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Debatte Manuela SchwesigWer, wenn nicht sie?

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Der Auftakt von Manuela Schwesig war mühsam, ihre Positionen sind umstritten: Und doch setzte sich ihre Kompetenz durch.

Schwesig und Gabriel bei der Konferenz „Die SPD regiert. Das Land kommt voran“. Foto: dpa

W enn Manuela Schwesig am Samstag ihre politische Sommerreise beendet, wird sie durch die gesamte Republik gefahren sein. In Oberhausen wird sich die Familienministerin mit Müttern getroffen haben, die einen Migrationshintergrund haben und einen Job wollen. In Berlin wird sie in einer Moschee mit jungen Musliminnen und Muslimen geredet und in Rheinland-Pfalz ein Seniorenwohnprojekt und eine Kita besucht haben. Bis nach Baden-Württemberg wird sie gefahren sein, und von dort aus zurück nach Mecklenburg-Vorpommern. Eine große Tour. Wird sie sich am Ende gelohnt haben?

Die SPD-Politikerin fällt in der Gunst der Wähler gerade ab. Der aktuelle Deutschlandtrend von Infratest Dimap bescheinigt der Ministerin 38 Prozent Beliebtheit in der Bevölkerung, früher waren es mal 45 Prozent. Aber was sagt so eine Zahl schon aus? Ist sie nicht mehr als eine bloße Momentaufnahme?

Als die 40-Jährige vor zwei Jahren ihren Posten als Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern gegen den der Familien- und Frauenministerin in Berlin tauschte, war sie – außer im Norden – kaum bekannt. Keine besonders glückliche Startposition. Und es dauerte nicht lange, da wurde ihr der Titel „Küstenbarbie“ verliehen. Diffamierender geht es kaum.

Schwesig stand von Anfang an unter Druck. Die Politikerin gilt als unterkühlt und hölzern. Ihr werden keine allzu großen rhetorischen Fähigkeiten nachgesagt. Aus der Opposition kommen kritische Worte, obwohl Grüne und SPD in Zeiten rot-grüner Träume fest auf Schwesig gesetzt hatten. Selbst in ihrer eigenen Partei ist sie nicht unangefochten. Sie soll nicht allzu gut vernetzt sein im Berliner Betrieb und die Codes dort noch nicht gut genug beherrschen.

Die Bilanz der Familienministerin ist alles andere als irrelevant

Sogar im eigenen Hause ist sie umstritten. Sie schotte sich im Ministerium ab, heißt es. Und sie gehe unfair mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um, selbst wenn diese private Schwierigkeiten hätten, beispielsweise durch einen Todesfall in der Familie. Schwesig regiere wie die „Schneekönigin“. Das alles sagt natürlich niemand offen – weder in der Partei noch im Familienministerin.

Journalistinnen und Journalisten ärgern sich hin und wieder, wenn Pressekonferenzen kurzfristig angesetzt werden oder so spät stattfinden, dass es redaktionell schwierig wird. Das alles mag unangenehm für diejenigen sein, die davon betroffen sind, und die mit der Ministerin zusammenarbeiten. Aber das ist irrelevant für das, was am Ende zählt. Und hier ist Schwesigs Bilanz alles andere als irrelevant.

Die Ministerin hat die Frauenquote durch- und das Elterngeld Plus auf den Weg gebracht. Sie hat die Familienarbeits- und die Familienpflegezeit angeschoben. Sie treibt den dringend benötigten Kitaausbau voran und will Regelungen wie ein Entgeltgleichheitsgesetz einführen. Das Prostituiertenschutzgesetz ist zwar ausgerechnet bei denen umstritten, denen damit geholfen werden soll, nämlich den SexarbeiterInnen. Dennoch: Das Gesetz ist fast durch. Manuela Schwesig hat sich dafür eingesetzt, dass der Besitz von Kinderpornografie stärker bestraft wird. Und selbst das Ende des Betreuungsgelds kann sie sich als Pluspunkt notieren, obgleich die Vorarbeit andere gemacht haben.

Schwesig als große Hoffnung

Als Schwesig noch Landesministerin in Schwerin war, galt sie als große Hoffnung in Sachen Familienpolitik. Wer, wenn nicht sie, ist prädestiniert dafür, dieses mittlerweile harte Politikfeld weiter zu pushen?

Zwar war es vor acht Jahren nicht die SPD, sondern die CDU, die die große Vereinbarkeitsdebatte in Gang gesetzt hatte. Damals stieß Ursula von der Leyen als Familienministerin den Kitaausbau und damit eine Debatte an, die heute einer der größten Aufreger ist. Dazu hat nicht unerheblich von der Leyens Nachfolgerin Kristina Schröder beigetragen. Sie war während ihrer Amtszeit höchst umstritten, weil sie im Verdacht stand, Probleme von Frauen und Familien nicht ernst genug zu nehmen.

Das sollte Schwesig ausbügeln. Das traute man ihr zu. Mehr Frauen in Jobs? Schon bald nach deren Elternzeit? Selbstverständlich. Noch mehr Kita- und Ganztagsplätze? Klar. Zusätzliche Hilfen für sozial benachteiligte Familien? Auf jeden Fall. Gleichen Lohn für gleiche Arbeit? Was denn sonst?

Schwesig wirkte glaubwürdig. Man nahm ihr ab, dass sie es ernst meinte mit jeder ihrer Forderungen. Selbst als sie zu Beginn ihrer Amtszeit drohte, sich lächerlich zu machen. Sie war gerade erst angekommen im Berliner Parlamentsalltag, da platzierte sie die Idee einer staatlich subventionierten 32-Stunde-Woche für Eltern: Mütter sollten mehr arbeiten und Väter weniger, beide etwa 32 Stunden in der Woche. Und weil Väter gemeinhin mehr arbeiten und dann einen Verdienstausfall hätten, soll die Gemeinschaft dafür aufkommen.

Dafür wurde Schwesig in der Koalition verlacht. Weltfremd sei der Vorschlag, naiv und überhaupt: Wer soll das bezahlen? Doch die Idee ist mehr als nur ein PR-Gag. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat ausgerechnet, dass die Familienarbeitszeit etwa 140 Millionen Euro pro Jahr kosten würde. Ist das unbezahlbar?

„Angefackelte Debatte“

Wenn es ums Geld geht, kann Schwesig mitunter unnachgiebig sein. Seit dem Aus des Betreuungsgelds streitet sie mit Finanzminister Wolfgang Schäuble um die freiwerdenden Milliarden, als ginge es um ihr privates Vermögen. Sie will damit unter anderem die Qualität in den Kitas verbessern.

Gerade hat sie sich mit Thomas de Maizière (CDU) angelegt. Sie sei enttäuscht darüber, dass der Innenminister „jetzt eine Debatte anfackelt über das Taschengeld“ für Flüchtlinge, sagte sie kürzlich. Damit mischt sie sich in ein Thema ein, in das sie sich gar nicht einmischen muss, weil ihr Ministerium für Flüchtlinge gar nicht zuständig ist. Das kann man Kompetenzüberschreitung nennen. Oder Engagement.

Unterdessen wird Manuela Schwesig als mögliche SPD-Kanzlerkandidatin für die nächste Bundestagswahl im Herbst 2017 gehandelt. Der Schritt von der Familienministerin zur Kanzlerin ist dann allerdings doch ganz schön groß.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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20 Kommentare

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  • Die SPD hat die Kraft.

    • @lichtgestalt:

      Bei Spiderman hieß das noch so:

      „Aus großer Macht folgt große Verantwortung“

      • @Rainer B.:

        Kraft, nicht Macht. ;-)

        • @lichtgestalt:

          Kraft will nicht, darf nicht und kann auch gar nicht.

  • Ich höre gerade im Radio, dass die SPD in diesem Jahr schon 3% ihrer Mitglieder verloren hat. Wenn der Trend anhält, wird sich die SPD in absehbarer Zeit in einem sehr kleinen Kreis über das Thema KanzlerkandidatIn unterhalten können. Ob dieses Thema von den Wählern als irgendwie noch relevant eingestuft wird, möchte ich hier schon mal in aller Vorsicht bezweifeln.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Zum Glück gehöre ich nicht zu jenen Menschen, die automatisch aus falsch verstandenem Gleichstellungsdenken einer Frau als Kanzlerin das Wort reden. Bereits 2005 habe ich mit jenen darüber gestritten, die meinten, es sei an der Zeit, dass in Person von Frau Merkel endlich eine Frau Kanzlerin werde. Wohin dies geführt hat, ist heute eindrucksvoll zu besichtigen.

     

    Noch immer zeigt es sich, dass eine fachliche Qualifizierung nicht von der Geschlechtszugehörigkeit abhängig ist. Ich kenne nur PERSONEN und bei diesen ist zu prüfen, ob sie geeignet sind oder nicht.

     

    Was Frau Schwesig angeht, erscheinen Zweifel angebracht. Wie wir wissen, ist neben 'richtigen' Inhalten und Positionen eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit erforderlich. Die im obigen Artikel aufgeführten Gerüchte sind hier zu vernachlässigen. Es sind Gerüchte. Anders das - nachprüfbare - Kommunikationsverhalten von Frau Schwesig. Für mich kein Pfund, mit dem sie wuchern könnte.

     

    Alice Schwarzer wäre eine geeignete Kanzlerin. Nicht, weil sie so kompetent und sympatisch wäre, sondern weil sie die Scheinheiligkeit des gegenwärtigen mainstreams eindrucksvoll wie kaum ein_e zweite_r repräsentiert.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      "Bereits 2005 habe ich mit jenen darüber gestritten, die meinten, es sei an der Zeit, dass in Person von Frau Merkel endlich eine Frau Kanzlerin werde."

       

      Ich auch. Schließlich denkt der Mensch mit seinem Gehirn und nicht mit seinen Geschlechtsmerkmalen.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Offenschtlich haben Sie den Artikel zu dem Link nicht gelesen! Was Schwesig an Kommunikationsfähigkeit mangelt, würde Janine Wissler doppelt und dreifach ersetzen. Deshalb habe ich

      mir die beidenauch im Duett, als Doppelspitze vorgestellt. Natürlich bin ich mir dessen bewusst, dass die Idee eher im Bereich der Utopie anzusiedeln ist und praktisch keine Chance besteht, sie zu realisieren. Es ging mir auch nicht darum, Gleichberechtigung zu verwirklichen, sondern darum, die beiden Personen

      als Gegensatz zu dem Rest der von Heuchelei verseuchten Regierung herauszustellen!

      • @Antikapitalist:

        Was interessiert mich deren Kommunikationsfähigkeit? Mit mir kommuniziert sie sowieso nicht und wenn, dann ginge mir das rhetorische Geseier auch am Arsch vorbei.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Antikapitalist:

        Mein Kommentar war eine Reaktion auf den Artikel von Frau Schmollack, keine Antwort auf Ihren Kommentar. Tut mir leid, wenn Sie dies kränkt. Einen Artikel zu lesen, heißt übrigens nicht, wie Sie bestimmt wissen, ihm in sämtlichen Punkten zuzustimmen.

         

        Om. Ich bin ganz ruhig und lasse andere sein! Om. Und ich unterstelle ihnen nichts. Om! Vor allem nichts, was nicht stimmt! Om.

  • Manuela Schwesig and Janine Wissler for Chancellors!

     

    Mir ist keine Person bekannt, die besser geeignet wäre, das Amt einer Bundeskanzlerin mit Inhalten zu füllen! Die beiden wären als Duett dafür bestens geeignet! Höchst sympathisch, von Herzen aufrichtig, ohne Falsch und schlagfertig in Interviews ebenso wie in politischen Debatten - ich kenne außer Manuela Schwesig und Janine Wissler keine Peson, deren Argumente aufrichtiger und insofern auch überzeugender wären. Diese beiden Frauen würden unserem Land als Regentinnen im Gegensatz zu Merkels Kindergartenkarusellkabinett gut tun!

     

    Lesen Sie dazu auch folgenden Artikel:

    http://www.fr-online.de/landtagswahl-in-hessen---kandidaten/spitzenkandidatin-linke-janine-wissler---revolutionaerin-auf-dem-roten-rad,23897184,23979140.html#/votingDistricts-vote1-s99-wk029

  • "Schwesig wirkt glaubwürdig. Man nahm ihr ab, dass sie es ernst meinte..." "Das kann man Kompetenzüberschreitung nennen. Oder Engagement." "Das sollte Schwesig ausbügeln. Das traute man ihr zu."

    Der ganze Artikel ist voll von Sätzen, die von keinerlei journalistischer Distanz zeugen und den Artikel als Ganzes diskreditieren. Wer Lobhudeleien lesen will, kann dies bei Parteiorganen tun. Von einer unabhängigen Zeitung erwarte ich eine unabhängige Berichterstattung (als Minimalervorgabe, intelligent geschrieben kommt dann gleich hinterher.)

  • Seit 1999, als Lafontaine die SPD verließ, hatte diese Partei mehr als genug Gelegenheiten, wieder ein eindeutiges Profil zu zeigen, sie hat sie durchweg alle vergeigt.

     

    Schwesigs einziger Fehler ist somit das SPD-Parteibuch.

  • Ja, sehr vieles gefällt mir auch sehr gut! Auch den Vorschlag mit der 32 Stunden Woche befürworte ich ganz unbedingt. Einziger Kritikpunkt bleibt für mich, wenn die Vorstellung, dass ein Krippenaufenthalt schon ab dem dritten Monat oder noch früher in Ordnung wäre, unterstützt werden würde. Da habe ich große Sorge. Es sollte eine Notlösung oder Alternative für überforderte Familiensysteme und Alleinerziehende darstellen um vllt. sogar Heimaufenthalte zu verhindern helfen. Auch da aber erst später, vorher besser die Betreuung zu Hause, wie ich finde, so dass das Kind in der Umgebung bleiben kann, um unnötige Traumatisierungen zu vermeiden, denn es wird in eine fremde Welt geboren und muss erst Halt finden. Da vllt. mit geschulten Ersatzgroßeltern oder ausgebildete Familienlotsen, die ein Führungszeugnis vorgelegt haben müssen auch.. Eine zu frühe Trennung kann nur traumatisierend sein für das Kind . Das schadet seinem Urvertrauen und der Fähigkeit eine tiefe Bindung einzugehen, fördert Fremdheitsgefühle, vielleicht sogar Fremdenangst und ist mutmaßlich sogar ein Verstärker von Fremdenfeindlichkeit. Deshalb sollte alles Erdenkliche getan werden, dass kein sozialer Druck entsteht, dass Eltern sich gedrungen fühlen, ihr Kind viel zu früh wegzugeben. Zudem betriebsinterne Betreuungsmöglichkeiten, und eben die Aufgabenteilung zwischen beiden Elternteilen, wobei das Stillen berücksichtigt werden sollte. Gerade laufen Studien über Felltleibigkeit, da sehe ich auch einen Zusammenhang.

  • Gott, wenn ich Schwesig und Hendricks wählen könnte, ohne gleich noch Gabriel, Steinmeier, Steinbrück mitzukriegen, wär die SPD vllt. sogar mal wieder eine Option!

  • Besser als Siegmar Gabriel alle mal, wobei das eine Messlatte ist, die man mit Lupe im Kriechgang suchen müsste.

     

    Leider kann ich dazu nicht mehr sagen.

  • 20% langsam dahinsiechende “Traditionswähler” und ein paar Versprengte. So viel Hund holt Frau Schwesig hinter dem Ofen vor mit ihrer “Kompetenz”.

     

    Da hilft auch solche Hofberichterstattung nicht mehr. Wer soll denn noch an diese SPD glauben?