Debatte um den „Rasse“-Begriff: NS-Relikte raus aus den Gesetzen!
Die Union tut sich schwer, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen. Auch im StGB gibt es an einigen Stellen Überarbeitungsbedarf.
E s rumort in der Union. Nachdem SPD, Linke und FDP sich offen für die Streichung des „Rasse“-Begriffs aus dem Grundgesetz gezeigt haben, ist die Diskussion um Artikel 3 bei CDU und CSU voll entbrannt. Innenminister Horst Seehofer erklärte inzwischen, dass er sich dem Grünen-Vorstoß nicht versperren wolle.
Seine Parteikolleg*innen sehen das anders: Die sprachliche Überarbeitung des Grundgesetzes brächte den Kampf gegen Rassismus nicht voran, so Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei. Und Innenausschuss-Vorsitzende Andrea Lindholz von der CSU warnt davor, dass die Rechtsprechung durch die Tilgung des Begriffs erschwert werden könne.
Dass es sich dabei um ein Scheinargument handelt, bewies kürzlich das Land Berlin: Im gerade verabschiedeten Antidiskriminierungsgesetz wird – ganz problemlos – die Formulierung „rassistische Zuschreibung“ verwendet und erklärt, dass damit die „scheinbare Akzeptanz von Rassekonzeptionen“ vermieden werden soll.
Das Grundgesetz benutzt den „Rasse“-Begriff gerade nicht, um Menschen nach zugeschriebenen Merkmalen einzuteilen, und macht sich dennoch nationalsozialistisches Vokabular zu eigen. Dass seine Verfasser*innen 1948 noch nicht die Problematik des Begriffs sahen, darf nicht davon abhalten, das Gesetz in seinem eigenen Sinn zu verändern. Und weiterzudenken: Artikel 3 ist nicht der einzige Ort, in dem NS-Gedankengut Eingang in Gesetze gefunden hat, die noch heute gelten.
Mordparagraf noch aus Zeit des Nationalsozialismus
Da ist der sogenannte Mordparagraf im Strafgesetzbuch, der bis heute auf der nationalsozialistischen Vorstellung eines Tätertyps basiert. Auch der Begriff „schädliche Neigung“ im Jugendstrafrecht stammt noch aus dem Nationalsozialismus. Der vollkommen unzureichend reformierte Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs ist ebenfalls ein NS-Relikt, bei dem nur noch ein Abschaffen hilft.
Selbstorganisationen Schwarzer Menschen und People of Color fordern seit Jahren, den Rassebegriff aus dem Grundgesetz zu streichen. CDU und CSU wären gut beraten, sich an der Expertise derer zu orientieren, die sich tagtäglich mit Rassismus auseinandersetzen.
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