Arbeitsalltag von Social-Media-Teams: Keine Zeit für den Fascho-Check

Eine Limonadenfirma kriegt Stress, weil sie aus Versehen das Selfie einer Rechtsextremen freundlich kommentiert hat. Zu Recht? Oder zu hart?

Ein Glas Cola auf einer Kiste

Nicht alles, was braun ist, ist Cola Foto: photocase.de / daaarta

Social-Media-Redakteur*in möch­te man dieser Tage wirklich nicht sein. Rechte trollen in den Kommentarspalten und hinterlassen Wagenladungen an Hasskommentaren. Doch auch das Gegenteil ist möglich: Beifall von der falschen Seite. Das ist gerade dem Hamburger Limonadenhersteller Fritz-Kola passiert. Die Reaktion des Social-Media-Teams zeigt, wie es nicht laufen sollte – wirft aber auch grundlegende Fragen auf.

Ende Februar postete eine gewisse Melanie Dittmer ein Foto auf Instagram. Sie nuckelt mit aufgerissenen Augen an einer Fritz-Kola (zuckerfrei) und schreibt „Immer schön fritzen“. Das Problem: Die Frau ist verurteilte Volksverhetzerin mit rechtsextremer Biografie – und Anmelderin des Düsseldorfer Pegida-Ablegers „Dügida“. Unter ihrem Post: eine Fülle rechter und identitärer Hashtags, von „#identitäreaktion“ über „#heimat“ bis zu „#patrioholic“.

Fritz-Kola tritt als Alternative zum US-Konzern Coca Cola auf und setzt auf Nachhaltigkeit. Ein Trend, der nicht nur im alternativen Milieu gut ankommt – sondern auch bei Rechten, nach dem Motto: „Umweltschutz ist Heimatschutz“.

Der Instagram-Account von Fritz-Kola antwortete Dittmer daraufhin peinlicherweise: „… dann fritz mal ordentlich weiter. Wir wünschen vielviel Trinkvergnügen“. Was folgte, war ein Shitstorm gegen den Limonadenhersteller. Es hagelte empörte Kommentare, Beschimpfungen und Boykottaufrufe. „Ein weiterer Grund, diese Hipster-Pisse nicht zu unterstützen“, schreibt einer, „Nie wieder @fritzkola ab heute“ ein anderer.

Fritz-Kola bittet um Entschuldigung

Fritz-Kola reagierte am Mittwoch auf Facebook: „moin liebe fritz-freunde, kennt ihr melanie dittmer? dank euch kennen wir sie seit heute morgen“. Das Unternehmen erklärte, es wolle und könne „in keiner form sympathie oder verständnis“ für die rechte Bewegung aufbringen. Die Antwort sei verfasst worden, „ohne person, markierungen oder hintergrund ausreichend zu prüfen“. Fritz-Kola bittet um Entschuldigung; betont aber auch, dass Fehler bei der täglichen Fülle von Beiträgen passieren könnten.

Gehört es zu den grundlegenden Kompetenzen von Social-Media-Redakteur*innen, Mitglieder der rechten Szene zu erkennen? Hätte es erst mal genügt, Fritz-Kola einen freundlichen Hinweis zu schicken: „Übrigens, diese Frau wurde 2016 wegen Volksverhetzung verurteilt“ – und dann die Reaktion abzuwarten?

Es hagelte empörte Kommentare, Beschimpfungen und Boykottaufrufe. „Ein weiterer Grund, diese Hipster-Pisse nicht zu unterstützen“, schreibt einer

Wer in der Materie steckt, kennt Melanie Dittmer – den Bekanntheitsgrad einer Frauke Petry oder eines Holger Apfel hat sie aber nicht. Dass Social-Media-Redakteur*innen solche Personen trotzdem erkennen, wäre wünschenswert – aber wäre es auch umsetzbar? Schulungen? Namenslisten? Ein längerer Blick auf die Hashtags in Dittmers Post hätte gereicht, das ist richtig. Doch was ist mit weniger eindeutigen Fällen? Gerade in kleineren Unternehmen werden Kanäle wie Twitter, Facebook und Instagram entweder nebenbei bespielt, oder sie liegen in den Händen eines kleinen – meist überlasteten – Teams. Zeit, Namen zu googlen oder Profile zu überprüfen, bleibt da kaum.

Positivbeispiel BVG

Dass es auch anders geht, hat im Dezember das Kampagnenteam der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gezeigt – und damit Sympathiepunkte im Netz eingeheimst. Damals kommentierte die AfD Berlin ein Werbebild der BVG. Das zeigte die schwarz verhüllte Star-Wars-Figur Darth Vader am Ticketautomaten. Die AfD schrieb darüber, sie fordere ein Verbot der Vollverschleierung. Die BVG antwortete lapidar mit „Lassen Sie uns das im Nobelhart & Schmutzig besprechen“ – einem Berliner Sternerestaurant, dass kurz zuvor mit einem AfD-Hausverbot für Schlagzeilen gesorgt hatte.

Bloß darf man dabei nicht vergessen, dass die viel gerühmte Werbekampagne der BVG und der dazugehörige Social-Media-Auftritt in den Händen einer eigens engagierten Agentur liegen. Das heißt: Hier sitzen bestens geschulte und ausreichend ausgestattete Menschen den ganzen Tag am Rechner und haben nichts anderes zu tun, als witzig und schlagfertig zu sein. Und verdienen damit im Zweifel ein Heidengeld.

Social-Media-Teams kann man leicht kritisieren, wenn sie mal pfuschen. Letztlich ist kluges, informiertes Agieren im Netz aber auch immer eine Ressourcenfrage.

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