Debatte um Eizellspenden: Ausbeutung oder Emanzipation?
Die moderne Reproduktionsmedizin macht Eizellspenden möglich. Doch sind sie auch ethisch? In Deutschland ist eine Debatte längst überfällig.
Sechsmal hat Elia Eizellen gespendet. Sechsmal hat sie sich über mehrere Tage selbst Hormonspritzen verabreicht, damit gleich mehrere Eizellen heranreifen. Zum richtigen Zeitpunkt im künstlich verstärkten Zyklus wurden ihr die Eizellen dann mittels eines chirurgischen Eingriffes unter Vollnarkose entnommen. 800 bis 1.000 Euro Entschädigung bekam sie pro Spende.
Elias reproduktive Geschichte ist mittlerweile Teil eines Forschungsprojekts der Wissenschaftlerin Laura Perler, das in den vergangenen Monaten auch als Ausstellung in den Räumen der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin gezeigt wurde. Darin setzt Perler sich aus unterschiedlichen Perspektiven bei Eizellspenden auseinander: aus der medizinischen, der von Geberinnen und der von Empfängerinnen. Und sie zeigt die medizinethische Debatte rund um diese Form der reproduktiven Medizin, in der die einen weibliche Selbstbestimmung, die anderen die Ausbeutung weiblicher Körper sehen.
Der medizinische Ablauf selbst ist dabei noch relativ schnell erklärt: Zunächst erfolgt die hormonelle Vorbereitung; dann die chirurgische Entnahme und das Genscreening der entnommenen Eizellen, bevor diese mit dem Sperma des Wunschvaters oder eines Samenspenders befruchtet werden. Dann werden die befruchteten Eizellen eingefroren, bis der Zyklus der Wunschmutter den passenden Zeitpunkt zum Einpflanzen erreicht hat. Dies geschieht unter lokaler Betäubung.
Es folgt das Warten, ob eine Schwangerschaft zustande gekommen ist. Die Erfolgschancen bei einer In-Vitro-Fertilisation (IVF), die technisch-medizinische Methode, die der Spende zu Grunde liegt, variiert und ist vor allem vom Alter der Patientinnen abhängig. In Europa liegt die Schwangerschaftsrate bei einer IVF-Behandlung bei 36 Prozent pro Behandlung. Von der gängigen, romantisch-verklärten Vorstellung, wie Kinder gezeugt werden, scheint dieser Ablauf weit entfernt.
Am Mittwoch, den 29.06.2022 findet in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin um 19 Uhr ein Vortrag über die medizintechnischen Grundlagen der Eizellspende mit anschließender Podiumsdiskussion statt. Zum Abschluss der Ausstellung „Babys machen? ‚Eizellspende‘ und Reproduktionspolitiken“ wird über feministische Positionen für und gegen die Legalisierung von Eizellspende debattiert
Mehr als monatlicher Mindestlohn
Dennoch: Die moderne Reproduktionsmedizin und -technologie erfüllt viele Kinderwünsche, die sonst unbeantwortet blieben. Schätzungsweise nehmen jährlich mehrere tausend Frauen aus Deutschland eine Eizellspende im Ausland in Anspruch. Genaue Zahlen fehlen. Wohl auch deshalb, weil es in Deutschland so gut wie keine öffentliche Debatte zu Reproduktionspolitiken gibt – und somit auch wenig Forschungsinteresse.
Inbesondere queere Paare mit Kinderwunsch profitieren von den Möglichkeiten der Reproduktionstechnologie. Ein lesbisches Paar kann zum Beispiel die biologische Elternschaft und die austragende Rolle unter sich aufteilen, was das Verbundenheitsgefühl zu dem gemeinsamen Kind stärken und ausgleichen kann. Und natürlich können durch eine Eizellenspende unfruchtbare Frauen jedweder sexuellen Orientierung schwanger werden. Medizin und Technik sind vielleicht nicht idyllisch, aber effektiv.
Doch da sind eben nicht nur jene, die als Empfängerinnen von einer Spende profitieren, sondern auch jene, die ihre Eizellen für den Kinderwunsch anderer hergeben. Im Zuge ihrer Forschung hat Laura Perler Eizellgeberinnen in Spanien interviewt und ihre Spendengeschichten umrissen. Eine von ihnen ist Elia. Sie ist 32 Jahre alt und lebt in der Nähe von Valencia. Mit 23 Jahren hat sie zum ersten Mal Eizellen gespendet. Ihre Mitbewohnerin hatte Elia damals vom Eizellspenden erzählt und dass man damit Geld verdienen kann. Ohne großes Zögern oder eigene Recherche zu den Risiken entschied sich Elia für eine Spende. „Meine einzige Motivation war das Geld“, erzählt sie im Interview mit der taz. 1.000 Euro sind mehr als ein monatliches Mindestlohngehalt in Spanien.
Seit 1988 ist das Eizellspenden in Spanien legal. Seit der Legalisierung ist in Spanien ein boomender Markt entstanden. Private Kliniken haben sich auf die Anwerbung und Betreuung von Geberinnen und die Entnahme sowie die Einpflanzung von Eizellen spezialisiert und machen ein gutes Geschäft mit der Anwendung der modernen Reproduktionstechnologien.
„Ich war ein Uterus auf Füßen“
Damit der altruistische Aspekt der Spende nicht verloren geht, dürfen Spenderinnen in Spanien nicht mehr als eine Entschädigungssumme von 1.000 Euro für ihre Spende erhalten. Pärchen mit einem Kinderwunsch, die sich diesen mit Hilfe einer gespendeten Eizelle erfüllen wollen, zahlen in Spanien rund 8.000 bis 35.000 Euro. Es entsteht eine beachtliche Gewinnmarge für die Krankenhäuser. Ganz nach kapitalistischem Profitmaximierungsbestreben stecken die Kliniken viel Geld in Werbung, die sich sowohl an potenzielle Geberinnen als auch Empfängerinnen richtet, um das Eizellengeschäft am Laufen zu halten.
Die Werbung für potenzielle Eizellgeberinnen richtet sich dabei hauptsächlich an junge, finanziell prekäre Frauen, da diese sich, so die Berechnung, am ehesten von der Entschädigungssumme überzeugen lassen. So wie auch Elia. Sie beschreibt den kommerzialisierten Vorgang als „Geldmacherei mit den Eizellen von vulnerablen Personen“. Elia erzählt, dass es in den Kliniken verschiedene Eingänge für Geberinnen und Empfängerinnen gebe. Außerdem sagt sie, dass sie in der Klinik nicht wie eine Patientin, sondern wie ein Objekt behandelt worden sei: „Ich war ein Uterus auf Füßen.“
Diese Kommerzialisierung der weiblichen Reproduktionsorgane ist ein Grund dafür, warum das Eizellenspenden in Deutschland verboten ist. Kritische feministische Stimmen wehren sich gegen eine Legalisierung in Deutschland mit dem Argument, den Ausverkauf und die Objektifizierung des weiblichen Körpers verhindern zu wollen. Die Argumentation ist eine ähnliche wie in der Debatte um die Legalisierung von Prostitution. Der weibliche Körper solle nicht zum Verkauf stehen. Auch Elia empfindet das Eizellspenden im Rückblick als eine kapitalistische Ausbeutung ihres Körpers.
Auf der anderen Seite der feministischen Debatte zum Thema Eizellspende steht das Argument der Selbstbestimmung. Das freie Verfügen über die eigenen Reproduktionsorgane gehöre zur feministischen Befreiung von Frauen aus patriarchalen Unterdrückungs- und Enteignungsstrukturen. Männer dürfen in Deutschland seit den 1970er Jahren Samen spenden und erhalten pro Spende eine Entschädigung von bis zu 100 Euro. In einem Behandlungszimmer in einigen Pornomagazinen zu blättern und in einen Becher zu ejakulieren, ist sicherlich nicht genauso invasiv wie eine tagelange Hormontherapie und ein chirurgischer Eingriff.
Größtmögliche Autonomie
Dennoch solle man Frauen deswegen nicht die Entscheidungsmacht über ihre Reproduktionsorgane absprechen, finden liberale Feminist:innen. Blut oder Knochenmark spenden sei ja auch erlaubt, obwohl es ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Spender:innen ist. Die Unterscheidung zwischen verschiedenen körpereigenen Stoffen erscheint den Befürworter:innen der Legalisierung von Eizellspenden nicht schlüssig. Größtmögliche Autonomie erfordere auch die Möglichkeit des Verkaufs oder der Spende der reproduktiven Organe.
Elia sieht das skeptisch. Sie hat sich durch die Eizellspende nicht selbstbestimmt oder frei gefühlt, sondern ausgenutzt. „Gäbe es keine Entschädigung für das Eizellspenden, dann wäre es eine andere Sache. Dann wäre eine Spende wirklich altruistisch und ein Akt feministischer Solidarität“, meint sie. Solange es eine finanzielle Komponente gäbe, sei die Gefahr der Ausbeutung von prekarisierten Frauen zugunsten von reichen Pärchen zu groß. Die Wissenschaft unterstützt Elias Befürchtungen.
Für jede einzelne der Frauen, die Laura Perler im Zuge ihrer Forschung interviewt hat, war der finanzielle Aspekt zumindest ein Grund, sich für die Eizellspende zu entscheiden. Oft war es der ausschlaggebende. Sei es zur Unterstützung des Familienunternehmens, das während der Wirtschaftskrise gelitten hat, zur Finanzierung einer Drogenentzugstherapie oder einer Studienreise. Ohne die monetäre Entschädigung hätten die Frauen ihre Eizellen nicht gespendet.
Nur wenn es kein Geld für die Eizellen gäbe, wäre eine Eizellenspende wirklich selbstlos, meint Elia. Nur so könne man der Ausbeutung ärmerer Frauen vorbeugen und Frauen tatsächliche Entscheidungsmacht über ihre reproduktiven Organe verschaffen. Für Freund:innen oder Familienmitglieder würde Elia auch wieder Eizellen spenden. Für Fremde und für Geld nicht mehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!