piwik no script img

Debatte RüstungKampfdrohnen der Zukunft

Kommentar von Niklas Schörnig

Bewaffnete Drohnen sind Teil einer radikalen Veränderung des Militärischen. Die meisten Befürworter unterschätzen das dramatisch.

US-Soldaten bestücken eine Drohne. Bild: dpa

D ie Debatte über „bewaffnungsfähige“ Drohnen hat mit dem klaren Ja zur Beschaffung von Verteidigungsministerin von der Leyen vor dem Bundestag am vergangenen Mittwoch einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Alles ging plötzlich sehr schnell. Nur zwei Tage zuvor hatte der Verteidigungsausschuss zum ersten Mal Experten – darunter auch mich – in eine öffentliche Sitzung eingeladen, um Argumente zu hören und zu bewerten.

Überraschungen gab es dort nicht: Befürworter verwiesen auf den Schutz eigener Soldatinnen und Soldaten, „Gegner“ auf ethische und vor allem sicherheitspolitische Argumente. Deutlich wurde allerdings, dass bewaffnete Drohnen an sich mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar sind, was aber nicht für spezifische Einsätze, zum Beispiel die gezielten Tötungen der USA in Pakistan, dem Jemen oder Somalia, gelten muss.

Als Kritiker muss man anerkennen, dass das Argument „Schutz“ gerade in einer Demokratie ein enormes Gewicht hat. Wer auf Anordnung des Staates sein Leben riskiert – seien es Soldatinnen und Soldaten, Polizistinnen und Polizisten oder Feuerwehrleute – hat das Recht auf einen angemessenen Schutz. Wenn sich im Bundestag Mehrheiten für gefährliche Kampfeinsätze der Bundeswehr finden, ist es schwer, gleichzeitig bestimmte Waffensysteme vorzuenthalten – zumindest, wenn sie plausibel einen verbesserten Schutz versprechen. Dies gilt bei Drohnen für die sogenannte Luftnahunterstützung, also wenn eine Patrouille in einem gefährdeten Gebiet von einer Kampfdrohne begleitet wird, um bei einem Hinterhalt eine sofortige Gegenwehr zu ermöglichen.

Niklas Schörnig

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Er war geladener Experte in der öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses des Bundestags zu bewaffneten Drohnen.

Allerdings ist mit dem Schutzargument, entgegen dem Wunsch vieler Befürworter, längst nicht alles gesagt. Denn erstens ist perfekter Schutz eine Illusion, ein Restrisiko bleibt unvermeidbar. Zweitens kann man mit diesem Argument im Prinzip jedes Waffensystem rechtfertigen, wenn man Überlegenheit und Schutz gleichsetzt.

Nur Schutz oder schon Einsatz?

Drittens sperren sich Militärs, reinen „Schutz“ von offensiven Maßnahmen zu trennen. Das schürt Bedenken. Viertens müssen auch Schattenseiten berücksichtigt und politisch abgewogen werden. Relevante Fragen sind: Ermöglichen bewaffnete Drohnen neue Offensivoptionen? Welche Auswirkungen haben Drohneneinsätze auf die lokale Bevölkerung? Greift der Gegner als Reaktion auf immer asymmetrischere Methoden zurück, zum Beispiel Terroranschläge im Entsendeland? Wie ist mit der rasanten Verbreitung von Drohnen umzugehen? Inzwischen besitzen über 80 Staaten Drohnen, ein Viertel davon, so von der Leyen, auch bewaffnungsfähige Varianten. Das kann zu einer erheblichen Destabilisierung hochgerüsteter Regionen führen. Und sinkt nicht die politische Hemmschwelle zum Einsatz, wenn das Risiko, in weit entfernten Ländern getötete Soldatinnen und Soldaten gegenüber Wählerinnen und Wählern legitimieren zu müssen, deutlich geringer wird?

Besonders alarmierend ist, dass die Kampfdrohnen der Zukunft immer leistungsfähiger werden. Unterliegt kein Mensch im Cockpit mehr den Fliehkräften bei extremen Flugmanövern, sind neue Designs und Manöver möglich, die bemannte Kampfjets in Zukunft um ein Vielfaches übertreffen werden. Ein Blick auf die Zeichenbretter der Industrie verrät: Zukünftige Drohnen sind für den „umkämpften Luftraum“, in letzter Konsequenz also für Staatenkriege, ausgelegt. Das gilt für aktuelle Modelle noch nicht.

Dann scheidet aber die bislang praktizierte Fernsteuerung vom Boden aus. Das Steuersignal zwischen „Pilot“ und Drohne braucht über Satellit circa eine bis zwei Sekunden. Das ist im „umkämpften Luftraum“ zu lange. Computer an Bord werden immer mehr „Entscheidungen“ automatisiert oder gar autonom treffen – bis hin zum Waffeneinsatz, der Entscheidung über Leben und Tod. Das wirft ganz neue ethische und rechtliche Fragen auf.

Und: Die Bewaffnung unbemannter Luftfahrzeuge ist nur der Anfang. Die Frage, ob neben Drohnen nicht auch unbemannte Kampfpanzer oder Kampfschiffe bewaffnet werden und dann auch autonom agieren sollen, wird sich in absehbarer Zeit stellen. Bewaffnete Drohnen sind nur der sichtbarste Teil einer radikalen Veränderung des Militärischen. Dies wird von den meisten Befürwortern dramatisch unterschätzt.

Die Vorteile einer Ächtung

Das Beste wäre, Deutschland würde angesichts der absehbaren Gefahren auf Kampfdrohnen verzichten und sich aktiv für ihre internationale Ächtung einsetzen, die dann auch auf andere Systeme ausgeweitet werden könnte. Es ist aber unrealistisch, auf eine Ächtung zu hoffen.

Die Verbreitung dieser Systeme hat an Fahrt gewonnen, zu groß sind die militärischen Verlockungen. Das schlechteste Szenario hingegen wäre es, wenn Deutschland bewaffnungsfähige Drohnen beschafft und gleichzeitig Anstrengungen unterließe, die genannten Gefahren mit den Mitteln der Rüstungskontrolle zumindest einzuhegen. Vor allem das Hineinrutschen in „letale autonome Waffensysteme“ muss unter allen Umständen vermieden werden. Daraus ergibt sich folgende Forderung: Wenn keine Chance auf umfassende Ächtung mehr besteht, muss eine verantwortungsbewusste Bundesregierung die Bedenken der Kritiker zumindest aufgreifen und das gesamte deutsche rüstungskontrollpolitische Gewicht einsetzen, um schlimmste Gefahren abzuwenden. Dazu gehört neben glasklaren Einsatzregeln, die offensive Einsätze ausschließen, auch bestehende Exportkontrollregime zu stärken, auf internationale Begrenzungen, etwa für Reichweite oder Zuladung, zu drängen, bestimmte Einsatzformen zu ächten und vor allem die vollständige Autonomie zu verhindern.

Im Bundestag sprach sich von der Leyen explizit gegen letale autonome Waffensysteme aus. Solche Systeme waren im Mai dieses Jahres in Genf bereits Thema eines Expertentreffens im Rahmen der UN-Waffenkonferenz, im November gehen die Beratungen einer möglichen Einsatzächtung weiter. Dann hat das Verteidigungsministerium die Möglichkeit zu zeigen, wie ernst es die Bedenken der Kritiker nimmt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Kriege werden gewonnen, in dem eine Seite die andere niederingt. Das ging nur mit vielen Toten, Verletzten und viel Leid. Drohnen ändern daran gar nichts. Sie machen den Krieg nicht anders - sie versprechen einen sauberen, risikolosen Krieg - für den Angreifer. Auf Seiten der Opfer wird sich durch sie nichts ändern.

     

    Im Jemen, in Pakistan und in Somalia haben Drohnen an den Grundkomponenten des Kriegs, des Leids gar nichts geändert. Wie viele Unschuldige bei Drohnenangriffen gestorben sind, wissen wir gar nicht. Wahrscheinlich sind etliche Zivilisten, viele Frauen und Kinder bei diesen Angriffen gestorben - die Zielauswahl einer Drohne veführt dazu, die Opfer/Gruppen dort zu treffen, wo sie sich geborgen fühlen - bei ihren Familien, in ihren Heimatdörfern. Damit sie dort wirklich erledigt werden, muss schon eine ganze Menge Sprengkraft daher kommen - das sind alles Faktoren, die den Blutzoll erhöhen.

     

    Wer für Drohnen ist, der will, dass Menschen sterben - das ist die einfache Losung. Wenn die Shabab, die Taliban oder die Gihadisten mit Drohnen angegriffen werden, hat sich das Problem, was hinter solchen Kräften steht, nicht erledigt.

     

    In Nord-Pakistan haben Drohnen ein Klimma der Angst geschaffen, also Voraussetzungen, die eher den Taliban in die Hände spielen, als umgekehrt. Deutschland sollte diese Technologie verurteilen, sollte sie auf keinen Fall bauen, entwickeln oder fördern. Und Deutschland braucht keine Drohnen - sollte deren Einsatz irgendwo notwendig werden, könnten die USA über die NATO diese Waffen bereit stellen. Ich empfinde diese ganze 'Debatte' ziemlich erschreckend, zumal jede Waffenentwicklung und -produktion einen hohen Preis mit sich bring. Was man hier macht, kann man im zivilen Bereich nicht tun.

    • @Andreas_2020:

      Hitler und Pol Pot wurden nicht mit guten Worten aus dem Amt getrieben. Kony und Al-Shabaab reagieren nur auf Gewalt, ob das jetzt Drohnen sind, oder ob Menschen ihren Körper als Soldaten zur Verfügung stellen müssen. Ich denke, man sollte die Soldaten schonen. Die Videoaufnahmen der Apache-Hubschrauber im Internet sind sehr genau. Ich denke, man kann da viel erkennen, wenn es auch Unfälle gab, aber wieso rennen auch Leute mit Kalaschnikow-großen Kameras in Horden durch Bagdad? Das ist genauso, - wenn man von geklauten Tanklastern nachts das Benzin klaut, Benzin für die Regierung. Da kann immer was passieren. Ich erinnere an die angeschossene pakistanische Schülerin, an die Infibulation aller somalischen Frauen. Diese Verhältnisse werden von Extremisten verstärkt oder zementiert.

      • @Gabriel Renoir:

        Und was hat der Einsatz von Drohnen im Jemen, Pakistan und Afghanistan geändert? Sind die Zustände dort durch die Drohnen besser geworden?

  • Ich übersetzte seit 4 Jahren berichten über US- Killerdrohnen in Afghanistan, Pakistan, Jemen und überall wo die USA ihre Demokratie verbreitet. Ich kann mich auf die genauen Zahlen nicht erinnern aber stehen: für einem angeblichen Terroristen müssen 40/50 Zivilisten daran glauben. Die Menschen in den Gegenden wo die US-Killerdrohnen eingesetzt werden sind traumatisiert und viele haben, wie in Afghanistan ihre Häuser verlassen, und jetzt leben in Slums außerhalb Kabul.

    mundderwahrheit

  • Yay, autonome Kampfroboter! What could possibly go wrong?

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Was wäre denn die Alternative, Bajonette ausgeben und die Sache Auge in Auge ausfechten?

    Wahrscheinlich hat schon der erste Keulenträger "Unfair!" gerufen als die Gegenseite mit Bögen auftauchte.

  • So wie eine Gesellschaft aussieht, führt sie auch ihre Kriege.

    Wenn meine Arbeit und mein Leben von digital gesteuerten, automatisierten Maschinensystemen beherrscht wird, brauche ich mich nicht zu wundern, dass auch der Krieg nichts anderes tut. Der Einsatz digital gesteuerter, automatischer Waffensysteme wird zur unabdingbaren Notwendigkeit dafür, eine Krieg siegreich führen zu können.

    Die Polizeidrohne beobachtet und steuert mein Verhalten, die Kampfdrohne bringt mir den Tod. Beide tun das autonom, wie das Steuerungsprogramm es ihnen vorgeschrieben hat. So einfach ist das.

     

    Die Frage kann doch nur sein, welche Abwehr gibt es dagegen.

    Gibt es keine, bringen diese Dinge mich um oder versklaven mich, groß fragen werden sie mich nicht, ob mir das gefällt. Aber für manche scheint das ja eine Überraschung zu sein, dass es in der Welt so läuft.

  • Gibt es einen gerechten Krieg? ZB Gegen Pol Pot, Hitler? Gegen Kony? Gegen Al-Shabaab? Wenn man die Frage mit Ja beantwortet, kann man auch Drohnen akzeptieren. Das Problem ist, dass es viele unnötige Kriege gab oder gibt. Zum Beispiel der Krieg im Süd-Sudan.

  • Für mich ist die weltweite Aufrüstung mit Drohnen ein Indiz dafür, dass die Herrschaft der Maschinen über die Menschen begonnen hat. Die Art der Diskussion, der Beschlussfassung und der Beschaffung trägt längst die Züge mechanischer Automatismen, wo sie doch vordringlich menschengerecht sein müßte. Wer Zweifel hat und äußert, kriegt die alte Sachzwangkeule um die Ohren gehauen.

    Waffensysteme begründen neue Waffensysteme und neue Waffensysteme begründen immer neue Einsätze. Von autonomen menschlichen Entscheidungen kann man nicht mehr und sollte man da nicht mehr reden. Die Bundeswehr macht sich mit diesen Waffen nach und nach zur Angriffsarmee. Damit werden Feinde auf den Plan gerufen, die gestern noch Freunde waren. Welcher Mensch hat hier in Deutschland daran ein Interesse?

     

    Insgesamt gesehen sind die Erfahrungen mit der Ächtung bestimmter Kampfmittel bislang positiv. Es macht daher durchaus Sinn, eine weltweite Ächtung von Kampfdrohnen nachdrücklich anzustreben.

    Ich kann den Abgeordneten im Bundestag nur dringend raten, gegen den Einsatz solcher Waffen durch die Bundeswehr zu stimmen und sich aktiv für eine Ächtung dieser Waffen einzusetzen. Sie öffnen sonst heute eine Büchse, auf die man morgen keinen Deckel mehr kriegt.

  • Wenn eine internationale Ächtung von Drohnen sowieso unrealistisch ist, wozu sollen wir uns dann dafür einsetzen? Weil Lippenbekenntnise das Gewissen beruhigen?

    • @Jogi Bär:

      Ich unterscheide zwischen aktuellen (ferngesteuerten) und zukünftigen (autonomen) Kampfdrohnen. Bei letzteren besteht m.E. noch die Chance auf Ächtung. Deshalb dafür einsetzen. Ansonsten vielen Dank für das Lob!