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Debatte Netz-HetzeEin §130-Button, aber schnell!

Kommentar von Roberto De Lapuente

Facebook ist zum Tummelplatz für Rassisten geworden. Das Unternehmen muss gezwungen werden, Hasskommentare zu melden.

Facebook sollte gezwungen werden, aktiv gegen Hasskommentare vorzugehen Foto: dpa

W as einige Facebook-Nutzer mit Meinungsfreiheit verwechseln, hat die Grenzen der geschmacklichen Verträglichkeit längst gesprengt. Es ist keine Seltenheit, dass Kommentatoren beispielsweise die Wiedereröffnung von Konzentrationslagern fordern – für Flüchtlinge und Ausländer, damit „wir“ vor „Massenvergewaltigungen“ sicher seien. Als mich kürzlich wieder ein derartiger Text erreichte, versuchte ich, diese Attacke bei Facebook zu melden.

Dies erwies sich allerdings als schier unmöglich. Ich klickte mich durch etliche Fenster, ohne am Ende genau zu wissen, ob ich überhaupt den richtigen Beschwerdegrund ausgewählt hatte. Denn das standardisierte Verfahren erlaubt es nicht, jeden Einzelfall spezifisch zu beschreiben und die Bedenken mit eigenen Worten zu flankieren. Etwas explizit als Volksverhetzung zu deklarieren, ist leider auch nicht vorgesehen.

Während ich mich durchs Facebook-Labyrinth klickte, stieß ich immerhin parallel dazu auf eine Äußerung von Volker Kauder. In einem Interview hatte der Unions-Fraktionsvorsitzende gedroht, dass seine Geduld mit Facebook „jetzt zu Ende“ sei. Er schlug vor, dass man künftig die Social-Media-Dienste belangen sollte, wenn sie Volksverhetzung nicht vom Bildschirm tilgen.

Dieser Wunsch ist rasant Wirklichkeit geworden: Wie der Spiegel am Wochenende meldete, geht die Münchener Staatsanwaltschaft gegen Facebook vor. Dem Unternehmen wird Beihilfe zur Volksverhetzung vorgeworfen. Eine Liste von Fällen würde dokumentieren, dass Facebook selbst nach wiederholter Aufforderung gegen seine Pflicht verstoße, rechtswidrige Inhalte zu löschen. Allerdings ist ein ähnlicher Versuch der Hamburger Staatsanwaltschaft, das Netzwerk zu belangen, bereits gescheitert – weil die Facebook-Manager im Ausland sitzen.

Der Versuch, Facebook in die Verantwortung zu nehmen, ist zwar richtig, aber nicht ausreichend. Wenn man nur die Hass-Postings entfernt, dann werden die Hetzkommentatoren faktisch entmündigt. Es darf jedoch kein Lösungsansatz sein, dass ihre Verantwortlichkeit per schnellstmöglicher Löschung quasi weginfantilisiert wird. Dies wäre ein Schutzbrief für die Hetzer.

Kein Freibrief für Hetzkommentare

Roberto De Lapuente

hat vor vielen Jahren eine Lehre zum Industriemechaniker absolviert und danach länger in der Metallbranche gearbeitet. Jetzt lebt er als freier Publizist in Frankfurt. Seit 2008 betreibt er den Blog „ad ­sinistram“, der auch gelegentlich ­Hassmails erhält.

Gleiches gilt für den Vorschlag des Hamburger Justizsenators Till Steffen, der Facebook zwingen will, eine pauschale Entschädigung zu zahlen, wenn es Hass-Postings nicht binnen 24 Stunden löscht, nachdem eine Beschwerde eingegangen ist. Für die Hetzkommentatoren wäre das ein Freibrief, zumindest am ersten Tag äußern zu können, was sie wollen.

Wenn man nur die Postings entfernt, werden die Hetzkommentatoren faktisch entmündigt

Die vom Staat vermittelte Botschaft wäre dann, dass hetzerische Parolen in Ordnung sind, solange Facebook sie nur rechtzeitig aus der Welt befördert. Dies käme einer virtuellen Variante des deutschen Sprichworts „Aus den Augen, aus dem Sinn“ gleich. Überzeugte Volksverhetzer würde eine derartige Praxis wohl kaum beeindrucken. Sie könnten weiterhin in ihrem virtuellen Biotop wüten.

Auf diese Weise suggeriert der Staat ihnen und ihren Gefolgsleuten, dass Hass-Postings letztlich harmlos sind. Der Aufruf zur Gewalt gegen Geflüchtete würde wie ein Kavaliersdelikt behandelt. Die Leugnung des Holocaust würde auf eine Stufe gestellt mit den Bildern von nackten Brüsten, die Facebook jetzt schon akribisch entfernt.

Es wäre daher ein fatales und viel zu schwaches Signal, Facebook nur dazu zu verpflichten, volksverhetzende Kommentare zu löschen. Stattdessen müsste sicher gestellt werden, dass Hasskommentare angezeigt und strafrechtlich verfolgt werden können. Dies erfordert zwei Schritte.

Erstens: Facebook sollte gezwungen werden, die Meldung von Hasskommentaren durch andere Nutzer zu erleichtern. Am besten wäre es, wenn man gleich neben dem „Gefällt mir“-Button auch einen Volksverhetzungsbutton aktivieren könnte. Statt eines Daumens böte es sich aus naheliegenden Gründen an, ein „§130“-Icon zu verwenden, das auch die Möglichkeit bieten müsste, knapp zu beschreiben, was einen bedenklich stimmt. Bei Facebook hätten dann Rechtsexperten zu prüfen, ob die Vorwürfe zutreffen. Für einen Milliardenkonzern dürfte es bezahlbar sein, diese wenigen Stellen zu schaffen.

Zweitens: Bestätigen die Facebook-Justiziare, dass die Bedenken berechtigt sind, so sollte der gemeldete Text zwar von der Oberfläche verschwinden, aber anders als Kauder oder Steffen empfehlen, nicht komplett gelöscht werden. Stattdessen sollte Facebook diese Statements archivieren – und eine Meldepflicht sollte sicherstellen, dass das Netzwerk solche Postings an die Behörden übermittelt.

Pflicht zum Klarnamen

Dies wäre schließlich kein großer Aufwand: Einige Screenshots plus Klarnamen – und schon könnte die Justiz ihre Arbeit tun. So simpel diese Vorgehensweise klingt, sie würde allerdings eine der Metafragen um das Internet tangieren, die hoch umstritten sind: Soll es für alle Internetnutzer eine Pflicht zur Angabe des Klarnamen geben? Ich bin dafür: Wenn Bürger als mündige Subjekte auftreten wollen, müssen sie sich auch als konkrete Personen ihrer Verantwortung stellen können.

Die Meldepflicht an die Behörden sollte nur bei Postings mit volksverhetzendem Charakter gelten. Werden Privatpersonen angegriffen oder beleidigt, würden die Texte zwar auch von der Oberfläche getilgt und im Hintergrund archiviert, wenn Nutzer sich beschwert haben. Aber eine etwaige Anzeige müsste dann nicht von Facebook, sondern vom Beleidigten selbst ausgehen.

Facebook sollte den Opfern von Hasskommentaren jedoch hilfreich zur Seite stehen müssen. Das Unternehmen müsste also sein bereits installiertes Meldeverfahren überarbeiten – es müsste zu diesem Zweck auch besser sichtbar und einfacher zu nutzen sein.

Nacktbilder kann Facebook ja weiterhin unwiederbringlich löschen, wenn das Netzwerk dies als so wichtig empfindet. Aber für persönliche Angriffe und Menschenverachtung sollte dies nicht gelten. Es wäre ein fatales Zeichen, wenn niemand für seine Hass-Postings belangt werden könnte. Das Internet bliebe dann weiterhin ein Tummelplatz von Rassisten, die sich gegenseitig aufstacheln.

Wenn das aufhören soll, gibt es nur eine vernünftige Lösung: Ein §130-Button muss her.

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16 Kommentare

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  • Von Facebook zu verlangen Hasskommentare zu sperren geht für mich überhaupt nicht. Seit wann entscheiden privatwirtschaftliche Unternehmen und Interessen bei uns über Rechtsfragen. Es ist einzig und allein Sache der Exekutive zu ermitteln und Sache der Gerichte zu urteilen. Ein Button, der tatsächliche oder vermeintliche Verstöße meldet, so dass diese archiviert und den Ermittlungsbehörden übergeben werden können, ist für mich dagegen eine gute Möglichkeit. Aber es bleibt immer zu beachten, dass es hier nicht um Geschmacksfragen oder political correctness geht, sondern ausschliesslich um Recht und Gesetz.

  • Das Internet wird immer ein Ort sein, wo der Ursprung eines Posts einfach verschleiert werden kann. Eine Angabe des Klarnamens würde vielen Benutzern einen Anreiz geben, das zu tun. Das wäre zwar vermutlich grundsätzlich eine gute Entwicklung, aber leider nicht gewünscht.

    • @koppnicka:

      Sie alle haben die staatlichen Repressionsmethoden der 70er und 80er vollkommen vergessen, nicht wahr? Sie alle haben vergessen, warum das Recht auf Anonymität eigentlich ein sehr wichtiges Recht ist, nicht wahr? Fragen Sie doch einfach mal einen türkischen Oppositionellen, der kann Ihnen in Fragen zur Wichtigkeit von Anonymität aktuell weiterhelfen.

      Unfassbar wie kleinkariert diese Debatte hier abläuft.

      Und noch etwas nettes: Erdogan hat die Idee, missliebige Postings auf Facebook sperren zu lassen, übrigens von UNS übernommen.

  • Bei soviel spießigkeit und Angst vor Auseinandersetzung (Klarnamenpflicht ?!!) fällt mir echt nichts mehr ein.

  • Ich versteh ganz ehrlich nicht wo das Problem liegt man könnte ja einfach Facebook per IP-Sperre in Deutschland sperren lassen. Im Gegensatz zu China & Co. wäre die Sperre sogar vertretbar da sich ein Dienstleister(Facebook) bei einem deutschen Auftritt auch an deutsches Recht halten sollte.

    • 8G
      87203 (Profil gelöscht)
      @Klappstuhl:

      In China ist Sperre dann auch vertretbar, weil die Dinge gesperrt werden, die sich nicht an chinesisches Recht halten.

      • @87203 (Profil gelöscht):

        China kann man aber auch nicht mir der BRD vergleichen(siehe Rechtsstaat).

         

        Allerdings würde ich generell so verfahren.

         

        Google/Microsoft folgen nicht Datenschutzrecht? > blocked

         

        Facebook und CO kommen Löschung nicht nach? Entweder Facebook vor Gericht wegen volksverhetzung(schließlichwird es über sie verbreitet also: Stürmer 2.0) und zahlt für das Versäumnis oder > blocked

         

        wenn Facebook und Google erst verschwunden sind wird auch irgendeiner deren Platz einnehmen der sich an die Regeln hält.

         

        In anderen Ländern funktioniert das auch in China war der Druck auf Google sogar so hoch das es nun selber filtert nur um nicht gesperrt zu werden.

        • 8G
          87203 (Profil gelöscht)
          @Klappstuhl:

          Ich bin so froh, genuegend EDV Wissen zu besitzen um solche Barrieren zu umschiffen :)

          Wenn Sie gerne eine noch gesteuertere Wahrheit haben moechten, bittesehr; dann aber nicht jammern, wenn der sich die politische Windrichtung gegen ihre Ueberzeugungen richtet und sie zur verfolgten Spezies werden. Lasst die Leute doch schreiben,was sie wollen, sie entbloeden sich im Zweifel nur selbst. Diese Stroemungen gehen ja nicht weg, wenn man sie verscheucht, die suchen sich nur ein versteckteres Plaetzchen. Dann wird es viel schwieriger sie zu beobachten und zu ihre Motive zu erfahren.

           

          Die Argumentation, dass wir den ueberlegenen Rechtstaat haben, wird von vielen Chinesen wahrscheinlich nicht geteilt.

        • 8G
          87203 (Profil gelöscht)
          @Klappstuhl:

          Ich bin so froh, genuegend EDV Wissen zu besitzen um solche Barrieren zu umschiffen :)

          Wenn Sie gerne eine noch gesteuertere Wahrheit haben moechten, bittesehr; dann aber nicht jammern, wenn der sich die politische Windrichtung gegen ihre Ueberzeugungen richtet und sie zur verfolgten Spezies werden. Lasst die Leute doch schreiben,was sie wollen, sie entbloeden sich im Zweifel nur selbst. Diese Stroemungen gehen ja nicht weg, wenn man sie verscheucht, die suchen sich nur ein versteckteres Plaetzchen. Dann wird es viel schwieriger sie zu beobachten und zu ihre Motive zu erfahren.

          • @87203 (Profil gelöscht):

            @Murphy

             

            Natürlich kann jeder es umgehen ist aber auch unwichtig da es die Masse die zählt und den Druck aufbaut es sind schließlich ~80mio potenzielle Nutzer

             

            >was die gesteuerte wahrheit angeht, kein rechtsstaat etc.

             

            Wenn Sie sich beeilen und sofort einen Arzt aufsuchen gibt es vielleicht noch Hoffnung für Sie...

  • 8G
    87203 (Profil gelöscht)

    Ich bin kein Nutzer von Facebook, allerdings geht mir die Tendenz alles mit Verbieteris und Meldepflicht zu beantworten auf den Geist. Ich will die Leute sehen, die sowas schreiben und ich will das auch nicht geloescht haben.

    Ich will aber sehen wer darauf anspringt.

    Ich halte mich fuer schlau genug das richtig einzuordnen.

    Ich muss das nicht von Papa Staat machen lassen, ich strenge mein Hirn lieber selber an.

     

    Klarnamenpflicht erzeugt bei mir Brechreiz.

    Warum? Damit ueberwachung noch besser funktioniert?

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Facebook & Co sind für die Demokratie hochgefährliche Unternehmen. Sie zahlen keine oder nur marginale Steuern und sind juristisch kaum greifbar. Sie machen was sie wollen, solange es nur dem Profit dient. Die Regierung(en) sind machtlos. Würde tatsächlich mal der Versuch unternommen, etwa die Aktivitäten solcher Unternehmen einzustellen oder auch nur zu begrenzen, bräche ein Aufstand aus. Das kann sich keine Regierung leisten. Diese Unternehmen bestimmen offen und klar, wo es langgeht, zahlen nichts dafür und verhöhnen die Menschen und Regierungen. Das sind die ersten Ausläufer von Ceta und TTIP - mit diesen Abkommen werden solche Zustände zementiert und noch unangreifbarer gemacht.

  • von FB abmelden und bei der Nachfrage den Grund nennen ...

  • Die Dummheit der Menschen kann man nicht mit einem "button" bekämpfen. Und auch nicht mit Klarnamen und auch nicht mit der Bullizei.

  • "Ein §130-Button muss her."

     

    Au ja ! Und gleich daneben ein §80a-Button für die Kriegstreiber.

  • Ein sehr wichtiger Artikel mit guten Anregungen. Aber wieso muss man sich denn mit der Kritik anderer Vorschläge profilieren, wenn diese sich durchaus ergänzen können? Ich finde den Vorschlag von Till Steffen nach wie vor richtig, um auf der Durchsetzungsebene anzusetzen. Aber nur weil damit sichergestellt ist, dass die Löschung hetzerischer Postings nicht verschleppt wird, heißt es ja nicht, dass diese nicht auch mithilfe der vom Autor vorgeschlagenen Verpflichtungen im Nachgang verfolgt werden sollten. Für mich ergänzen sich hier viele wichtige Vorschläge zu einem sinnvollen und längst überfälligem Ganzen.