piwik no script img

Debatte RentenreformGärtnern statt Wellnesshotel

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Gegen die Altersarmut hilft nur eine Solidarrente. Dafür ist eine Umverteilung von reichen zu armen Senioren nötig, nicht von Jung zu Alt.

Gärtnern ist ja schön und gut, aber dann im eigenen Garten und nicht für andere Leute Foto: dpa

D ie Petition Nummer 67784 auf der Website des Bundestages warf eine wichtige Frage auf: Wäre es nicht gerecht, das Rentenalter nach Beruf zu staffeln? „Man muss per Gesetz eine Liste führen mit Berufsbereichen, wie zum Beispiel öffentlicher Dienst, Dachdecker, Bauarbeiter und so weiter, die ab 60 Jahren in Rente gehen dürfen“, schlug die Petentin vor und löste eine Diskussion im Online-Forum aus. „Cyberjogi“ fand, eine Berufseinstufung nach körperlicher Belastung sei im Einzelfall schwierig. „Wenn zum Beispiel ein ‚Bürojob‘ im Altbau eines Kleinbetriebes beinhaltet, dass man ständig Akten oder Büromaschinen über steile Treppen aus Keller oder Dachboden holt und zurückschleppt, kann das sehr wohl dem Verschleiß ‚harter Körperarbeit‘ entsprechen.“

Wer soll wann und mit wie viel Geld in Rente gehen dürfen, sodass es gerecht zugeht? Die Frage beschäftigt nicht nur Petenten in Diskussionsforen. Die Debatte nimmt Fahrt auf, seitdem Demografen errechneten, dass das Rentenniveau in einigen Jahrzehnten so weit absacken könnte, dass ErzieherInnen trotz lebenslanger Schufterei nur noch eine Rente in Höhe von Hartz IV bekommen.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) versucht gegenzusteuern. Sie legte jetzt ein Konzept zur Alterssicherung vor, mit dem das Rentenniveau nur noch wenig sinken soll und Niedrigverdiener unter bestimmten Bedingungen später einen Zuschuss zur Rente erhalten. Nahles will zudem einen „Demografiezuschuss“ schaffen, eine Art „Soli“ für die Rente aus Steuermitteln. Das Konzept hat Nachteile – es zeigt aber, wohin sich die Alterssicherung entwickeln könnte.

Die bisherigen Reparaturvorschläge jedenfalls hatten ihre Tücken: Würde man zum Beispiel tatsächlich die Beamten in das reguläre Rentensystem einbeziehen, wäre kurzfristig wenig gewonnen. Denn erst einmal würden Verwaltungen enorm belastet, weil sie hohe Beiträge in die Rentenversicherung nachzahlen müssten. Darüber hinaus haben Beamte im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung als die Bevölkerung insgesamt und müssten entsprechend lange aus der Rentenkasse finanziert werden.

Mindestrente für alle

Zwingt man Selbstständige unterschiedslos in die Rentenkasse, so wäre auch das problematisch. Denn Kleinselbstständige warnen, dass sie nicht mal eben so einige hundert Euro monatlich abzweigen können. Das Problem der gesetzlichen Rente bleibt das demografische Ungleichgewicht. Wenn es künftig weniger Jüngere und mehr Ältere gibt, dann kann die Alterssicherung nicht mehr so stark wie bisher auf einem Umlageverfahren zwischen den Generationen beruhen. Deswegen ist das Konzept von Nahles auch differenziert zu beurteilen. Das Rentenniveau soll nach ihrem Vorschlag in 30 Jahren nur um vier Prozent sinken, der Rentenbeitrag aber um ein Drittel steigen. Das kann man den Jüngeren nicht zumuten. Der Generationenvertrag muss ergänzt werden.

Interessant ist daher der zweite Vorschlag von Nahles zur „Solidarrente“. Sie richtet sich an NiedrigverdienerInnen, die nur eine geringe gesetzliche Rente bekommen, aber 35 Jahre, ab dem Jahre 2023 sogar 40 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben müssen. „Kinderpausen“ sind dabei erlaubt. Die EinzahlerInnen sollen mit dem Zuschuss der „Solidarrente“ ein Mindesteinkommen haben, das um zehn Prozent höher liegt als die Grundsicherung, also Hartz IV. Das ist etwa eine Kaufkraft in Höhe von heute rund 850 Euro netto. Damit schafft Nahles eine Art Mindestrente für langjährig Versicherte und einen Einkommensabstand zu Leuten, die nie oder nur sehr wenig eingezahlt haben.

Die Solidarrente soll um zehn Prozent höher liegen als die Grundsicherung durch Hartz IV

Die Idee der steuerlich finanzierten „Solidarrente“ wirft aber neue Gerechtigkeitsfragen auf: Wie hoch muss die Wochenarbeitszeit all die Jahre gewesen sein, um in den Genuss dieser Mindestrente zu kommen? Und warum bekommen Menschen mit kürzerer Versicherungsdauer, aber vielleicht langer Ausbildungszeit, später keinen Zuschlag? Am Beispiel der „Solidarrente“ lässt sich erahnen, dass sich die Rentendebatte künftig um Fragen der Alterseinkommen drehen könnte, die etwas, aber nicht viel, höher ausfallen als Hartz IV.

Niemand kann jedoch heute schon sagen, wie sich die Lebensverhältnisse in 30 Jahren wirklich entwickelt haben. Vielleicht sind die Haushaltseinkommen der Älteren in einigen Jahrzehnten doch nicht so niedrig, weil heute meist beide Partner arbeiten, das schafft auskömmliche Doppelrenten. Möglicherweise ist die Erwerbstätigkeit für Ältere später auch ganz normal und in Deutschland sitzen wie in Japan 70-Jährige an Tankstellen, um sich etwas dazuzuverdienen. Vielleicht ist ein bescheidener Lebensstandard später auch verbreitet unter den Älteren. Die zu Unrecht verachtete Rentnerkultur früherer Jahrzehnte mit Gärtnern, Stricken, Singen, Wandern und dem bezahlbaren Vereinsleben bedeutete wenig Konsum, aber keine soziale Ausgrenzung.

Erben versus Minirentner

Möglicherweise aber sind diese Fantasien naiv und bei den Älteren werden sich die Abgründe zwischen Arm und Reich vertiefen. Jeder um die 60 Jahre kann das heute schon im Bekanntenkreis erleben – die Kluft zwischen den künftigen EmpfängerInnen von Minirenten oder Grundsicherung und den Vermögenden, den Erben, die im eigenen Häuschen wohnen.

Wenn sich das Alterselend ausbreitet, dann werden Steuermittel nötig sein, um Solidarrenten zu zahlen. Insofern hat Nahles recht, für die künftige Alterssicherung einen steuerfinanzierten „Demografiezuschuss“ zu erfinden.

Doch die Jüngeren dürfen mit diesem „Soli“ für die Alten nicht auch noch über Gebühr belastet werden. Daher verbietet sich eine Finanzierung über Einkommensteuern, die ja vor allem die Jüngeren zahlen. Es muss zu einer Verteilung auch innerhalb der Generation der Älteren kommen. Die Alten verdienen weniger, besitzen aber mehr als die Jüngeren. Die Rentendebatte ist ein Ansatz, wieder über Besitzsteuern nachzudenken. Ein „Soli“ für die Rente muss aus einer Steuer auf Vermögen und Erbschaften herrühren. Das wäre das Fairste. Die Rentenfrage stößt vielleicht in mittlerer Zukunft eine neue Verteilungsdebatte an. Dann, wenn die Altersarmut wirklich sichtbar wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • "Die zu Unrecht verachtete Rentnerkultur früherer Jahrzehnte mit Gärtnern, Stricken, Singen, Wandern und dem bezahlbaren Vereinsleben bedeutete wenig Konsum, aber keine soziale Ausgrenzung", da hat Barbara Dribbusch recht. Und genau da liegt das Problem dieser "Lösung".

     

    Weniger Konsum bedeutet nämlich auch weniger Ab- bzw. Umsatz, und weniger Umsatz bedeutet häufig weniger Gewinn. Einen Gewinnrückgang aber wird "die Wirtschaft" sicherlich nicht akzeptieren. Jedenfalls nicht, ohne zuvor so viel "Humanressourcen" einzusparen wie nur irgend möglich. Leider zahlen Industrieroboter keine Steuern. So wenig, wie Arbeitslose welche zahlen. Wenn Alte also wandern oder billig gärtnern, steht Vater Staat bald ohne Einkommenssteuer da.

     

    Nützt nichts: Die Grenzen des Wachstums lassen sich so nicht überwinden. Ich fürchte fast, das wird so lange ignoriert, bis wieder mal Revolte ist. Wobei dann wieder nicht die Alten auf die Barrikaden gehen werden, sondern die (arbeitslosen) Jungen. Und wenn der Staat dann nicht schon Drohnen für sich kämpfen lässt im Namen der Begüterten, die auch ein greiser General noch steuern (lassen) kann von den verbliebenen SoldatInnen, könnte das durchaus ungemütlich werden. Auch für die, die sich heute noch ganz sicher fühlen mit Blick auf ihr privates Eigentum.

     

    Da wächst mal wieder eine Blase fürchte ich. Die Entscheider spekulieren darauf, dass sie bis zum Schluss maximal profitieren können von der Fahrt auf den Abgrund zu – und kurz vor'm Knall noch sicher abspringen. Bisher hat das ja immer ziemlich gut geklappt.

     

    Wahrscheinlich fangen wir demnächst wieder bei Null an – wenn wir nicht sehr bald eine sehr viel solidarischere Gesellschaft schaffen. Und damit meine ich nicht, dass die armen Jungen die noch ärmeren Alten mitschleppen. Ich meine eine Gesellschaft, in der man alles seinem Staat vererben muss. Kind reicher Leute zu sein, ist schließlich kein Verdienst, für das man unbedingt belohnt gehört.

  • man man man...immer die gleiche Leier. Erst wird behauptet, als sei es ein Fakt, dass es in 30 Jahre so unglaublich mehr Ältere gibt als Junge, dabei sagt die Autorin selber ein paar Zeilen später: "Niemand kann jedoch heute schon sagen, wie sich die Lebensverhältnisse in 30 Jahren wirklich entwickelt haben"....das gilt aber selbstverständlich nicht für oberes, dieses steht fest. Zuwanderung, geburtenstarke Jahrgänge...so etwas exsistiert halt nicht.

     

    Dann wird mal wieder Jung gegen Alt ausgespielt (teile und herrsche) wobei völlig ausgeblendet wird, dass auch die Jungen dereinst davon profitieren werden und schon profitiert haben, denn wer hat denn dafür gesorgt, dass man in einer halbwegs zivilisierten Welt aufwachsen kann? Die grünen Männchen vom Mars?

     

    Selbstverständlich werden auch Lohn und Produktivitätssteigerungen komplett ausgeblendet. Dass die umlagefinanzierte Rente das einzige wirklich nachhaltige System ist, wird schlicht ignoriert, wie die Realität.

     

    Es geht ja auch nicht darum eine wirklich gute Rente zu schaffen, es geht schlicht darum den Versicherungen das Geld aus der umlagefinanzierte Rente in die Taschen zu schieben, was ja auch wunderbar funktioniert. Die Leidtragenden sind die Jungen, die länger arbeiten müssen und weniger Rente erhalten, wie auch die Alten, die mit der Rente nicht mehr auskommen. Also all die, die gegen einander gehetzt werden sollen, damit man nicht sieht wo wirklich das Problem liegt und wer die wahren Schuldigen sind.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Ein Feinjustieren durch Drehen versheidener Schräubchen wird auf Dauer nicht helfen.

     

    Klar ist, dass es mehr alte Menschen (Rentner) geben wird, die dann auch prozentual ein größeren Anteil der Bevölkerung ausmachen werden. Man kann jetzt an diese Fragestellung nicht mit der Gesamtkostenproblematik i.V.m. Beiträgen oder Steuern abhängig Beschäftigter rangehen. Vielmehr sollte man sich fragen a)trägt die erhöhte Leistungsfähigkeit der Wirtschaft (trotz z.B. weniger Beschäftigten) die erhöhten Ausgaben? b)wieviel (im Schnitt) vom Kuchen wollen wir jedem rentner zugestehen?

     

    So werden heutzutage ca. 25 Mio. renten ausbezahlt, davon 18 Mio Alterrenten. Wir haben über 21% der Bevölkerung über 65, also ca. 50% mehr wie etwa 1990 (ca 15%). Unser Anteil der Rentenausgaben am BIP hat sich aber mitnichten um 50% erhöht (http://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/150701_bosbach_.png). Würden wir heute nicht ca. 10%, sondern etwa 13-14% des BIP für Rente aufwenden, wären die restlichen 70-80% der Bevölkerung nicht schlechter dran und die 3-4% (BIP-Anteil wohlbemerkt, nicht Beitrag vom Lohn/Gehalt) für die Rente würden dann 90-120 Mrd jährlich *mehr* für die gesetzliche RV bedeuten.

  • Die effektivste Möglichkeit für eine ausgewogene Rente zu sorgen wäre die Einbindung des Einkommens aus Kapitalerträgen. Diese Einkommen werden zu meist durch Aktien von Firmen erwirtschaftet in denen Arbeiter den Gewinn generieren. Da über Jahrzehnte der Arbeitnehmer bei seinen Lohnforderungen dazu angehalten wurden auf angemessene Lohnerhöhungen zu verzichten um die Wirtschaft in der Globalisierung wettbewerbsfähiger zu machen.

    Da die niedrigen Löhne auch direkt Auswirkungen auf die Höhe der Renten hat, wär es nur Legitim diese Einkommen an den Rentenkosten zu beteiligen!

    Kein normaler Arbeiter ist heute in der Lage, die immer wieder geforderte Eigenleistung zur Rente, zu erbringen. Es gibt durch die Nullzinspolitik der EZB nicht ein einziges Geschäftsmodell, welches genug Ertrag zur Aufstockung der Rente einbringt.

    Da die Politik von A. Merkel sich jetzt bereits wieder gegen Steuererhöhungen auf Kapital und Reiche ausrichtet, wird absehbar keine Umverteilung generiert.

    Das heißt jetzt schon, das alle anfallenden finanziellen Ausgaben von der einkommenssteuerpflichtigen Mitte der Gesellschaft getragen werden müssen,

    zu Deutsch "Alles bleibt wie es ist" "Abgehängte bleiben Abgehängt"