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Datenschutzbeauftragte schlägt AlarmWer darf die Geheimdienste kontrollieren?

Union und SPD wollen mehr Überwachung durch die Geheimdienste. Warum die Datenschutzbeauftragte vor einer Novellierung warnt.

Hat große Bedenken wegen der Pläne des Kanzleramts: Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider Foto: Kay Nietfeld, dpa

Berlin taz | Es sind gleich mehrere neue Überwachungsbefugnisse für die Sicherheitsbehörden, über die SPD und Union in ihren Koalitionsverhandlungen diskutieren: eine IP-Adressen-Speicherung, Entschlüsseln von Kommunikation, ein biometrischer Abgleich von Onlinedaten. So hielt es die zuständige Arbeitsgruppe in einem Verhandlungspapier fest. Kommt es so, würde das auch einige Mehrarbeit für diejenigen bedeuten, die die Behörden kontrollieren. Wer dies aber künftig tun darf, darüber ist eine Kontroverse entbrannt – und die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider schlägt Alarm.

Denn das noch SPD-geführte Bundeskanzleramt hatte nach taz-Informationen bei den Ko­ali­ti­ons­ver­hand­le­r*in­nen von Union und SPD zuletzt mehr Freiheiten und Kompetenzen für die Geheimdienste eingefordert: Der BND, das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst sollten mehr Überwachungsbefugnisse bekommen und leichter Daten untereinander austauschen können. Zudem sollten Berichtspflichten für die Dienste heruntergefahren und deren Kontrolle gebündelt werden – weg von der Bundesdatenschutzbeauftragten, hin zum 2022 neu geschaffenen Unabhängigen Kontrollrat. Auch der Tagesspiegel hatte zuvor über die Pläne des Kanzleramts berichtet.

Der Kontrollrat, ein vor allem mit Rich­te­r*in­nen besetztes Gremium, ist bisher nur für Überwachungsmaßnahmen des BND im Ausland zuständig – nachdem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hier zuvor mehr Kontrolle eingefordert hatte. Die sonstige datenschutzrechtliche Kontrolle aller Geheimdienste – also die Frage, ob die Dienste das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung achten – liegt bisher bei der Bundesdatenschutzbeauftragten Specht-Riemenschneider. Daneben wird das Agieren der Geheimdienste parlamentarisch noch vom vertraulich tagenden Kontrollgremium im Bundestag kontrolliert. Zudem prüft und genehmigt die G10-Kommission konkrete Überwachungsmaßnahmen – oder weist diese zurück.

Das Kanzleramt hatte schon länger eine Doppelkontrolle der Geheimdienste beklagt – und schon vor Monaten angeregt, dass der Kontrollrat künftig nicht nur komplett den BND, sondern auch noch das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst beaufsichtigt.

Union und SPD wollen „zielgerichtetere Kontrollen“

Tatsächlich hatten auch Union und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen in einem Zwischenpapier nicht nur eine „Stärkung der operativen Fähigkeiten unserer Nachrichtendienste“ angekündigt, einen „effizienten Datenaustausch zwischen den Diensten“ – sondern auch „effektivere Kontrollstrukturen und zielgerichtetere Kontrollen“. Dafür solle es eine „verfassungskonforme, systematische Novellierung des Rechts der Nachrichtendienste“ geben.

Schon im Herbst, als sich die Verlagerung der Kontrollhoheit anbahnte, hatte Specht-Riemenschneider in einem internen Brandbrief an das Kanzleramt und mehrere Ministerien gegen die Pläne protestiert: Erstmalig drohe ihrem Amt die Aufsicht über einzelne Bundesbehörden entzogen zu werden – wogegen „gravierende rechtliche als auch tatsächliche Gründe“ sprächen.

Nun äußert sich Specht-Riemenschneider auch öffentlich. „Ich bin weiterhin fest davon überzeugt, dass die datenschutzrechtliche Aufsicht über die Nachrichtendienste des Bundes bei der Bundesdatenschutzbeauftragten am besten aufgehoben ist“, sagte sie der taz. Die Mitarbeitenden in ihrem Haus leisteten „in diesem besonders sensiblen Bereich seit Jahren eine hervorragende und in der Öffentlichkeit sehr wertgeschätzte Arbeit“.

„Einbußen in der datenschutzrechtlichen Kontrolle“

Weil ihr Haus weiter auch für die Polizeien zuständig sei, könnte es zudem zu „Einbußen in der ganzheitlichen datenschutzrechtlichen Kontrolle des Austauschs zwischen Polizeien und Nachrichtendiensten“ kommen, warnt Specht-Riemenschneider. Ihr Vorschlag: Um Doppelkontrollen zu vermeiden, könnte eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, damit sich ihr Haus und der Kontrollrat inhaltlich austauschen könnten – was bisher nicht erlaubt ist. Dies wäre „kostenneutral, schnell und effektiv“, so Specht-Riemenschneider.

Tatsächlich sind bei der Bundesdatenschutzbeauftragten aktuell sechs Referate mit der Kontrolle aller Sicherheitsbehörden zuständig – Personal, das beim Kontrollrat erst neu aufgebaut werden müsste. Auch Bürgeranfragen zu Sicherheitsthemen müssten sich künftig an verschiedene Stellen richten und könnten nicht mehr behördenübergreifend aufgeklärt werden. Specht-Riemenschneider hatte intern bereits vor einer „erheblichen Beschränkung des Beschwerderechts“ gewarnt, die „unvertretbar“ sei.

Das Kanzleramt wollte sich zu seinem Vorstoß nicht äußern. Zu Fragen der Koalitionsverhandlungen nehme man keine Stellung, erklärte eine Regierungssprecherin. Auch der Unabhängige Kontrollrat wollte sich nicht äußern. Die dortige Kontrollbeauftragte Dietlind Weinland sagte der taz allerdings: „Sollte der Gesetzgeber unserer Behörde neue Zuständigkeiten zuweisen, so werden wir diese Aufgabe annehmen.“

Ist der Kontrollrat zu zahm?

Bereits zuletzt hatte es jedoch Kritik am Kontrollrat gegeben, dass dieser die Überwachungsmaßnahmen des BND bisher fast immer durchwinke. Der Kontrollrat wies die Kritik zurück: Einige Anträge seien vom BND bereits in den Beratungen zurückgenommen oder angepasst worden. Das Gremium selbst war zwischenzeitlich aber auch zerstritten über die Frage, wie unabhängig und transparent es sein sollte.

Der Vorgänger der Bundesdatenschutzbeauftragten Specht-Riemenschneider, Ulrich Kelber, hatte im Frühjahr 2024 sogar gegen den BND geklagt: Er monierte, dass der Geheimdienst ihm Einsicht in Unterlagen verwehrte, die für seine Arbeit notwendig seien. Auch forderte Kelber ein Anordnungsrecht, damit sein Amt Missstände nicht nur monieren, sondern auch abstellen könne.

Die Union hatte in den Koalitionsverhandlungen derweil auch auf eine weitere neue Rolle für Specht-Riemenschneider gedrängt: In ihrem Amt sollte die Datenschutzaufsicht für die Wirtschaft gebündelt werden – und dafür wären betriebliche Datenschutzbeauftragten zu streichen. Die SPD trug diesen Punkt vorerst nicht mit – anders als den zu einem Mehr an Überwachung für die Sicherheitsbehörden.

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2 Kommentare

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  • Schauen weniger kontrollierende Augen, auch weniger pluralistisch schauende Augen, auf die Behörden, wendet sich das zu einem späteren Zeitpunkt gegen die Demokratie. Die Bundesdatenschutzbesuftragte ist die richtige Kontroll-Stelle. Ferner ist nicht nachvollziehbar, warum es mehr Kontrolle des Bürgers geben muss. Wir haben gerade erlebt, dass gegen als s.g. "Linke" geltende Menschen, hierunter fasse ich auch die s.g. "Klimakleber", von staatlicher sprich konservativer Seite hart vorgegangen worden ist, während das bei Rechten nicht so sehr zu registrieren war, aber womöglich liegt das ja an einseitiger Berichterstattung mancher Medien.

  • (Cededa, an die deutschen Geheimdienste gewandt) Kinners, ich weiß ihr findet Daten geil, aber die Amis schaffen es doch schon nicht mehr, alles zu durchsuchen, was sie sammeln. Und ihr bildet euch ein, dass euch das was nützen wird?