Debatte Frauenbild in der AfD: Mit Gott für Kontrolle

Rechtspopulisten in der AfD bedienen antifeministische Forderungen. Sie fußen auf organisiertem Hass gegen Frauen und der Abwertung von Kinderrechten.

Bekennende Gegnerin der „Genderideologie“: AfD-Politikerin Beatrix von Storch Bild: dpa

„Ehe und Familie vor! Stoppt Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder!“ Unter diesem Leitwort fand in Hannover eben die „Demo für alle“ (sprich „Demo für wen wohl?“) statt. Solche Ideen vertreten rechtsreligiöse Kreisen und Teile der AfD, die antifeministische Forderungen gegen Geschlechterpolitik, Gender Mainstreaming und die Geschlechterforschung übernommen haben.

Man fragt sich verblüfft: Wie passen Sexualisierung der Kinder und Gender Mainstreaming zusammen? Im wirklichen Leben haben sie nichts miteinander zu tun. Doch die AfD handelt einfach mit Versatzstücken einer Strategie, die sich gegen Geschlechterpolitik und Geschlechterforschung richten und bis zu offenen Hasskampagnen führen.

Zum ersten Versatzstück Gender Mainstreaming: Auf der Homepage der „Demo“ ist zu lesen: „Gender-Mainstreaming“ steht laut Theologen „im krassen Gegensatz zur biblisch geoffenbarten Schöpfungsordnung Gottes.“ Tatsächlich will Gender Mainstreaming Gleichheit in Organisationen erreichen: Deren Maßnahmen sollen gleichheitlich wirken und Männer und Frauen gleich an den Entscheidungen beteiligt sein. Männer, die sich für Geschlechtergleichheit engagieren wollen, wurden damit angesprochen. Das entspricht sowohl dem Grundgesetz als auch dem Europäischen Wertekonsens.

Die neue Verbotspartei

Die rechtskonservative Kritik lautet, dass der Begriff Gender die „natürlichen“ oder „göttlich gegebenen“ Geschlechtsrollen widerlege. Das hat allerdings die Völkerkunde schon seit 100 Jahren getan: In manchen Gesellschaften betreuen die Eltern die Kinder, in manchen die Mütter (wie in Deutschland bisher, wo sich das gerade ändert) und in anderen die Väter. Geschlecht ebenso wie Begehren kommt auf dieser Welt in Hunderten von Varianten vor und bisher hat das nur die verunsichert, die meinten, an der Spitze des Fortschritts zu stehen und den anderen ihre Lebensformen aufzwingen zu dürfen.

Heute sprechen die rechtskonservativen und antifeministischen Netzwerke die Sprache von Verbot und Kontrolle: Stop mit der Geschlechterpolitik und -forschung, Ausschluss von homosexuellen Lebensformen mit Kindern! Wie in den USA vertreten sie den Neoliberalismus in der Wirtschaft und eine neopatriarchale Geschlechterordnung.

Wer die Geschlechterforschung verbieten will, will unterbinden, dass über die Spannungen und Probleme genderreflexiv nachgedacht wird, die der flexibilisierte Kapitalismus, die neuen Freiheitsräume, Ausgrenzungen und Gewaltformen mit sich bringen. Stattdessen werden Geschlechterrollen aus dem 19. Jahrhundert als biologistische Binsenwahrheiten dargeboten. Frauen wie Männer sollen erneut in den Käfig von kollektiven homogenen Normen eingesperrt werden. Zudem wird die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Wissenschaft durch die Hasskampagnen bedroht.

Gegen die kindliche Neugier

Zum zweiten Versatzstück „Sexualisierung der Kinder“: Sie wird von so unterschiedlichen Kräften wie der Kommerzialisierung der Kindheit und der Kinderkörper, Massenmedien, anzüglicher Werbung und Pornos im Internet vorangetrieben. Weder Sexualpädagogik noch Geschlechterforschung sind daran ursächlich beteiligt. Vielmehr kritisieren sie ihrerseits die Sexualisierung von Kindern. Eltern sehen diese Entwicklungen mit Sorge und ihre Ängste sind berechtigt.

Meist werden sie mit ihren Kindern über Liebe und Sexualität reden und versuchen, die Fragen und Probleme der Kinder zu verstehen und Gesprächspartner für sie zu werden. Wesentlich sind Zuhören und Verständnis.

Wenn man Verbote verkündet oder Kinder unter den Glassturz stellt, bringt das wenig, denn so nimmt man die Kinder und ihre Fragen in einer tiefgreifend veränderten Umwelt nicht ernst.

Verbote aber wollen die rechtskonservativen Kampagnenbetreiber. Ihnen geht es um das private Elternrecht bei der Sexualaufklärung – über Kinderrechte habe ich wenig gelesen. Dieses Recht wollen sie mit Verboten und Kontrollen der Sexualaufklärung in der Schule durchsetzen. Einige Sprecher und JournalistInnen gefallen sich in homophoben Andeutungen, dass Vielfalt (oder Gender Mainstreaming) zum sexuellen Missbrauch führen könnte. Ging es gestern noch gegen die bösen Emanzen, so wird heute die Kampagne gegen Gleichheit mit dem Kampf ums Kind legitimiert.

Spiel mit der Angst der Eltern

Besondere Aufregung gibt es über ein Buch zu Sexualpädagogik der Vielfalt, das an den Erfahrungen und Fragen der Jugendlichen anknüpfen will. Die sprachlichen Gewaltexzesse gegen VertreterInnen dieser Richtung auf dem Internet schlossen Mord- und Vergewaltigungsaufrufe mit ein und riefen Proteste mehrerer wissenschaftlicher Fachgesellschaften hervor. Die Kampagne gegen das Buch wird fortgesetzt, wobei einige durchaus diskutierbare Beispiele wiederholt werden, ohne auf den Grundansatz des Bandes einzugehen: Er geht davon aus, dass die Teilnehme freiwillig ist und die intimen Grenzen der Jugendlichen zu respektieren sind.

Das Ziel ist, sexuelle Selbstbestimmung der Kinder und Jugendlichen, Anerkennung sexueller Vielfalt und eine offene Haltung zur Sexualität zu fördern. Dies Ziel soll im Austausch mit den Eltern verwirklicht werden.

Wenn heute sexueller Missbrauch im allgemeinen Bewusstsein ist und als Gewalt betrachtet wird, so ist das der Frauenbewegung, der Geschlechterpolitik und der Geschlechterforschung zu verdanken. Gegen große Widerstände haben sie geschafft, das Problem zu thematisieren, Unterstützung für die Opfer zu organisieren und Rechtslage und das Rechtsbewusstsein zu verändern. Die EU hat Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt umfassend unterstützt.

Die bürgerliche Mitte akzeptiert heute Geschlechtergleichheit und hat das Problem des sexuellen Missbrauchs erkannt. Was wird sie von rechtskonservativen Kampagnen halten, die mit den Ängsten von Eltern vor sexuellem Missbrauch operieren und zugleich die Kräfte verbieten wollen, die ihn entschieden bekämpfen?

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