Debatte über Rassismus in Polizei: „Wissen wir seit den NSU-Morden“
SPD-Chefin Saskia Esken wird für ihren Satz, unter PolizistInnen in Deutschland gebe es latenten Rassismus, kritisiert. Doch es gibt auch Zustimmung.
Sofuoglu räumte aber ein, dass die Polizei überwiegend bemüht sei, ihre Aufgaben „im Rahmen des Grundgesetzes“ zu erfüllen. Auch gebe es Fortschritte. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mittlerweile von Rassismus sprächen, sei ebenso ein Fortschritt wie die Tatsache, „dass das Thema überhaupt diskutiert wird“. Wer sich rassistisch äußere, sollte auch Sanktionen erfahren, mahnte Sofuoglu. Überdies sollten Betroffene zu Anzeigen ermutigt werden. „Das geht aber nur, wenn sie das Gefühl haben, dass dem auch nachgegangen wird“, sagte der Gemeinde-Vorsitzende.
Auch Aziz Bozkurt, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Migration und Vielfalt in der SPD wies auf die Ergebnisse des NSU-Untersuchungsausschusses hin. Es fehle bis heute an unabhängigen Beschwerdestellen für polizeiliches Fehlverhalten auf Bundes- und Landesebene. „Wir unterstützen diese Forderung und wünschen uns, dass gerade SozialdemokratInnen in Verantwortung sich konsequent für eine Realisierung einsetzen.“
Gegenwind aus dem Innenministerium
Hintergrund der Debatte um Eskens Aussage ist der Tod des Schwarzen George Floyd in den USA bei einem brutalen Polizeieinsatz Ende Mai. Am vergangenen Wochenende hatte dies auch in zahlreichen deutschen Städten Proteste ausgelöst. Esken hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag) gesagt: „Auch in Deutschland gibt es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte, die durch Maßnahmen der Inneren Führung erkannt und bekämpft werden müssen.“
Die Aussage der SPD-Chefin war daraufhin von einigen Seiten kritisiert worden. Bei Horst Seehofer stieß der Vorwurf auf „abolutes Unverständnis“, auch die SPD-Landtagsfraktion in Niedersachsen wies die „Generalkritik an unserer Polizei sowie aufkeimende Unterstellungen, dass die Grundhaltung der Beamtinnen und Beamten von latentem Rassismus durchzogen sei (…) mit voller Überzeugung zurück.“
Unterdessen bekamen die Grünen-Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck für ihre Forderung, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen, Rückendeckung aus der SPD. Die stellvertretende Parteichefin Serpil Midyatli sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Der veraltete Begriff „Rasse“ hat im Grundgesetz nichts zu suchen, er muss aus Artikel 3 gestrichen werden. Es gibt keine Rassen, diese Klarheit wünsche ich mir auch in unserer deutschen Verfassung“, sagte sie. Midyatli sprach sich zudem dafür aus, den Kampf gegen Rassismus im Grundgesetz als Staatsziel zu verankern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis