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Debatte über SchuldenbremseErst das Geld, dann die Moral

Plötzlich ist auch Merz offen für neue Schulden. Aber dafür müsste er erst die SPD überzeugen.

Der pausierende Blackrock-Mitarbeiter Friedrich Merz Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Berlin taz | In Sachen Geld war Friedrich Merz immer glasklar: Erst müsse es einen Kassensturz geben und geschaut werden, wo Geld im Haushalt eingespart werden könne. Erst danach könne man über zusätzliche Schulden reden. Doch kaum hat die Union die Wahl gewonnen, schlägt Merz einen Haken. Nun will er doch rasch über neue Schulden reden.

Es geht zwar nicht um eine Reform der grundgesetzlichen Schuldenbremse, wie sie SPD, Linke und Grüne fordern. Sondern um die Aufstockung des Sondervermögens für die Bundeswehr, also eine Umgehung der Schuldenbremse. Die Rede ist von zusätzlichen 200 Milliarden Euro, eine Summe, die Merz am Dienstag weder bestätigen noch dementieren wollte. „Wir sprechen miteinander, aber es ist viel zu früh etwas zu sagen. Eine Reform der Schuldenbremse in naher Zukunft schloss er indes aus. „Das ist, wenn es überhaupt stattfindet, eine umfangreiche und schwierige Arbeit.“

Aber auch für eine Aufstockung des Sondervermögens für die Bundeswehr wäre eine Änderung der entsprechenden Formulierung im Grundgesetz nötig, die mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden muss. Ohne Verankerung im Grundgesetz müsste das Geld aus dem Bundeshaushalt kommen.

Größere Kredite wären nur drin, wenn man eine Notlage erklärt, die die Schuldenbremse vorübergehend aussetzt. Der Haken: Das Geld müsste in dem Jahr ausgegeben werden, in dem es aufgenommen wurde. Oder man müsste jedes Jahr erneut eine Notlage erklären.

Klage von Linke oder AfD?

Die Chance, dass insbesondere AfD und Linke erfolgreich klagen, ist hoch. Auch eine Aufstockung des Sondervermögens für die Bundeswehr könnten beide Parteien im Bundestag blockieren. Die Linkspartei machte bereits klar: „Es wird für dieses erneute Sondervermögen zur Aufrüstung keine Stimmen der Linken geben“, so die Vorsitzende Ines Schwerdtner.

Also bringen CSU-Chef Markus Söder und der Parlamentarische Geschäftsführer der Union Thorsten Frei eine Abstimmung mit der alten Bundestagsmehrheit ins Spiel. Bis sich der neue Bundestag konstituiert, wäre das theoretisch möglich. Dafür würden die Stimmen von Union, SPD und Grünen reichen.

Der scheidende SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich zeigte sich offen, kritisierte aber Merz. Das Ganze sei eine „Gratwanderung“. Er wundere sich über die letzten Stunden, sagte Mützenich, „wie schnell man plötzlich das Rad neu erfinden kann“.

Noch-Kanzler Olaf Scholz hatte vorgeschlagen, Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen oder diese zu reformieren, war aber vor der Wahl bei Merz abgeblitzt. Am Dienstag traf sich Merz mit Scholz im Kanzleramt. Bereits am Montagabend hatte Merz den SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil kontaktiert.

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10 Kommentare

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  • Wenn die politisch Herrschenden partout Aufrüstung finanzieren wollen, ohne dass es im Haushalt erscheinen soll, können sie auch eine Art Parallelwährung schaffen, so wie Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht nach 1933 mit den Mefo-Wechseln. Damals war auch schon Rheinmetall beteiligt.



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    Gibt tatsächlich bereits aktuelle Vorschläge wie den "digitalen Taler": www.wiwo.de/politi...egen/30227354.html



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    Die AfD dürfte mit solchen Modellen übrigens keine großen Probleme haben, höchstens vorübergehende parteitaktische. Mitte-Links sollte sich an all solchen Gedankenspielen zu verschleierter Rüstungsfinanzierung m.E. dagegen lieber nicht beteiligen.

  • "Der Haken: Das Geld müsste in dem Jahr ausgegeben werden, in dem es aufgenommen wurde. Oder man müsste jedes Jahr erneut eine Notlage erklären." - Wem haben wir das nochmal zu verdanken? Könnte das nicht mit einer Klage der CDU vor dem Bundesverfassungsgericht zu tun haben? Irgendwas mit nicht ausgezahlten Corona-Hilfen?

  • Lieber Herr Merz: So geht aktives Mitwirken an Politik- bzw. eher Politikerverdrossenheit.



    Ihnen muß ja echt schwindlig werden ob Ihrer rasanten Richtungswechsel !



    ... mit der großen Gefahr, völlig die Orientierung zu verlieren !



    (Taktik Söder !)

  • Entschuldigung, ich höre nur Schuldenbremse lockern. Ich kann es, ehrlich, nicht mehr hören. Seit Jahren hätten die Regierungen die Möglichkeit ihre Steuereinnahmen zu erhöhen, Stichwort Reichensteuer, Erbschaftssteuer, Übergewinn, Cum Cum, Cum Ex... Nein, da geht keiner - ausser Die Linke - ran. Lieber aufweichen, weiter im Sozialen sparen, Entschuldigung, was ist der SPD und Die Grünen geworden?

  • Man könnte hier fast Merz zitieren. Nur weil vorher die SPD die Schuldenbremse umgehen bzw. abschaffen wollte, war sie schlecht. Jetzt ist die Idee plötzlich gut, weil unter Merz. Das nennt man Parteipolitik. Ach ja, er hatte ja schon gesagt, dass er keine Politik für alle macht. Die grünen und linken Spinner werden mundtot gemacht oder vielleicht gleich gleichgeschaltet (siehe "Kleine" Anfrage der CDU)?! Die Afd wird es freuen. Ein weiterer Schritt Richtung schwarz -blau. Wirklich dunkle Zeiten.

  • An dieser Stelle zeigt sich, ob Merz lernfähig ist, oder einfach inkompetent für den Job.



    Ein "Kassensturz" ist völlig lächerlich, alle Zahlen sind öffentlich, wer hier nicht mitgerechnet hat, hat schlicht seine Hausaufgaben nicht gemacht.



    Angesichts der Herausforderungen, die bei Infrastruktur, Schulen und Bundeswehr anstehen, wäre die Anpassung der Schuldenbremse jetzt noch möglich.



    Derzeit sieht es allerdings so aus, als sei die CDU nur zu Einem bereit: Nichts zu tun.



    Der Herausforderungen der Zeit und dem Verschlimmern der Lage durch trump scheint Merz nicht gewachsen.

  • Im Wahlprogramm schließt die CDU eine Aufhebung der Schuldenbremse völlig us.

    Gleich nach der Wahl hat Merz die "glänzende Idee", noch mal schnell vor Zusammentreten des neuen Bundestags die Schuldbremse aufzuheben.

    Einen Tag später schließt er das kategorisch aus und weiß nun nicht mehr, ob sie überhaupt aufgehoben werden soll oder nicht.

    An dieses Hin und Her wird man sich gewöhnen müssen, das ist der Stil von Merz.

  • Hochgradig bedenkliches Verhalten von Merz, wo eine Rutschbahn Richtung US-Stil droht.



    Erst die Regierung mit einer Klage geldmäßig aushungern, die Korrektur verweigern und sie dann für die eigene Regierung als nötig deklarieren, genau nach der Wahl, bei der er noch die Schuldenbremse als Kampagnenthema nutzte und auch einen brennend unseriösen Steuerpopulismus flackern ließ, der für so minus hundert Milliarden sorgen würde.

    Die Schwarzen können halt _nicht mit Geld umgehen (Ausnahmen gibt es, Merz jetzt ist die Regel).

  • Weitere 200 Milliarden Schulden für Rüstung während die Infrastruktur vergammelt, für Wohnungsbau kein Geld da ist, der Klimawandel ignoriert wird und die Einnahmen des Staates durch Steuergeschenke reduziert werden. Nicht die Linke ist extrem sondern Merz.

    • @Andreas J:

      Wenn wir in einem russischen Vasallenstaat mit einer Grenze zu Russland leben , wird es keine Klimaerwärmung mehr geben.

      So wie es in der Ukraine auch nur eine "Spezialoperation" gibt.

      Und die jetzige Infrastruktur wird die gute alte Zeit sein, an die wir uns gerne zurückerinnern.

      Degrowth wird dann keine ideologische Frage mehr sein, sondern nackte Realität.