dazu verpflichtet sind. Die Staaten haben offensichtlich kein Interesse, die ausgewanderten jungen Männer, viele davon Kleinkriminelle und Islamisten, wieder einreisen zu lassen. Leicht fällt ihnen dies in Fällen wie von Anis Amri, der keine tunesischen Papiere bei sich führte.
Deutschland tut sich schwer, Tunesien wirksam unter Druck zu setzen. Schließlich ist Tunesien der letzte Staat in der Region, der noch halbwegs stabil und demokratisch ist. Die Forderung, Tunesien als Druckmittel die Entwicklungshilfe zu streichen, wird auch von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) abgelehnt: „Wenn wir Staaten die Hilfe streichen, kommen noch mehr Menschen nach Deutschland“, warnte er Anfang 2016.
Was soll De Maizières Vorschlag bringen?
Angesichts dieser Sachlage liegt eine Verschärfung der Abschiebehaft eben nicht nahe. Abschiebehaft kann angeordnet werden, wenn die Gefahr besteht, dass der ausreisepflichtige Ausländer untertaucht und so die Abschiebung vereitelt. Bis zu sechs Monate Abschiebehaft kann schon heute angeordnet werden, möglich ist die Verlängerung auf bis zu 18 Monate. Vorausgesetzt ist aber, dass die Abschiebung grundsätzlich möglich ist. Deshalb wurde Anis Amri bei seiner Festnahme in Friedrichshafen am 2. Juli nur drei Tage in Abschiebehaft genommen. Dann ordnete das zuständige Ausländeramt Kleve die Freilassung an. Es sei nicht damit zu rechnen, dass Amri binnen drei Monaten die für eine Abschiebung erforderlichen tunesischen Ersatzpapiere erhalte.
CSU-Mann Meyer hat sich die Verschärfung der Abschiebehaft nicht selbst ausgedacht. Er weiß, dass seit Oktober ein entsprechender Gesetzentwurf von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) auf dem Tisch liegt. Dieser „Entwurf eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“, der der taz vorliegt, stammt also aus der Zeit vor dem Berliner Anschlag. Danach soll Abschiebehaft nicht nur verhängt werden können, wenn der Ausreisepflichtige versucht hat unterzutauchen. Vielmehr soll es genügen, dass er strafrechtlich verurteilt wurde oder eine „erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ darstellt. Bei gefährlichen Ausländern bestehe ein „besonders hohes öffentliches Interesse“, die Abschiebung sicherzustellen.
Aber auch hier, so die Begründung des Gesetzentwurfs, sei „sichergestellt, dass die Neuregelung nur Anwendung findet, wenn zeitnah eine Abschiebung zu erwarten ist.“ Es ist also zweifelhaft, was de Maizières Vorschlag bringen soll, wenn, wie bei Tunesiern, das Heimatland nicht kooperiert. Im Fall Amri kommt noch hinzu, dass sich dieser zwar im Nachhinein als enorm gefährlich entpuppte. Als er im Sommer aber ein halbes Jahr überwacht wurde, ergaben sich keinerlei Hinweise auf Attentatsvorbereitungen. Richter hätten ihn da wohl kaum als „erhebliche Gefahr“ eingestuft.
Der Gesetzentwurf des Innenministers ging am 7. Oktober in die Ressortabstimmung, die noch nicht beendet ist. Es geht bei dem Gesetzes-Projekt unter anderem auch um die Einführung einer Duldung zweiter Klasse für solche Ausreisepflichtige, die die Behörden getäuscht haben. Die SPD überlegt noch, ob sie mitmacht und wie man einen potenziellen Gefährder, den man nur schwer abschieben kann, bis dahin wirkungsvoll überwacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter