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Debatte um Bodentruppen und TaurusKritik an Scholz und Macron

Frankreichs Präsident und der deutsche Kanzler sind in der Ukraine-Politik zuletzt uneins. Der Grüne Anton Hofreiter wirft beiden „Fahrlässigkeit“ vor.

Anhaltender Streit um Taurus: Hier ein deutscher Tornado-Jet mit dem Marschflugkörper Foto: Andrea Bienert/dpa

Berlin dpa | In der Debatte um die weitere Unterstützung der Ukraine hat der Grünen-Politiker Anton Hofreiter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron Fahrlässigkeit vorgeworfen. Das Verhältnis zwischen den beiden sei „offensichtlich zutiefst zerrüttet“, sagte Hofreiter am Dienstagabend im ZDF-„heute journal“. Das sei „ein Riesenproblem für unsere Sicherheit“ und für die Europäische Union.

Beide Politiker handelten unverantwortlich – „Macron mit seinem fahrlässigen Gerede über die Bodentruppen, das verunsichert die Bevölkerung, und Scholz mit seiner völlig unverantwortlichen Begründung für die Taurus-Absage“, kritisierte Hofreiter.

Macron hatte am Montag das Entsenden westlicher Bodentruppen in die Ukraine thematisiert. „Es gibt heute keinen Konsens darüber, offiziell Bodentruppen zu entsenden“, sagte er nach einer Ukraine-Hilfskonferenz in Paris. „Aber in der Dynamik darf nichts ausgeschlossen werden. Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann.“ Andere westliche Staaten reagierten mit heftiger Ablehnung. Auch Scholz wies den Vorstoß umgehend zurück.

Der Bundeskanzler hatte ebenfalls am Montag erneut die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine abgelehnt und seine Weigerung mit dem Risiko einer Verwicklung Deutschlands in den Krieg begründet. „Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland“, sagte er bei einer Chefredaktionskonferenz der Deutschen Presse-Agentur. Aus seiner Sicht wäre der Einsatz von Taurus nur unter Beteiligung von deutschem Personal möglich.

Hofreiter nannte Scholz' Absage im ZDF „eine Geste der Schwäche gegenüber (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin, die ganz krass ist“. „Das ist ja direkt eine Einladung an Putin, weitere Länder anzugreifen, nach dem Motto: „Wir können nichts tun, wir sind eh schwach.“ Er erwarte von Macron und Scholz, „dass sie angesichts dieser schwierigen Lage ernsthaft vorgehen und sich einigen“. In der Auseinandersetzung mit Putin brauche man keine „kindischen Streitereien“, sondern Führungskraft. „Und die hat der Kanzler mal wieder nicht gezeigt mit seiner Entscheidung, Nein zu Taurus zu sagen.“ Scholz' Aussage, für den Einsatz seien Bundeswehrsoldaten nötig, nannte der Grünen-Politiker „offensichtlich falsch“.

Kritik auch aus der Union

Auch der Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr, Patrick Sensburg, hält Scholz' Begründung für nicht haltbar. „Ich sehe nicht, warum man mit Taurus-Marschflugkörpern deutsche Soldaten in die Ukraine schicken muss“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Mittwoch). „Die Ausbildung und alles andere könnte man auch außerhalb der Ukraine leisten. Die Ukrainer sind sehr gut und fähig darin, neue Waffensysteme zu lernen.“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kritisierte die Uneinigkeit innerhalb der Ampel-Koalition über die Lieferung des Waffensystems. „Die Sache gibt international ein katastrophales Bild ab, wenn die Hälfte der Bundesregierung liefern möchte und der Bundeskanzler sagt Nein“, sagte der CSU-Politiker der Augsburger Allgemeinen. Es ergebe keinen Sinn, öffentlich die Lieferung einer bestimmten Waffe auszuschließen, wenn der Westen die Ukraine militärisch möglichst stark unterstützen wolle. „Die Taurus ist keine Atombombe“, sagte Söder.

Bundesjustizminister Marco Buschmann deutete einen möglichen Mittelweg im Umgang mit Taurus-Lieferungen an. Er erkenne eine Brücke in dem, was Bundeskanzler Scholz gesagt habe, sagte der FDP-Politiker am Dienstagabend in der ARD-Sendung „Maischberger“. Ein Weg könne vielleicht sein, „dass wir ukrainische Soldaten ausbilden, um mit diesem Waffensystem umgehen zu können, ohne dass es des Einsatzes deutscher Soldaten bedarf“.

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26 Kommentare

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  • an könnte den Eindruck gewinnen, Scholz wollte Putin schonen. Wann begreift die SPD, eine einmal wichtige Stütze der Demokratie, dass sie mit Scholz und seinem permanenten Herumdrucksen, seiner Feigheit, unserer Politik einen Bärendienst erweist, der ihre Glaubwürdigkeit zerstört? Mit Scholz, Lindner und dieser Ampel können wir nur verlieren, in dieser Lage eine einzige Tragödie, wenn man bedenkt, dass eine ebenso pflichtvergessene CDU sich auch noch an diesen 'Fehlern' reibt. statt alternative und die Gesellschaft zusammenführende Wege aufzuzeigen. Alles zusammen nützt es auch noch den Rechten !

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Ausgemustert: www.abgeordnetenwa...hrdienst-geleistet



    „Ich wurde 1990 vom Bundeswehrarzt ausgemustert.“ - Gibt es sowas auch im Bundestag?

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Einen guten Punkt sprechen sie an! Leider gibt es das für den Bundestag nicht.

      "Der Grüne Anton Hofreiter wirft beiden „Fahrlässigkeit“ vor."

      Scholz in diesem Punkt Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist absurd. Es gibt keinen Experten, der die These vertritt, dass Taurus kriegsentscheidend ist, jedoch viele die die Möglichkeit einer Eskalation sehen.



      Die Amerikaner haben bisher nur symbolisch ATACMS geliefert (mit Reichweitenbegrenzung 165km und Sprengelkopf durch Streumunition ersetzt).



      Und wir sollten so leichtsinnig sein und Taurus liefern?



      Leider gehen bei vielen Politikern jegliche Relationen und Verantwortungsgefühl verloren. Ich nehme Politikern, wie Hofreiter ihre gute Intention ab, aber das darf nicht als Endschuldigung dienen.

  • Na ja, Diskursverschiebung eben. Macron verschiebt die Diskussion soweit ins Extrem, dass zum Schluss die Taurus-Entsendung womöglich noch als sinnvoller Kompromiss erscheint...

  • Abgesehen von einer Kriegserklärung oder einem tatsächlichen Kriegseintritt gibt es nichts, was Deutschland sagen, tun oder liefern könnte, was zu einer Eskalation zwischen der NATO und Russland führen würde. Selbst wenn Moskau selbst von der Ukraine mit westlichen Waffen angegriffen würde, wäre dies weder völkerrechtlich noch sonst wie als Kriegseintritt zu werten.

    Es gibt hier keine roten Linien, die überschritten werden könnten, weder territoriale noch rüstungstechnische. Putin solche Linien ziehen zu lassen -- und ihm damit quasi ein Vetorecht gegen deutsche Außenpolitik einzuräumen -- ist eine der schlimmsten und fahrlässigsten Entscheidungen, die Olaf Scholz jemals getroffen hat.

    Russland wird diesen Konflikt eskalieren, wenn es glaubt, dass dies in seinem Interesse ist, sonst nicht. Russische Außenpolitik wird in Moskau entschieden, völlig unabhängig davon, was in Washington, Brüssel oder gar Berlin gesagt oder getan wird. Würde die NATO heute mit konventionellen Mitteln in diesen Krieg eingreifen, wäre Russland in vier bis sechs Wochen besiegt. Würde der Krieg atomar ausgetragen, wären wir alle -- auch die Russ*innen -- in ein paar Tagen tot. Beides ist also nicht im Interesse Russlands (duh?).

    Es sei denn, es entsteht der Eindruck, dass die NATO aus Angst vor einer nuklearen Eskalation im Zweifelsfall nicht den Bündnisfall ausruft, dass »der Westen« eingeschüchtert und unter Druck gesetzt werden kann, dass eine solche Eskalation am Ende gewonnen werden kann. Denn das wäre in diesem Fall natürlich im russischen Interesse.

    In einer Zeit, in der Olaf Scholz führen sollte, zögert und zaudert er und lässt sich von Angst und Unsicherheit treiben. Das schadet und schwächt nicht nur deutsche, sondern auch europäische Positionen und schwächt unsere Bündnisse -- und das macht eine Eskalation wahrscheinlicher.

  • Die ganze Diskussion um Taurus ist lächerlich. Es ist einfach eine Sau, die gegenwärtig durchs Dorf getrieben wird. So wie die Wunderwaffe Panzer. Und danach wird es wieder eine Sau geben. Hat alles nichts gebracht.



    Wunderte es jemanden, dass die Menschen es inzwischen satt haben? Diese ganzen Scheindiskussionen. Die Mehrzahl der Bevölkerung will eine diplomatische Lösung und keine Waffenlieferung. Interessiert das irgendjemand?

    • @Jens Barth:

      Ich hätte auch gern ne diplomatische Lösung. Hast Du nen Vorschlag? Was sollen die Putin anbieten, was sollen sie verhandeln?



      Die Kapitulation der Ukraine?



      Die Anerkennung der Annexionen?



      Bitte mal konkret werden.

      Ich sehe jedenfalls nichts, was man momentan in eine Verhandlung tragen könnte, ohne damit mindestens die UN-Charta und den Atomwaffensperrvertrag in die Tonne zu werfen. Ist das der Preis für Frieden, den wir bezahlen wollen?

    • @Jens Barth:

      Putin will auch keine Waffenlieferung. Höchstens seine eigenen. An diplomatischen Lösungen ist er allerdings ebenso wenig interessiert.

    • @Jens Barth:

      Entscheidend ist doch nicht ob die Deutschen mehrheitlich Verhandlungen wollen. Tatsache ist, dass die Ukrainer sich nicht von Putin unterjochen lassen wollen. Der Krieg wäre schon lange aus hätte man Tag eins alles was in den Regalen ist in die Ukraine gegeben.



      Scholz hat zumindest Mitverantwortung dafür, dass tagtäglich mehrere hundert Menschen an der Front umkommen.

    • @Jens Barth:

      Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Taurus ein Marschflugkörper mit bestimmten, der Ukraine bisher nicht zu Verfügung stehenden Eigenschaften, die dabei helfen könnten, die Logistik der russischen Arme zu stören. Hört sich nicht nach Sau an.

    • @Jens Barth:

      👍👍 Genau - wir wollen Diplomaten - echte Volksvertreter und keine



      " Handlanger ", der Lobbyisten aus der Rüstungsindustrie - in den Regierungen dieser - UNSERER - Welt !

    • @Jens Barth:

      Gibt derzeit keine diplomatische Lösung.

      • @Machiavelli:

        Und auch bloß nichts versuchen, weil geht ja sowieso nicht, oder?

        Selten hat diese Strategie zu Frieden geführt. Beispiele aus der Geschichte wohingegen selbst in Situationen, die aussichtslos erschienen nach entsprechenden Initiativen Frieden möglich war gibt es hingegen genug.

  • Schaut man sich die Äußerungen von Macron an, sind diese keineswegs so eindeutig. Aber das generelle Signal an Russland, dass irgendwann ein Punkt überschritten sein kann, der zu einem aktiveren Eingreifen führen kann, finde ich nicht schlecht. Zumal diese Äußerungen von einer zweitschlagfähigen Atommacht kommen, was für Russland sehr wohl ein Problem ist.

    Scholz hätte an dieser Stelle, wirklich einmal klug gehandelt, hätte er denn einfach geschwiegen. Schweigen ist doch sonst seine große Domäne, aber nein um unklügsten Moment bekommt der Kanzler den Mund auf. Demonstriert nach Moskau Uneinigkeit und verschafft dem Kreml Planungssicherheit. Unfassbar!

    • @insLot:

      "das generelle Signal an Russland" - nennt man Strategic Amiguity und ja das ist vermutlich nicht dumm.

      Kaum wer sieht derzeit aber den mMn eigentlichen Adressat der Botschaft: Nicht auszuschließen, daß - je nach Entwicklung - auch Europa eskalieren könnte, muß das Risikokalkül der Blockierer im US Kongress verändern. Womöglich auch der US-Wähler.

      Auch unter diesem Blickwinkel hätten Scholz und andere besonnener reagieren können …

    • @insLot:

      So sehe ich das auch. Mal durch ein abgestimmtes Schweigen der anderen Protagonisten mal so einen Satz stehen und ggf. wirken lassen. Schlechter als aktuell, kann es doch eh nicht werden! Nicht mal das kriegen die hin. Es ist zum heulen.

  • Ich mag Anton Hofreiter, er hat viel Ahnung von Landwirtschaft und wäre der besser geeignete Landwirtschaftsminister gewesen....als Kriegstreiber mag ich ihn und die Grünen im allgemeinen allerdings überhaupt nicht

    • @PartyChampignons:

      Wieso ist die Forderung danach, ein Land bei der Verteidigung gegen den Angriff durch ein anderes Land zu unterstützen, Krigstreiberei?

    • @PartyChampignons:

      Kriegstreiber sitzen im Kreml. Der Blick auf die Repressionen gegen die eigene Zivilbevölkerung zeigt auch deutlich, wie dort die Menschen für den Krieg ein gepeitscht werden.

      Während bei uns eben ein Herr Hofreiter einfach nur seine Meinung äußert und im Gegensatz zu einem Herrn Putin für Mittel plädiert, die den Konflikt beenden, und zwar ohne Endsieg des Eroberers.

    • @PartyChampignons:

      👍👍

      • @Alex_der_Wunderer:

        👍👍👍

  • Keine Ahnung was Macron mit dieser Aussage bezwecken wollte - rein nüchtern betrachtet wäre mit Bodentruppen der Ukraine am wenigsten geholfen.



    Ja klar, der Ukraine fehlt es mittlerweile auch - vor allem - an erfahrenen Soldaten. Soldaten die die westlichen Waffensysteme blind beherrschen, das wäre schon ein Upgrade, fraglos, aber tatsächlich wohl nur marginal.



    Die große Kuh auf dem Eis ist nach wie vor die erdrückende Überlegenheit der russischen Artillerie. 10 zu 1, 15 zu 1 - irgendwo in dieser Richtung.



    Ja die russischen Systeme sind den westlichen unterlegen in Sachen Präzision, Schlagkraft und Mobilität - und im letzten Jahr hatte auch Russland so seine Probleme mit dem Nachschub. Da gab es Quoten, maximal durften wenige tausend Geschosse pro Tag abgefeuert werden - auf beiden Seiten.



    Russland hat diesen Engpass aber behoben, voll auf Kriegswirtschaft umgestellt und gleichzeitig sich Granaten 'von auswärts' besorgt, die können mittlerweile wieder beinahe aus dem Vollen schöpfen, während die Ukraine im letzten Jahr nur 30% von der versprochenen Munition geliefert bekam... 🙄



    Die Bräsigkeit des Westens verlangt der Ukraine an der Front einen hohen Blutzoll ab - das ist die bittere Realität.



    NATO-Bodentruppen würden bei gleichbleibendem Munitionsmangel genauso unter dem russischen Trommelfeuer festgenagelt sein wie die ukrainischen jetzt.



    Statt sinnfreier Vorschläge sollten Macron und die EU einfach nur die zugesagten Mittel in vollem Umfang liefern, das WÜRDE helfen 🤷‍♂️

  • Mit der Aussage, die Bevölkerung dürfte nicht verunsichert werden, gibt Anton Hofreiter zu, dass die Bevölkerung im unklaren gelassen werden muss, wohin dieser Krieg führt.

    • @J. Kraft:

      👍👍

    • @J. Kraft:

      Nein, woher nehmen Sie so eine abstruse Deutung?

  • Dass das immer wieder gefragt werden muss: Ist denn nicht längst klar, dass sich der Scholz zu jedem Thema durch Behauptungen, man könnte auch Lügen sagen, durchs Leben trickst?



    Es ist so schlimm und unerträglich wenn er andere Leute angreift mit Unterstellungen und seine eigene Sichtweise, oft nicht, oder schlecht begündet, als einzig richtige darstellt.