Debatte Rechtspopulismus: Was die Trumps nach oben treibt
In den USA punktet Präsidentschaftskandidat Trump mit antidemokratischen Fantasien. Dass das klappt, ist gefährlicher als er selbst.
K ein Zweifel: Was sich vier Wochen vor dem Wahltermin in den USA zwischen dem republikanischen Kandidaten Donald Trump und der Demokratin Hillary Clinton abspielt, ist ein neuer Tiefpunkt der politischen Kultur in den USA. Vor allem aber: Was da passiert, ist mehr als nur eine Stilfrage.
Die zweite Fernsehdebatte zwischen Clinton und Trump am Sonntagabend hat das verdeutlicht. Trump kündigte an, als Präsident werde er einen Sonderermittler gegen Clinton einsetzen. Clinton entgegnete, es sei gut, dass jemand wie Trump nicht die Kontrolle über das Gesetz in den USA habe, worauf Trump einwarf: „Weil Sie dann im Gefängnis wären.“
Für Trump-Anhänger, die seit Monaten mit „Lock her up“-Rufen und „Hillary for prison“-T-Shirts seine Veranstaltungen befördern, dürfte das der beste Satz des Abends gewesen sein. Sie brachen im Saal spontan in Jubel aus.
Die öffentliche Ankündigung, nach einem Wahlsieg den politischen Gegner hinter Gitter bringen zu wollen, ist für die USA neu. Beunruhigend ist, dass sie nicht dazu führt, den Kandidaten zu disqualifizieren, im Gegenteil: Es sind genau diese Fantasien eines letztlich diktatorischen „Aufräumens mit der korrupten Elite“, die Trump überhaupt erst zum Kandidaten gemacht haben.
Kumpanei mit der Finanzwelt
Damit steht er freilich nicht allein. Die Figur Donald Trump mag etwas sehr US-Amerikanisches sein, der Aufstieg solcher Positionen ist es nicht. Das Verständnis von Demokratie als Wettstreit der politischen Positionen, als Kampf um Mehrheiten innerhalb eines institutionalisierten Rahmens, hat weltweit an Ansehen verloren.
Es ist für keine Demokratie ein Problem, wenn rechtskonservative oder nationalistische Parteien ihren Platz im Parteiengefüge beanspruchen. Das gehört sich so. Bedrohlich wird es, wenn sie mit autoritären Fantasien bis hin zur Aufforderung zur Gewalt mobilisieren oder sich davon zumindest nicht mehr abgrenzen. Trump macht beides.
Sicher, kleine, rechtsradikale Gruppierungen gehören zum politischen Spektrum in allen Demokratien westlichen Zuschnitts. Nie zuvor aber seit dem Ende des Nationalsozialismus scheinen so viele so vehement das demokratische Institutionensystem abzulehnen wie jetzt – ob nun in den USA oder in Europa.
Die Grundlagen für diese Ablehnung wurden in den 90er Jahren gelegt, als sich die Ideologie des Staatsrückzugs zugunsten der „Marktkräfte“ selbst in den recht fortschrittlichen Sozialstaaten Westeuropas festsetzte. In den USA regierte der Demokrat Bill Clinton – und die von ihm verantwortete Deregulierung der Finanzmärkte ermöglichte überhaupt erst viele der späteren Verwerfungen. In Deutschland verabschiedete eine rot-grüne Regierung die Agenda 2010.
Umgekehrter Mumpitz vom Haupt- und Nebenwiderspruch
Linke beklagten damals den Machtverlust des Politischen gegenüber den vermeintlichen Sachzwängen der Ökonomie. Das war insofern Quatsch, als es niemals wirklich um Sachzwänge ging, sondern immer um Interessen. Richtig aber war, dass die Politik, die repräsentative Demokratie, damals freiwillig die Funktion abgab, jenen Ausgleich sicherzustellen, der die Gesellschaften vor dem Auseinanderfallen bewahrt.
Der hart gegen konservative Traditionen und religiöse Institutionen erkämpfte gesellschaftliche Fortschritt im Bereich bürgerlicher Freiheits- und Minderheitenrechte geht zeitlich einher mit einem brutalen Rückschritt bei der Wohlstandsverteilung. Das ist, als habe sich der alte linkspatriarchale Mumpitz vom Haupt- und Nebenwiderspruch, mit dem die Frauenbewegung in ihre Schranken gewiesen wurde, in sein Gegenteil verkehrt.
Kein Wunder also, dass etwa das Wort vom angeblichen „Genderwahn“ weltweit fester Bestandteil rechtspopulistischer Diskurse ist und gerade bei sozial Abgehängten auf Resonanz stößt. Hillary Clinton vereint in ihrer Person genau das: Potenziell die erste Frau im Weißen Haus, stellt sie weibliche Selbstbestimmungsrechte, Gleichbehandlung und -bezahlung von Frauen in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes.
Und gleichzeitig steht sie, wie die am Freitag von Wikileaks veröffentlichten Auszüge aus ihren gutbezahlten Reden bei Goldmann Sachs dokumentieren, für eine Politik der Kumpanei mit der reichen Finanzelite.
Dumme Weiße kann man diskriminieren
Dass bei solchen Konstellationen plötzlich Rechtspopulisten erfolgreich „political correctness“ als Grund allen Übels anprangern können, muss nicht weiter überraschen. Wenn es die Linke weltweit nicht schafft, den Kampf für offene, tolerante Gesellschaften endlich mit dem für wirtschaftliche Umverteilung zu verbinden, überlässt sie das Feld dem rechten Populismus.
Der US-amerikanische Autor J. D. Vance hat mit seinem autobiografischen Buch „Hillbilly Elegy“ vor einigen Monaten eine anschauliche Beschreibung vorgelegt, wie wenig die gelebte Realität relevanter Gesellschaftsteile noch Eingang in den Diskurs der politischen Elite findet.
Schlimmer noch: Verarmte, bildungsferne Weiße sind inzwischen so ziemlich die Einzigen, die man diskriminieren darf, ohne medial geschlachtet zu werden. Keine Comedysendung kommt ohne herablassendes Sich-lustig-Machen über ungebildete Weiße aus, ob sie nun zu Trump-Veranstaltungen in den USA pilgern oder zur Pegida-Demo nach Dresden. Wundert sich jemand, dass sie gut finden, wenn einer sie mal ernst nimmt?
Angesichts des Erstarkens antidemokratischer Positionen schließen andere Parteien die Reihen. Das ist schön, darf aber nicht bedeuten, notwendige Systemkritik dem rassistischen und von „Harte Hand“-Fantasien durchsetzten Framing der Rechten zu überlassen.
Denn im Ergebnis stehen gerade jene, die auf eine zivilisierte demokratische Auseinandersetzung bestehen, als abgehobener Mainstream da, der unabhängig vom parteipolitischen Etikett unter einer Decke stecke – und Scharlatane wie Trump oder Rechtsradikale wie Orbán, Petry, Le Pen als die Einzigen, die die Sorgen des Volkes verstehen.
In Europa fällt Linken dazu meist Linkspopulismus als Antwort ein – was in der Regel nach hinten losgeht. Wie es anders gehen könnte, hat in den USA der linke Senator Bernie Sanders gezeigt. Er wäre vielleicht kein guter Präsident geworden, aber ein für die Entwicklung des politischen Denkens sehr viel besserer Kandidat.
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