piwik no script img

Debatte AfD und MittelschichtDie Macht der Kränkung

Kommentar von Georg Seeßlen

Die Mittelschicht wurde nicht ökonomisch abgeschafft, sondern politisch und kulturell. Ihre neue Identität speist sich aus Verunsicherung.

Der Deal der Mittelschicht: bescheidener Reichtum, dafür Sicherheit Foto: madochab / photocase.de

S eit geraumer Zeit herrscht Übereinstimmung, dass Pegida und AfD ihren Zulauf nicht so sehr von der Seite der „Verlierer“ und der „Opfer“ des immer brutaleren Wettbewerbs um Arbeit und Leben erhalten als vielmehr von einer „verunsicherten Mittelschicht“. Von Leuten, denen es real noch ziemlich gut geht, erst recht im internationalen Vergleich.

Er steht förmlich vor uns, der verunsicherte Mittelschichtler, der gerade von einer Kreuzfahrt nach Hause kommt, den Rasen gemäht und den Fernsehapparat eingeschaltet hat, und dann zu dem Ergebnis kommt, dass alle ihm was wegnehmen wollen. Die Banken, die Merkel, die Sozialschmarotzer und vor allem natürlich: die Flüchtlinge. Dann macht der Mittelschichtler sein Bier auf und sein Wahlkreuz bei der AfD.

Was hat er geschafft? Gleich drei Sachen auf einmal: Er, der Halbgewinner, hat sich als Opfer inszeniert. Er fühlt sich als Mittelschichtler verdrängt und erfindet sich als Volk und Nation neu. Er übt auf das „Establishment“ einen enormen Druck aus: Man soll gefälligst seine Sorgen und Ängste ernst nehmen, man soll gefälligst ihm nicht nehmen, sondern geben, mehr vom Kuchen will er haben.

Er verlangt, dass ihm vorgeführt wird, dass der Staat die anderen schlechter behandelt als ihn selbst. Wer sich zur Mittelschicht zählen will, der muss das genießen, dass man die da unten, in den Jobcentern und auf den Wohnungsämtern, so drastisch mies behandelt. Anderswo würde man so was vielleicht sogar Erpressung nennen: Wenn die Demokratie uns Mittelschichtlern unsere Privilegien nehmen will, dann werden wir aber sowas von populistisch Krawall machen.

Und plötzlich fühlt er sich wieder unter sich, der Mittelschichtler, der gerade drauf und dran war, nicht mehr zu wissen, was das eigentlich ist: die Mitte. Wo doch alle in die Mitte wollen. Aus seiner Verunsicherung ist „Identität“ geworden, aus seiner Kränkung eine neue politische Macht.

Bescheidenheit gegen Sicherheit

Vielleicht fing das ja alles schon damit an, dass eben eine Mittelschicht, die Mitte des Einkommens und die Mitte von Bildung und Verblödung, zum eigentlichen Adressaten der demokratischen Politik gemacht wurde. Soziale Marktwirtschaft hieß einfach: Politik für die Mittelschicht. Das große Versprechen war: Der Mittelschicht wird es nie schlechter, immer nur besser gehen. Mittelschicht wurde nicht nur zum ökonomischen Ideal des Wohlfühlkapitalismus, sondern auch kulturell und medial erzeugt.

Der Haken an einer Mittelschicht ist, dass sie sich irgendwie definieren muss. Wenn ich zur Mitte gehören will, dann muss es eine Grenze nach unten und eine Grenze nach oben geben. Die Mittelschicht im Nachkriegsdeutschland machte einen großen inoffiziellen Deal: Wir begnügen uns mit einem schönen, aber am Ende auch bescheidenen Anteil am Reichtum im Austausch gegen (soziale, ökonomische, kulturelle) Sicherheit. Die Mittelschicht sorgte in Form von ausgewogenen Verhältnissen zwischen dem Konservativen, dem Liberalen und dem Sozialdemokratischen für demokratische Stabilität.

Dann kamen die ersten Krisen. Die Abgrenzung nach unten wurde problematisch, Sicherheit war nicht mehr selbstverständlich zu haben, die Abgrenzung nach oben war nicht mehr erwünscht; der erfolgreiche Mensch im Neoliberalismus gehört keiner Schicht an, sondern ist das ökonomische Subjekt seiner Karriere. Der Deal war geplatzt. Die Mittelschicht wurde keineswegs ökonomisch abgeschafft, wohl aber politisch und kulturell.

Und alle Politik war nur Gebrabbel von einer Mitte, in die alle wollen, sogar die Nazis, und die Sozis sowieso. Und die es immer weniger gab. Die Mittelschicht hatte ihre Schuldigkeit getan (einschließlich der Schuldigkeit gewisser, durchaus heftiger Modernisierungen, was zum Beispiel Sexualität, Familie und Dresscode anbelangt). Das Kapital jedenfalls wollte woanders hin. Und die Politik folgt bekanntlich dem Kapital.

Künstlich neu identifizieren

Das Konzept Mittelschicht aufzugeben, das ja ohnehin kein moralisch gutes sein konnte, weil es immer „die anderen“ braucht, die nicht dazugehören, die ausgegrenzt und ungehört bleiben sollen, bedeutet ja auch, Ansprüche aufzugeben, nach außen die Ansprüche nach der gewohnten staatlichen Privilegierung und Sicherung, nach innen die Ansprüche an die Verlässlichkeit von Familie, Vorsorge und bescheidenem Eigentum.

Die zweite Möglichkeit war das genaue Gegenteil: Die ökonomische Mittelschicht, die sich politisch und kulturell entwertet sah, musste eine neue Identität finden, nachdem der Pakt mit der „ausgewogenen“ oder einfach selbstverständlichen Demokratie aufgekündigt war. Sie musste sich sozusagen „künstlich“ noch einmal identifizieren.

Die Mittelschicht, also der Zusammenhang jener Menschen, die sich selbst so definieren, als abgegrenzt nach oben wie nach unten, erfand sich für einen wachsenden Teil der historischen Konkursmasse daher als „deutsches Volk“ neu. Und die Mainstreampolitiker, gewöhnt, die Mittelschicht wenigstens rhetorisch zu bedienen, kommen auch dieser neuen Variante entgegen. Was aber, wenn der Teil der Mittelschicht, der um der eigenen Privilegien und der eigenen „Identität“ willen Pegida und AfD bildete, seinerseits längst mit dem Konzept der liberalen Demokratie gebrochen hätte?

Komplizierte Verhältnisse

Nicht aus Verblendung, nicht aus Angst, sondern aus sehr deutlichen materiellen Interessen heraus: Wenn die Demokratie dieser (der geschrumpften, der radikalisierten, der militanten) Mittelschicht nicht dienen will, dann will diese Mittelschicht auch nicht mehr dieser Demokratie dienen. Die einen machen das sehr laut, lustvoll Hass auf Sündenböcke leitend und die eigene Bewegung verstärkend, durch den Genuss der leichten Triumphe; die anderen aber unsichtbar, privatistisch, verbittert oder vergnügt „entpolitisiert“ oder korrupt.

Das alles ist natürlich nur eine Geschichte, eine Karikatur vielleicht. Die wahren Verhältnisse sind wieder mal viel, viel komplizierter, und sie werden es noch mehr, je genauer man sie ansieht. Und doch werden wir um die Frage nicht herumkommen: Was, wenn der politische-soziale-kulturelle Pakt der Mittelschicht mit der kapitalistischen, liberalen Demokratie aufgekündigt wird, der uns ein halbes Jahrhundert die Illusion einer Insel der Glückseligen verschaffte?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Eine sehr gelungene Beschreibung dieser abdriftenden Mittelschicht, und keineswegs eine Karikatur :-)

  • 8G
    80975 (Profil gelöscht)

    Die Mittelschicht betont eben nicht in erster Linie, dass es eine Unterschicht geben muss, zu der sie sie sich abgrenzen kann, worin laut Taz dann ihr Seelenheil liegt. Vielmehr definiert eine Mittelschichtgesellschaft, dass die untere wie obere Schicht möglichst gering ausfällt, wodurch die Gesellschaft eine starke Basis an Teilhabe, Mitbestimmung und Zugangsmöglichkeiten kennt.

    Auch geht es der Mittelschicht sicher nicht allein und in homogener Weise um rein materielle Interessen, sondern um den Verlust an Sicherheiten und Lebensplanung. Aber laut der Taz sind das ja eh komplett lächerlich altbackene Bedürfnisse.

    Wie Sie selbst angemerkt haben, stellt die Beschreibung einer homogenen rasenmähenden Mittelschicht in diesem Artikel eine Karikatur dar. Wirkmächtig verteidigt der Artikel aber gewollt oder ungewollt wiederholt den neoliberalen Umbau und demontiert Kritik, indem sie ins lächerlich gezogen werden soll.

    Eine kritische Auseinandersetzung findet hier nicht wirklich statt. Vielleicht finden die Autorinnen und Autoren als fröhlich radschlagende Subjekte einer flüchtigen Moderne selbst auch gar keine Zeit mehr dazu; vielleicht fehlt Ihnen auch einfach die Substanz. Die soziologische Perspektive ist jedenfalls bedauerlicherweise deutlich Klischee reduziert und dürftig. Im Studium hattet ihr wahrscheinlich auch nie wirklich Zeit.

  • Seit geraumer Zeit herrscht Übereinstimmung, dass Pegida und AfD ihren Zulauf nicht so sehr von der Seite der „Verlierer“ und der „Opfer“ des immer brutaleren Wettbewerbs um Arbeit und Leben erhalten als vielmehr von einer „verunsicherten Mittelschicht“.

     

    Warum sind denn diese Menschen verunsichert, wer ist unter anderem daran schuld?

     

    Dafür sorgt die AfD MIT NACHGEWIESENEN LÜGEN!

     

    Beweis:

    http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/kommunalwahl_niedersachsen_2016/Stader-AfD-zieht-Fake-Flyer-zurueck,afd800.html

     

    Erklärung: Die AfD verteilte Flyer, die zeigten ein Foto mit einem Ausländer der einen Polizisten brutal zusammengeschlagen haben soll. Dabei ertappte es sich als eine Lüge. DAS BILD bzw. DAS FOTO zeigte Menschen in Griechenland und nicht in DEUTSCHLAND. So gewinnt die AfD mit Lügen und Angstmacherei neue Wähler.

     

    Und das ist strafrechtlich VERBREITUNG FALSCHER TATSACHEN UND VOLKSVERHETZUNG!!!

  • Jau - das sind so Welträtsel -

    (Ernst Haeckel läßt Grüßen!;)

    Die Mittelschicht inunter ihren Befindlichkeiten! Gell!

    Heute im Programmangebot:

    - Die Abgehängten - ;)

     

    "…Und plötzlich …macht er sich wieder unter sich, der Mittelschichtler, der gerade drauf und dran war, nicht mehr zu wissen, was das eigentlich ist: die Mitte. Wo doch alle in die Mitte wollen. Aus seiner Verunsicherung ist „Identität“ geworden, aus seiner Kränkung eine neue politische Macht.…"

     

    Naja - nicht ganz - doch so beinah!;()

    Macht … aber nix.

    Hauptsache unter sich!

    Fliege im Becken? - eh egal - & Vollstrahl - Ab durch die Mitte!

     

    kurz & klar - "…Das alles ist natürlich nur eine Geschichte, eine Karikatur vielleicht. Die wahren Verhältnisse sind wieder mal viel, viel komplizierter, und

    Sie werden es noch …" - genau -

    Lange bleiben. Jau - so isses!

     

    Conclusio - Thomas Kapielski hat einst - congenial via

    G.S.P. = Große Scheiße passiert - in

    "Der Einzige und sein Offenbarungseid - Verlust der Mittel -"

    Den Gemüts/Zustand der unter sich lassenden Mittelschicht en passant mit dieser feinen Abkürzung

    "U.m.P.K.f. - dett könn se!" =

    "Uff mener Pisse Kahn fahrn -

    Dett könn se!" hinreichend klar - nunja Umrissen.

    In echt - getzt mal - Das trifft's doch Voll!

  • Die zentrale Frage lautet:

    Geht es mir als Mittelschichtler bei dieser oder jener Wahlentscheidung besser oder schlechter?

    Die Antwort in der Vergangenheit: Nein, immer gleich!

    Ob grünrotschwarzgelb.. es hat zu jeder Zeit keine Rolle gespielt.

     

    Zu friedlich zu fett zu reich zu behütet zu irgendwas gings uns die letzten Jahrzehnte.

    Pomadig wurde der Mensch; gepampert und umsorgt und niemand tat niemandem weh.

    Und die Nichtwähler.. das waren denke ich die zuerst abgehängt wurde; und auf die konnte man sowieso verzichten (Schröder Agenda also auch egal!)

     

    Man hat den Leuten in den letzten Jahren NIX zugetraut an unangenehemn Entscheidungen.

    Vermeidungsstrategien allenthalben. Und so plätschert der Mittelstand im vermeintlichen Wohlfühlmodus jahrelang durch die Weltgeschichte... und jeder potenzielle Zustandsstörer gilt als unangemessen.

    Und wer ist das wohl derzeit... (?)

    ... der uns bedroht und was wegnimmt und ohne zu arbeiten etwas bekommt. Und wie die schon aussehen?

     

    Daher denke ich ist das gar nicht so kompliziert Herr Seesslen .... fast schon zu einfach!

    Resultat einer lethargen Politelite seit der Widervereinigung!

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    In Mecklenburg Vorpommern wurden angeblich viele Nichtwähler aktiviert durch die AfD und ich vermute mal ganz stark, die Nichtwähler waren nicht die verängstigten Mittelschichtler. In Sachsen Anhalt haben angeblich viele Arbeitslose die AfD gewählt. Offensichtlich sind die AfD Wähler eine sehr heterogene Gruppe und setzen sich nicht nur aus einer verängstigten Mittelschicht zusammen. Die Diagnose ist doch etwas zu einfach, aber bequem, dann muss nichts an der Sozialpolitik geändert werden und der Rosinenpicker Liberalismus kann fortgesetzt werden.

    Wer immer noch nicht begriffen hat, dass die AfD auch aufgrund der jahrzehntelangen verfehlten schlechten Sozialpolitik gewählt wird, hat immer noch nichts verstanden. Auch wenn die AfD selbst eine unsoziale Politik betreibt, ist der Frust groß darüber, dass Deutschland nun angeblich ein reiches Land ist, obwohl doch jahrelang sozialer Abbau betrieben wurde. Die Vermittlung der Notwendigkeit der Zuwanderung ist der Politik gegenüber der Bevölkerung in absolut keiner Weise gelungen.

    Wieso ist Zuwanderung notwendig, wenn es mehr Arbeitslose als offene Stellen gibt?

    Wieso wird bei einem angeblichen Fachkräftemangel Zuwanderung von Menschen benötigt, von denen 71% nicht mal einen Hauptschulabschluss haben?

    Wie soll Integration ohne genügend Jobs und Wohnraum gelingen?

    Wer soll das alles bezahlen? Wird es Sozialkürzungen geben, werden nur die Sozialkassen überproportional belastet, in die nicht alle Bürger einzahlen, insbesondere nicht die, die über den Beitragsbemessungsgrenzen liegen?

    Solange diese Fragen nicht nüchtern, sachlich und differenziert geklärt und vermittelt werden und sozial gerechte Politik umgesetzt wird, wird der Rechtspopulismus weiter erheblichen Zuwachs haben in Europa.

    • @2097 (Profil gelöscht):

      Klare und wahre Worte! Das sehe ich genauso.

      Der Beitrag von Herrn Seesslen spiegelt die Arroganz und Ignoranz wieder, die genau zum Erstarken der AfD geführt hat und führen wird.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    29% der AfD-Wähler in MVP waren Arbeitslose. Also von diesen überproportional gewählt. Sind also längst abgestürzt und aufgeschlagen. Die Mär der verbitterten Mittelschichtler wird nicht wahrer je öfter sie wiederholt wird. Die AfD wurde durch alle sozialen Schichten gewählt. Protest, Ressentiment, Neid, Hass auf Leitmedien und Establishment. Das reicht völlig aus, die Prozente zu erklären. Und dass so eine Partei heute keinen Erfolg hat, das wäre erklärungsbedürftiger als das was nun unermüdlich jeden Medienschaffenden als Sisyphos-Aufgabe heimsucht. Woran man wieder nur merkt, warum es die AfD heute gibt und geben muss. Die AfD ist das wir Fuck-You-n euch auch an die etablierten Parteien. Es kommt von Biedermännern wie von Brandstiftern. Und die Linke weint heimlich in die Kissen, dass sie den Protest nicht einfangen, abbilden und systemkritisch wie solidarisch reflektiert bekommt. Die AfD ist heute das Scheißhaus der Republik. Das hilflose Demonstrieren, dass sie zum Himmel stinkt wird auf Dauer nicht davon ablenken können, dass sie zur Erzählung vom Verschwinden der Sozialdemokratie gehört.

    • @24636 (Profil gelöscht):

      Zustimmung!

  • Die Mittelschicht zahlt eben alles. Prozentual mehr Steuern als die Reichen (Dank minimalistischer Erbschaftssteuer und entfallener Vermögenssteuer) und vor allem mehr Abgaben (Krankenkassen etc.)

     

    H4ö-Empfänger zahlen gerade da nichts, auch die Niedriglohnempänger zahlen keine Steuern und bekommen die Abgaben sehr oft vom Amt ersetzt. Fahrtkosten für Kinder, Zuzahlungen beim Arzt, selbst Hundesteuern werden oft vom Amt übernommen.

    Und Abgaben spielen bei den Gutverdienern prozentual Kaum eine Rolle. Auch Bemessungsgrenzen sei Dank.

    Hingegen wird die kalte Progression immer stärker.

    Hinzu kommt die Vorsorge fürs Alter. Vermögende speziell Erbschaftsempfänger haben da kein Problem, für Geringverdiener und H4-Empfänger ändert sich wenig. es bleibt bei Wenig.

    Die Mittelschicht hingegen bekommt immer weniger Rente (dank Steuer, Krankenkasse etc.) und hat dank Riesetrpleite auch kaum eine Möglichkeit vorzusorgen. Schließlich müssen im besten Verdienstalter die Kinder versorgt werden. Da bleibt kein Geld für Rentenvorsorge.

     

    Ob allerdings die wirtschaftsliberale AfD da Alternativen hat, darf bezweifelt werden!

    • @Denkerist:

      Die AfD bietet keine Lösungen und wird trotzdem gewählt. Das ist in höchstem Masse gefährlich .

      • @RiaS :

        @ Rias

         

        Wer bietet überhaupt Antworten? Die AfD war von Lucke als FDP-Ersatz gedacht, ist immer noch neoliberal und zielt mit Sicherheit nicht auf Politik für arbeitende Menschen ab. Die SPD war noch nie etwas, spätestens seit der Agenda 2010 unwählbar. Bleiben noch die Linken. Aber die haben zu viel mit sich selbst zu tun.Allerdings ist bei einem Erstarken der Linken zu erwarten, dass seitens Wirtschaft, Banken &Co. Druck auf die Bürger ausgeübt werden würde.

         

        ABER: Wenn man durch Wahlen etwas verändern könnte, wären sie verboten,

        • @Denkerist:

          Wenn man durch Wahlen nichts verändern kann, dann sollte man sich über Wahlergebnisse wie die in meckpomm keine Sorgen machen. Es kann sich ja nichts verändern....

  • Ich glaube, der Grundgedanke, die Mittelschicht ist ängstlich, fühlt sich vernachlässigt und handelt nun irrational bzw. verdreht zweckrational, richtig ist. Andererseits muss man sich fragen, wie es angehen kann, dass die Mittelschicht, die seit Anfang der 1950er Jahre in Westdeutschland jede Wahl entscheiden konnte, nun spontan Protest gegen die da Oben signalisiert?

     

    Ich denke, es ist die Furcht vor dem Abstieg und die fehlende Sicherheit unserer Gesellschaft. Hier kann jeder schnell absteigen (Stichwort Hartz-Reformen) - das war ein Projekt der SPD, die sich als die Mitte schlechthin darstellte.

     

    Und nun ist es wahr: Es reichen 12 bzw. 24 Monate Arbeitslosigkeit und ein Mensch wird aus der Mitte nach Unten positioniert, dies unter strengen Aufflagen, die an Bewährung erinnern. Und eine gute Ausbildung oder eine angepasste Lebensführung garantieren absolut keinen Schutz mehr vor diesem Abstieg.

     

    Nun gab es vor 10 oder 15 Jahren auch Menschen, die Sozialhilfe oder Arbeitlsoenhilfe bezogen und die sich in einer prekären Lebenslage befanden, aber: Die Politik hat sie nicht problematisiert. Heute wird der Abstieg beständig thematisiert, individualisiert und ausgebreitet: Sind die Arbeitslosen faul, halten sie sich nicht an die Weisungen vom Jobcenter, warum hat jemand ein Studium, Abitur, Ausbildung und Berufserfahrung, warum arbeitet er dann nicht? Wieso machen so viele Arbeitslose nicht mit?

     

    Das sind Fakten, die psychologisch auf die Mittelschicht und besonders die untere Mittelschicht wirken. Die Mittelschicht kennt auch den Wert von Anpassung, Ausbildung, Schulbildung und Hochschulbildung - sie misst es ständig, was sie machen muss, um aufzusteigen oder den Klassenerhalt zu schaffen.

     

    Vielleicht ist es so: Diese Schichten merken jetzt ihre (mögliche) Ausgrenzung. Sie spiegelt sich ja auch in einer betonierten Regierungsfraktion im Bundestag wieder: Dort haben 80 Prozent die Aufgabe, die Regierung zu unterstützen und deren Leistungen zu propagieren.

    • @Andreas_2020:

      Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, und nicht nur das:

       

      Ich sage voraus, dass wir uns nochmal umschauen werden nach den Jahren bis 2016/17, nämlich dann, wenn viele Facharbeiter, die heute noch "in Lohn und Brot stehen" dann, nach 35, 40 und vielleicht mehr Jahren "Arbeit + Beruf", in den wohlverdienten Ruhestand gehen und mit dem Bescheid über ihre Altersrente sehen, was sie an Rente tatsächlich (nicht: prognostiziert und hochgerechnet) bekommen.

       

      Dies werden die Jahre werden, in denen die sogenannten "Volksparteien", aber auch deren jeweilige Koalitionspartner erleben werden, was "Wut-Rentner" sind.

    • @Andreas_2020:

      Nicht die AfD hat Erfolg gehabt sondern die Wähler, die sie gewählt haben und die wollen ihrem Erfolg ausweiten und verstärken.

      • @RiaS :

        Habe ich nicht verstanden - von der AfD habe ich nix geschrieben, sondern von der Mittelschicht und ihrem Wahlverhalten.

  • Absolut gesehen geht es uns gut, aber das bringt im alltäglichen Leben nichts, weil wir uns am Nachbarn eher orientieren als am verhungernden Somalier. Reell findet seit den Achtzigern eine ökonomische Umverteilung von unten nach oben statt. Das bekommt jeder mit, denn monetäre Veränderungen werden wesentlich stärker wahrgenommen als kulturelle oder politische.

     

    Die Mittelschicht wird in erster Linie durch die ökonomischen Umverteilungen abgeschafft, nicht kulturell oder politisch.

  • Interessanter Aufsatz zur Mittelschicht. Laut aktuellen taz-Artikeln war die AfD bei der Wahl in MV DIE Arbeiterpartei. Die AfD hat mehr Arbeiterstimmen eingesammelt als SPD und Linke.

  • Das ist nah an der Chebacca Defense.

     

    "Was hat er geschafft? Gleich drei Sachen auf einmal: Er, der Halbgewinner, hat sich als Opfer inszeniert. Er fühlt sich als Mittelschichtler verdrängt und erfindet sich als Volk und Nation neu. Er übt auf das „Establishment“ einen enormen Druck aus"

     

    Warum muss denn jemand, die ja auch nur eine Strohpuppe, als pathologisch verirrter hingestellt werden, nur weil er eine Oppositionspartei unterstützt. Und das Volk neu erfinden, das will "er" ja wohl gar nicht, sondern sich gegen die Neuerfindung wehren, weil "er" damit nicht einverstanden ist, einschließlich der politischen Ziele, die damit verfolgt werden.

     

    Sprich: der neoliberale Griff auf den Mittelstand wie noch in den 90ern ist am Ende, mit ihrem Plan von Entgrenzung, Staaten um Konzerne buhlen zu lassen, Sozialpolitik und Zusammenhalt durch Herbeiführung größerer ethnische Diversität zu schwächen, Staaten als Ordnungsrahmen zugunsten eines Regionalismus der Konzerne zu entkernen, Arbeitnehmer frei zu setzen und massenhafte Arbeitslosigkeit (selbst zusammengefälscht immer noch bei 6.2%) dauerhaft zu dulden. Jetzt kommt sozusagen der von Neoliberalismus verdrängte Denk zurück. Die AfD ist gewiss nicht rechter als die CDU in den 80er Jahren, auf die sie rekurriert.

     

    Nun ist die Frage, was man als Linker an Themen spielen kann.