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Debatte Vaterschaft in der KriseWenn Männer zu viel arbeiten

Kommentar von Thomas Gesterkamp

Warum tun sich manche junge Männer so schwer, Väter zu werden? Oft ist von Zeugungsstreik die Rede, doch die Männer scheitern an Strukturen der Arbeitswelt.

Bild: privat

Thomas Gesterkamp, Buchautor und Journalist in Köln, schreibt über Männer, Arbeit und Familie. Zuletzt erschienen "Die neuen Väter zwischen Kind und Karriere" (Herder 2007) und "Die Krise der Kerle"

(Lit, Neuauflage 2007).

Bertelsmann-Stiftung und Deutsches Jugendinstitut legen am Dienstag eine Untersuchung über den "schwierigen Weg junger Männer in die Vaterschaft" vor. Wieder kursieren vorwurfsvolle Schlagwörter wie "Zeugungsstreik" oder "Null Bock auf Familie", die den fehlenden Wunsch nach Nachwuchs beklagen. "Man kann ohne Kinder genauso glücklich leben", sagt fast die Hälfte der Befragten unter 45 Jahren; ein Drittel der Männer im Alter zwischen 25 und 59 ist kinderlos. Doch die frohe Bertelsmann-Botschaft folgt sogleich: Über 90 Prozent der jungen Männer wünschen sich Kinder! Der Studie nach wollen sie finanzieller Versorger sein und zugleich Verantwortung für Betreuung und Erziehung übernehmen.

Dass Wunsch und Wirklichkeit bei der Familiengründung weit auseinanderliegen, ist durch zahlreiche Expertisen belegt. Das Bonmot des Soziologen Ulrich Beck "Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre" ist ein Brüller auf jeder Frauentagung - und bewährter Textbaustein in den Reden von Familienministerinnen, der die angebliche Bewegungslosigkeit der Männer plakativ illustriert. Das Zitat stammt übrigens aus dem Buch "Risikogesellschaft" von 1986, ist also schon ein wenig angestaubt.

In Befragungen antworten Männer stets, Frau und Kinder seien ihnen das Wichtigste im Leben. In der Realität arbeiten sie wie bekloppt - nicht weil der Beruf so spaßig ist, sondern weil sie Geldverdienen als Beitrag zur Familie, als männliche Form der Sorge betrachten.

Es fehlt nicht an Forschung über Einstellungen, sondern an Forschung über Verhalten. Hier signalisiert die steigende Nutzung der Elternzeit durch Väter seit der Gesetzesnovelle 2007 erstmals eine wirkliche Veränderung. Diese müsste genauer untersucht werden, statt sich an den stets ähnlichen Ergebnissen von Umfragen abzuarbeiten.

Die hohe Akzeptanz der Papamonate bedeutet einen Kulturbruch in der geschlechterpolitischen Debatte. Sie liefert zudem den Beweis, dass Politik Verhalten beeinflussen oder gar steuern kann. Mit der Lohnersatzleistung tragen Männer zum Familieneinkommen bei, ohne ihre Versorgerrolle ganz aufzugeben. Über 100.000 junge Väter in Deutschland haben die Regelung bereits genutzt - allerdings waren 65 Prozent von ihnen nur acht oder neun Wochen in der Babypause. Dennoch merken sie jetzt, dass Kindererziehen nicht zwei Monate dauert, sondern zwanzig Jahre - wenn sie Pech haben, auch noch länger.

Die Elternzeit ist für Männer ein kurzes biografisches Zwischenspiel und bestenfalls die Einstiegsdroge. Dennoch rollt jetzt eine Welle der aktiven Väter auf jene Institutionen zu, mit denen Familien zu tun haben, wenn der Nachwuchs langsam größer wird. Bildungsstätten, Krippen, Kitas, Horte und Schulen treffen erstmals auf eine nennenswerte Masse von Männern, die andere Erfahrungen in der Säuglingszeit ihres Kindes gemacht haben als frühere Generationen. Hausfrauen-Wettbewerbe um den besten selbst gebackenen Kuchen; Lehrerinnen, die um Beistand durch eine "Vorlesemutter" für elf Uhr morgens bitten; Theateraufführungen am frühen Nachmittag, zu denen nur Muttis kommen, weil die Papis im Büro sind: All das wird zumindest in Großstädten bald Anekdote von gestern sein. Pädagogisch geht es darum, das geweckte männliche Interesse an bisher weiblich geprägten Welten aufzugreifen. Da genügt es nicht mehr, Väter zum kostengünstigen Streichen der Wände einzuspannen oder sie zum Grillexperten beim Schulfest zu ernennen, sonst aber zu ignorieren. Männer, die eine gewisse Zeit allein für ihr Kind verantwortlich waren, wollen beachtet und ernst genommen werden. Deshalb gehören schon in die Ausbildung der Erziehungsberufe Seminare und Bausteine, die sich mit Väterarbeit beschäftigen.

Parallel dazu erreicht die Welle der aktiven Väter die Unternehmen - und damit jene "ernste Arbeit, die den ganzen Mann ausfüllt", wie Kurt Tucholsky einst ironisch formulierte. Fakten setzen die Firmen dort unter Druck: Bei der Fraport AG zum Beispiel gingen nach Einführung der Papamonate im vergangenen Jahr plötzlich nicht mehr 3, sondern rund 50 männliche Mitarbeiter in die Elternzeit, was am Boden des Frankfurter Flughafens besonders in der sommerlichen Hochsaison unerwartete logistische Probleme aufwarf. Dennoch erweist sich die "familienfreundliche" Erwerbswelt, die die Beraterszene predigt, vielerorts als Mogelpackung.

So gibt es eine Reihe von großen wie kleinen Unternehmen, die Eltern (oder auch Mitarbeitern, die ältere Angehörige pflegen) entgegenkommen. Sie wollen mit einer "familienbewussten" Personalstrategie vorausschauend dem Fachkräftemangel begegnen. Vor allem qualifizierte Mitarbeiterinnen möchten die Firmen nicht verlieren. Sie machen ihnen Angebote in Form mehr oder weniger attraktiver Teilzeitstellen. "Väterfreundlichkeit" ist deutlich weniger verbreitet: Männer sollen voll einsatzfähig sein, Frauen gesteht man eine "Muttiecke" zu - aus der heraus eine Karriere allerdings schwierig wird.

Zwar schreibt die Wirtschaftspresse über "Work-Life-Balance", weil die Personaler das Umdenken bei Teilen ihrer Belegschaft spüren. Der umworbene männliche Nachwuchs erwartet nicht nur schicke Dienstwagen, sondern auch betriebliche Angebote zur Vereinbarkeit für Väter. Aber nur wenige Firmen haben überzeugende Konzepte vorgelegt, die Beschäftigte mit Fürsorgeaufgaben entlasten. Diese Vorzeigebeispiele prägen jedoch den öffentlichen Diskurs auf Tagungen, in Wettbewerben oder Zertifizierungsverfahren. Sie erwecken den Eindruck, es handele sich um einen allgemeinen Trend. Von den fröhlichen Werbeprospekten unberührt dominiert eine traditionelle Betriebskultur, die durch geringe Zeitsouveränität, regelmäßige Überstunden und Anwesenheitspflicht geprägt ist. Die Flexibilisierung im Firmeninteresse deckt sich nicht mit den Wünschen der Eltern. Die Ausweitung von Servicezeiten und der Trend zur 24-Stunden-Ökonomie verhindern ein gelungenes Gleichgewicht.

Die Bertelsmann-Stiftung sollte ihre üppigen Fördergelder darauf verwenden, die praktische Umsetzung familien- und väterbewusster Strukturen in deutschen Betrieben zu erforschen - statt ständig die alarmistische Demografiedebatte anzuheizen und die (seit 30 Jahren stabile) Geburtenrate in Deutschland anzuprangern. Die jungen Kerle hocken im Hotel Mama und sind im Zeugungsstreik? Warum wohl? Die Unternehmen bieten für Berufsanfänger prekäre oder befristete Beschäftigung - und erwarten ständige Verfügbarkeit, sobald potenzielle Väter einen festen Job bekommen haben. Die Betriebe sind es in erster Linie, die "Wege in die Vaterschaft" blockieren. Firmenlüge Familienfreundlichkeit: Die wolkige Rhetorik ist nur die Tünche, die die Realität einer "weitgehenden Verhaltensstarre" (hier ist der Begriff von Ulrich Beck angebracht) in der Wirtschaft verdeckt.

THOMAS GESTERKAMP

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8 Kommentare

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  • C
    chris

    Ich bin auch in den Zeugungsstreik getreten und werde niemals in Deutschland heiraten und keinen Kinderwunsch haben, weil das Unrecht an Männer und Kinder vorprogrammiert ist. Frauen bekommen Geld, Kind und Macht nach der Scheidung zugesprochen und Männer werden zu rechtlosen Unterhaltssklaven degradiert, es ist ein Verbrechen was an Männer und Kinder verübt wird! Bei Vafk könnt ihr nachlesen, was tägliches Leid in Deutschland verübt wird. Im Familienministerium wird nicht mal das Wort Männer aufgeführt, ist praktisch ein Ministerium für Alle ausser Männer. Es haben sich auch schon Männerrechtler wie Manndat und Männerpartei gegründet. Mehr Infos unter dem Stichwort "Gleichberechtigung" findet ihr im Internet.

  • M
    Michael

    @Stanne

    Ein sehr konstruktiver Beitrag in der Diskussion um von Vätern entfremdete Kinder, um Unterhaltsschmotzerei und Selbstbestimmtheit und Gerechtigkeit für 50% der Bevölkerung.

     

    Ich möchte doch darum bitten dass sie vom Fortpflanzungsziel zurücktreten. Tun sie der Menschheit und ihren eigenen Kindern (könnte ja ein Sohn drunter sein) einen Gefallen.

  • S
    stanne

    wahnsinn wie viele eindeutig frauenfeindlichen kommentare so eine abhandlung zur vereinbarkeit von vaterschaft und beruf so hervorruft. mit sowas möchte ich mich tatsächlich nicht fortpflanzen...

  • TB
    Thomas Breitscheid

    Hallo, liebe taz.

    Warum ich (30, promoviert) keine Familie, keine Kinder haben moechte?

    Das sage ich euch, ganz direkt und ungefiltert.

     

    Weil ich mich nicht zum Unterhaltszahl-Clown

    machen lassen moechte!

    Ehe und Familie sind ein rational nicht

    vertretbares oekonomisches Risiko fuer jeden

    Mann in niedrigen bis mittleren Einkommensverhaeltnissen.

    Ehe und Kind wurden in Deutschland zum Herrschafts- und Kontrollinstrument ueber die Maenner umfunktioniert.

    Seit die Schmidt den heimlichen Vaterschaftstest

    mit bis zu zwei Jahren Knast bestrafen wollte,

    habe ich die Schnauze endgueltig voll.

     

    Das ist insbesondere auch das Verdienst von

    euch und der ganzen politisch-korrekt gleichgeschalteten Medienwelt, liebe taz.

     

    Ich komme ganz frisch von einer weltberuehmten Uni

    an der Ostkueste an der USA. Lasst euch gesagt sein, die direkte und indirekte Diskriminierung

    von Maennern waere dort undenkbar. Die Amerikaner sind beim Thema ´Diskriminierung´ extrem sensibel

    und konsequenterweise ist es illegal jemandem wegen seines Geschlechtes, Alters etc.

    zu benachteiligen oder zu beguenstigen.

    Aus diesem Grund spielt das Thema ´Gender´ dort in der oeffentlichen Diskussion praktisch keine Rolle, entgegen dem was hier in den deutschen Medien immer wieder behauptet wird.

  • DN
    Detlef Naumann

    Im letzten Absatz findet Herr Gersterkamp nun endlich einen wahren Grund, warum es mit den Vätern in Deutschland so schlecht bestellt ist. Deutschland und auch die Bertelsmann Stiftung analysiert noch immer die AUswirkung auf die Bevölkerungsentwicklung und nicht die Ursachen für die wenigen jungen Väter.

     

    Vielleicht hat es sich mittlerweile herumgesprochen, dass Väter lieber als Finanzier gesehen werden. Vielleicht ist es auch in das Bewußtsein der Männer gerückt, dass einem Vater nur 900€ bleiben, wenn es mit der Liebe nicht klappt. Und ob der Vater, dann noch der Vater sein kann, mit seinen Kindern Leid und Freude teilen kann, das ist eher nicht vorgesehen.

     

    Alle 14 Tage mal zu Besuch ist die Realität von einem Drittel der Väter und Kinder. Vielleicht! Oder vielleicht auch nur ein paar Stunden unter Aufsicht.

     

    Aber das Herr Gersterkamp nicht am Puls der Zeit arbeitet, das haben seine Äußerungen auf verschiedenen Veranstaltungen zum Thema "Vater sein" gezeit. Solange die Justiz nicht den Inhalt unserer Gesetze umsetzt, den Kontakt schützt, die Gleichberechtigung auch für Männer sieht, so lange werden Männer lieber keine Väter.

     

    Hamburg, 27.10.2008

    Detlef Naumann

  • E
    elternteil

    Passend dazu fragen Formulare - und zeigen "Urkunden" - zu Vaterschaftsanerkennung und Sorgerecht ausschliesslich nach dem Beruf des Vaters. Was die Mutter macht(e), ist wurscht.

    Da wird der Gang zum Amt gleich noch fröhlicher..

  • C
    Comment

    Gottchen, nee!

     

    Sollten dem Herrn Gesterkamp etwa die ausgiebigen und durchaus fundierten Protestkommentare zu seinen vorigen Ausdünstungen sauer aufgestoßen sein?

    Wohl kaum, sitzt er doch in der selben Redaktion, schreibt für das selbe Propaganda-Magazin und verbreitet noch immer Halbwahrheiten - nur der Abwechslung halber einmal weichgespült und mit versönlichem Anstrich.

     

    Nicht etwa die Tatsachen, dass Gesellschaftspolitik, ihre mediale Verbreitung und mittlerweile auch die Familienrechtsprechung durchweg durch Frauen zu verantworten sind - wäre ja wie sägen am eigenen Ast.

     

    Da lässt sich der Herr Gesterkamp lieber wieder von seiner Cheffin die Narrenkappe aufsetzen und mit Torten bewerfen, weil dies das eigene Einkommen sichert und es ja ein "Mann" ist, der da eine "versönlich Botschaft" zu verkünden hat.

     

    Sehr geehrte Frau Mika,

     

    feuern Sie ihn bitte trotzdem oder gerade deshalb, weil ihm ohnehin nichts mehr zu gelingen vermag.

    Geben Sie ihrem Pudel das verdiente Gnadenbrot, laasen ihn vielleicht mal Kreuzwoträtsel kreieren und wir hätten wenigstens wieder klare Verhältnisse.

     

    Mit freundlichem Gruß

  • S
    saalbert

    Mit Verlaub: Männer werden nicht Väter, sondern Vater.