Debatte Manuela Schwesig: Wer, wenn nicht sie?
Der Auftakt von Manuela Schwesig war mühsam, ihre Positionen sind umstritten: Und doch setzte sich ihre Kompetenz durch.
W enn Manuela Schwesig am Samstag ihre politische Sommerreise beendet, wird sie durch die gesamte Republik gefahren sein. In Oberhausen wird sich die Familienministerin mit Müttern getroffen haben, die einen Migrationshintergrund haben und einen Job wollen. In Berlin wird sie in einer Moschee mit jungen Musliminnen und Muslimen geredet und in Rheinland-Pfalz ein Seniorenwohnprojekt und eine Kita besucht haben. Bis nach Baden-Württemberg wird sie gefahren sein, und von dort aus zurück nach Mecklenburg-Vorpommern. Eine große Tour. Wird sie sich am Ende gelohnt haben?
Die SPD-Politikerin fällt in der Gunst der Wähler gerade ab. Der aktuelle Deutschlandtrend von Infratest Dimap bescheinigt der Ministerin 38 Prozent Beliebtheit in der Bevölkerung, früher waren es mal 45 Prozent. Aber was sagt so eine Zahl schon aus? Ist sie nicht mehr als eine bloße Momentaufnahme?
Als die 40-Jährige vor zwei Jahren ihren Posten als Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern gegen den der Familien- und Frauenministerin in Berlin tauschte, war sie – außer im Norden – kaum bekannt. Keine besonders glückliche Startposition. Und es dauerte nicht lange, da wurde ihr der Titel „Küstenbarbie“ verliehen. Diffamierender geht es kaum.
Schwesig stand von Anfang an unter Druck. Die Politikerin gilt als unterkühlt und hölzern. Ihr werden keine allzu großen rhetorischen Fähigkeiten nachgesagt. Aus der Opposition kommen kritische Worte, obwohl Grüne und SPD in Zeiten rot-grüner Träume fest auf Schwesig gesetzt hatten. Selbst in ihrer eigenen Partei ist sie nicht unangefochten. Sie soll nicht allzu gut vernetzt sein im Berliner Betrieb und die Codes dort noch nicht gut genug beherrschen.
Sogar im eigenen Hause ist sie umstritten. Sie schotte sich im Ministerium ab, heißt es. Und sie gehe unfair mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um, selbst wenn diese private Schwierigkeiten hätten, beispielsweise durch einen Todesfall in der Familie. Schwesig regiere wie die „Schneekönigin“. Das alles sagt natürlich niemand offen – weder in der Partei noch im Familienministerin.
Journalistinnen und Journalisten ärgern sich hin und wieder, wenn Pressekonferenzen kurzfristig angesetzt werden oder so spät stattfinden, dass es redaktionell schwierig wird. Das alles mag unangenehm für diejenigen sein, die davon betroffen sind, und die mit der Ministerin zusammenarbeiten. Aber das ist irrelevant für das, was am Ende zählt. Und hier ist Schwesigs Bilanz alles andere als irrelevant.
Die Ministerin hat die Frauenquote durch- und das Elterngeld Plus auf den Weg gebracht. Sie hat die Familienarbeits- und die Familienpflegezeit angeschoben. Sie treibt den dringend benötigten Kitaausbau voran und will Regelungen wie ein Entgeltgleichheitsgesetz einführen. Das Prostituiertenschutzgesetz ist zwar ausgerechnet bei denen umstritten, denen damit geholfen werden soll, nämlich den SexarbeiterInnen. Dennoch: Das Gesetz ist fast durch. Manuela Schwesig hat sich dafür eingesetzt, dass der Besitz von Kinderpornografie stärker bestraft wird. Und selbst das Ende des Betreuungsgelds kann sie sich als Pluspunkt notieren, obgleich die Vorarbeit andere gemacht haben.
Schwesig als große Hoffnung
Als Schwesig noch Landesministerin in Schwerin war, galt sie als große Hoffnung in Sachen Familienpolitik. Wer, wenn nicht sie, ist prädestiniert dafür, dieses mittlerweile harte Politikfeld weiter zu pushen?
Zwar war es vor acht Jahren nicht die SPD, sondern die CDU, die die große Vereinbarkeitsdebatte in Gang gesetzt hatte. Damals stieß Ursula von der Leyen als Familienministerin den Kitaausbau und damit eine Debatte an, die heute einer der größten Aufreger ist. Dazu hat nicht unerheblich von der Leyens Nachfolgerin Kristina Schröder beigetragen. Sie war während ihrer Amtszeit höchst umstritten, weil sie im Verdacht stand, Probleme von Frauen und Familien nicht ernst genug zu nehmen.
Das sollte Schwesig ausbügeln. Das traute man ihr zu. Mehr Frauen in Jobs? Schon bald nach deren Elternzeit? Selbstverständlich. Noch mehr Kita- und Ganztagsplätze? Klar. Zusätzliche Hilfen für sozial benachteiligte Familien? Auf jeden Fall. Gleichen Lohn für gleiche Arbeit? Was denn sonst?
Schwesig wirkte glaubwürdig. Man nahm ihr ab, dass sie es ernst meinte mit jeder ihrer Forderungen. Selbst als sie zu Beginn ihrer Amtszeit drohte, sich lächerlich zu machen. Sie war gerade erst angekommen im Berliner Parlamentsalltag, da platzierte sie die Idee einer staatlich subventionierten 32-Stunde-Woche für Eltern: Mütter sollten mehr arbeiten und Väter weniger, beide etwa 32 Stunden in der Woche. Und weil Väter gemeinhin mehr arbeiten und dann einen Verdienstausfall hätten, soll die Gemeinschaft dafür aufkommen.
Dafür wurde Schwesig in der Koalition verlacht. Weltfremd sei der Vorschlag, naiv und überhaupt: Wer soll das bezahlen? Doch die Idee ist mehr als nur ein PR-Gag. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat ausgerechnet, dass die Familienarbeitszeit etwa 140 Millionen Euro pro Jahr kosten würde. Ist das unbezahlbar?
„Angefackelte Debatte“
Wenn es ums Geld geht, kann Schwesig mitunter unnachgiebig sein. Seit dem Aus des Betreuungsgelds streitet sie mit Finanzminister Wolfgang Schäuble um die freiwerdenden Milliarden, als ginge es um ihr privates Vermögen. Sie will damit unter anderem die Qualität in den Kitas verbessern.
Gerade hat sie sich mit Thomas de Maizière (CDU) angelegt. Sie sei enttäuscht darüber, dass der Innenminister „jetzt eine Debatte anfackelt über das Taschengeld“ für Flüchtlinge, sagte sie kürzlich. Damit mischt sie sich in ein Thema ein, in das sie sich gar nicht einmischen muss, weil ihr Ministerium für Flüchtlinge gar nicht zuständig ist. Das kann man Kompetenzüberschreitung nennen. Oder Engagement.
Unterdessen wird Manuela Schwesig als mögliche SPD-Kanzlerkandidatin für die nächste Bundestagswahl im Herbst 2017 gehandelt. Der Schritt von der Familienministerin zur Kanzlerin ist dann allerdings doch ganz schön groß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach