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Datenspeicherung von FreigesprochenenDie Polizei vergisst nicht

Daten von Freigesprochenen zu speichern ist eigentlich nur nach Einzelfallprüfung erlaubt. Doch das BKA hält sich offenbar nicht daran.

Löschung? Nur bei Freispruch erster Klasse Foto: photocase/MPower.

Berlin taz | Wer einmal in den Datenbanken des BKA landet, kommt noch schwerer wieder raus als bisher bekannt: Beschuldigte in Strafverfahren werden nur dann aus den Verbunddateien der Polizei gestrichen, wenn sie vor Gericht einen Freispruch erster Klasse bekommen – also wenn die Richter ihre Unschuld als erwiesen ansehen. Bei Freisprüchen und Verfahrenseinstellungen aus Mangel an Beweisen oder Geringfügigkeit sieht es anders aus. Datenschützer sind zwar der Ansicht, dass die Polizei in diesen Fällen einzeln prüfen muss, ob sie weiter speichern darf. In der Praxis passiert das aber offenbar nicht.

Eine Sprecherin des BKA teilte der taz auf Nachfrage mit, bei einem Freispruch oder einer Einstellung zweiter Klasse bestehe noch ein Restverdacht. Das BKA-Gesetz erlaube daher, weiter zu speichern. „Das Urteil oder die Einstellung mit Restverdacht ist gerade kein Anlass für eine Löschung, die Speicherung ist daher korrekt“, so die Sprecherin.

Gleichwohl gelte: „Erhält die speichernde Dienststelle einen Hinweis darauf, dass die Speicherung nicht länger aktuell, korrekt oder zulässig ist, veranlasst sie selbst die entsprechenden Korrekturen beziehungsweise die Löschung.“ Somit sei „in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Grunddaten einer Person weiterhin gespeichert bleiben dürfen oder ob sie gelöscht werden müssen“.

Ob ein Freispruch zweiter Klasse in jedem Fall genügt, um solch eine Prüfung auszulösen, ließ die Sprecherin offen. Auch auf Nachfrage wurde das BKA nicht konkreter.

Datenschützer bestehen bei Freisprüchen zweiter Klasse auf die Einzelfallprüfungen. Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff sagte der taz, grundsätzlich müsse in diesen Fällen „bei der weiteren Speicherung gemäß § 8 Abs. 2 des BKA-Gesetzes eine sogenannte Negativprognose erstellt werden“. Die speichernde Behörde müsse prüfen, „ob eine Gefahr besteht, dass die Person auch in Zukunft straffällig werden könnte“. Hierbei seien die Verhältnismäßigkeit und der Grad des Restverdachts zu berücksichtigen. Ohne Negativprognose sei eine weitere Speicherung in Verbunddateien unzulässig.

Voßhoff stützt sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2002, demzufolge die speichernde Polizeibehörde nach dem Freispruch „für die Annahme eines fortbestehenden Tatverdachts besondere Anhaltspunkte“ darlegen müsse. Schon im vergangenen Jahr fand die Bundesdatenschutzbeauftragte bei einer Kontrolle der „Falldatei Rauschgift“ Hinweise darauf, dass dies möglicherweise nicht immer passiert: Bei der Prüfung von Daten des Zollkriminalamts stellte sie fest, „dass durchgehend dokumentierte Negativprognosen fehlten“.

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8 Kommentare

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  • Ist erstaunlich. Im juristischen Referendariat habe ich gelernt, dass es keinen Freispruch zweiter Klasse gibt. Dies ist eine "Erfindung" der Öffentlichkeit. Entweder Freispruch oder Verurteilung. Dies erscheint auch logisch, da wir nun einmal eine Unschuldsvermutung haben. Ich dachte bisher, die Polizei würde sich eher an die juristische als die öffentliche Lesart halten. Aber Irren ist bekanntlich menschlich.

  • "Restverdacht" ist ein Begriff, bei dem es sich lohnt, die Hintergründe genauer zu durchleuchten.

     

    In extrem vielen Fällen rekrutiert sich ein Restverdacht 1. aus den Nachlässigkeiten von Staatsanwaltschaft und Polizei, und 2. aus dem Glauben des Richters.

     

    Hängt ein Richter dem Glauben an, daß jeder Angeklagte schuldig ist, solange er seine Unschuld nicht zweifesfrei bewiesen hat, dann ist automatisch in jedem Freispruch ein Restverdacht enthalten.

     

    Besonders übel gerät eine Sachen, wenn sowohl die Polizei als auch die Staatsanwaltschaft dem selben Glauben anhängt wie solche Richter.

     

    Irritierungen entstehen zusätzlich bei der Überlegung, ob wohl juristische Glaubensgrundlagen besonders stark von der Finanzkraft Beschuldigter abhängen.

     

    Zumindest fällt auf, daß freigesprochene finanzstarke Beschuldigte im Gegensatz zu freigesprochenen "Normalbeschuldigten" auffällig bessere Chancen haben, ihre bisherigen Karrieren unbehindert fortzusetzen.

     

    Und noch mehr: Einige finanzstarke Beschuldigte werden auch nach einem Freispruch 3. Klasse regelrecht gefeiert, wogegen "Normalbeschuldigten" auch nach Freisprüchen 1. oder 2. Klasse allzu oft der Makel "irgendwas wird dennoch dran sein" anhängt.

     

    Da auch das BKA nur aus Menschen besteht, ist sicher davon auszugehen, daß sich solche "typisch menschlichen Eigenschaften" eben auch auf die Registrierungspraktiken nicht unerheblich auswirken.

  • Das soll heißen, wenn die Polizei mich fälschlicherweise verdächtigt und dann keine Beweise findet, behält sie all meine Daten?

    • @Arne Babenhauserheide:

      Davon kann man ausgehen, ja.

  • Ja wie?

     

    Daß etwas gängige Praxis ist -

    Heißt ja noch lange nicht -

    Daß Solches - rechtens ist.

    Eher im Gegenteil - wa!

     

    Nein. Der eherne Grundsatz

    "Können diese Akten wech -

    Jau. Aber nur - wenn ne

    Kopie gemacht ist!"

    Gilt - von immer gern genommen -

    Schreddern im Bedarfsfall -

    'Akten Barbie/Altmann bis NSU -

    Mal ab - kerr!

    Gilded schärfer denn je in der

    2.0 - 4.0 Version alllamal &

    Ubiquitär - wie schön angeführt!

     

    Bewerbung vor 40 Jahren.

    Schlauerweise erst als -

    Wir nennen sie mal - eine derbe Posse

    Die "Schwulenakte" - "verjährt" ist =

    Nicht mehr im PolFühr-Zeugnis!

    &

    Überraschung!! - Akte liegt auf dem Tisch! "???"

    Der Personaler hatte die "Schwärzung"

    Gegens Licht gehalten & Däh!

    "Ja - Sie haben uns da was verschwiegen!"

    Bgr. "Fürsorge - könnte ja erpreßbar sein" & was des dienstkriminellen Stuß mehr angeführt!

    ~> Begleitung durchs gesamte

    "Dienstleben"!

     

    (ps die derbheitere Posse & die clevere

    Returkutsche mit gelungenem -

    Ausgang lass ich mal weg!;)

     

    Aber - Demokratie hin oder her -

    So geht das.

  • Im Juli dieses Jahres sorgten in Hessen entlassene Kommissarsanwärter der Landespolizei für eine öffentl. Diskussion über “Bagatelldelikte“ im polizeilichen Informationssystem. So wurden vier junge Männer aus Kassel – nach bestandenen Eignungsauswahlverfahren und bestandenen Sicherheitsüberprüfungen – erst eingestellt und anschließend, nach einer erneuten, intensiveren Überprüfung, entlassen. Den Entlassenen wurden “Jugendsünden“ i.V.m. eingestellten Strafverfahren zum Verhängnis; so war beispielsweise einer der Entlassenen mit 17 Jahren auf ein Baugerüst geklettert und hatte sich dadurch eine Anzeige wegen einfachen Hausfriedensbruch eingefangen – dieses Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit (wen wundert's) eingestellt!

    Zur Erinnerung: Der Hessische Ministerpräsident, Volker Bouffier, hatte 1999 – damals Hessischer Innenminister i. d. Koch-Regierung - einen Strafbefehl (über 6000 DM) wegen “Parteiverrat“ (anwaltliche Vertretung beider Scheidungsparteien) akzeptiert und kam damit um einen - möglicherweise - strafgerichtlichen Schuldspruch umher. Hat er durch seine Strafzahlung indirekt - oder sogar direkt - zugegeben eine Straftat begangen zu haben? Und wie sind strafrechtliche Verfahrenseinstellungen - mit Auflagen – überhaupt zu bewerten? Darf man behaupten, dass unser amtierender Hessische Ministerpräsident ein Straftäter ist?

    In diesem Zusammenhang würde mich auch interessieren, ob hierzu noch ein POLAS-Eintrag (polizeiliches Informationssystem) existiert oder dieser bereits gelöscht wurde – wenn er denn jemals existiert hat. Genau diese – unbefristeten – POLAS-Einträge über “Jugendsünden“ sind den entlassenen Kommissarsanwärtern zum Verhängnis geworden. Auch eingestellte strafrechtliche Vergehen werden nicht automatisch, nach einer gewissen Frist, gelöscht; die Löschung muss bei der Polizei beantragt werden. Hier eine Änderung anzuregen wäre die Aufgabe der Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes.

    Im Gegensatz zu den vier Kasseler Kommissarsanwärtern

    • @Thomas Brunst:

      Im Gegensatz zu den vier Kasseler Kommissarsanwärtern, welche für ihre Taten ebenfalls nicht(!) strafgerichtlich verurteilt (und das haben alle vier mit ihrem Landesvater Bouffier gemein) wurden, ist Volker Bouffier - nach wie vor - in Amt und Würden!

  • ...bevor jetzt alles wieder auf die GroKo und Herr de Misere losgeht - was ja legitim ist - aber diese Praxis hatte sich schon unter RotGrün so eingebürgert. BKA Horch und Guck ist also schon lange gängige Praxis....