Datenschutz gilt auch für Fußball-Fans: Die Polizei vergisst spät
Eine Frau wurde zu unrecht beschuldigt, die Zündung von Pyros unterstützt zu haben. Löschen wollte die Polizei ihre Daten erst auf Nachfrage der taz.
![Pyrotechnim im Weser-Stadion Pyrotechnim im Weser-Stadion](https://taz.de/picture/4709466/14/214391517-1.jpeg)
Rückblende: Am 10. August 2019 spielten Werder Bremens Herren im DFB-Pokal gegen jene von Atlas Delmenhorst. Schulze war auch im Stadion. Die Polizei warf ihr vor, kurzzeitig ein Banner festgehalten zu haben, unter dem sodann von anderen Fans Pyrotechnik entzündet wurde. Aus ihrer Sicht war das jedenfalls eine Beihilfe zu einer gefährlichen Körperverletzung. Dafür kann es bis zu sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe geben.
Die fragliche Szene wurde von den Videokameras im Weser-Stadion festgehalten – und die szenekundigen Beamten der örtlichen Polizei wollten Schulze auf den Aufnahmen „mit Sicherheit erkannt“ haben. Die Staatsanwaltschaft allerdings habe das Verfahren „nach Aktenlage“ eingestellt, sagt die Strafverteidigerin Lea Voigt, die Schulze vertritt. Es sei schon nicht feststellbar, dass die Beschuldigte eine gesundheitliche Schädigung anderer Personen billigend in Kauf genommen habe, weshalb der erforderliche Vorsatz nicht nachweisbar sei, so das Argument der Staatsanwaltschaft.
Hinzu kommt, so Voigt: Martha Schulze ist gar nicht jene Frau, die das Banner hielt. Sie stand nur daneben. „An dem Geschehen mit der Pyrotechnik ist sie in keiner Weise beteiligt“, sagt auch die Fan-Organisation Grün-Weiße Hilfe e. V.
Es sei nicht das erste Mal, dass sich vermeintlich sichere Identifizierungen der sogenannten szenekundigen Beamten „als falsch erweisen“. Das komme öfter vor als man denke, sagt Wilko Zicht vom Vorstand der Grün-Weißen Hilfe. Das Verhältnis der Fanszene zu den szenekundigen Beamten sei auch nicht besonders gut, so Zicht: „Die werden nicht als Gesprächspartner akzeptiert.“
Voigt hat für ihre Mandantin beantragt, dass die Polizei alle personenbezogenen Daten aus dem Strafverfahren löscht. Das war im August vergangenen Jahres. Doch die Polizei habe bisher „überhaupt gar nicht reagiert“, so Voigt, auch nicht nach mehrmaliger Erinnerung und Fristsetzung. Über die Gründe könne sie nur mutmaßen: Anträge auf Löschung persönlicher Daten würden bei der Polizei „nicht besonders vorrangig behandelt“. Die Anwältin reichte deshalb nun eine Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht ein.
„Die Verweigerungshaltung bei der Polizei ist inakzeptabel“, so Voigt. „Sollte es noch Daten zu dem eingestellten Verfahren geben, hätten diese schon vor Monaten gelöscht werden müssen.“ Gemäß des Bremischen Polizeigesetzes müsse die Polizei personenbezogene Daten aus einem Strafverfahren unverzüglich löschen, sobald der Verdacht entfalle.
Anträge auf Auskunft oder Datenlöschung würden von der Polizei aber „nur sehr schleppend“ und „extrem verzögert“ bearbeitet, sagt Voigt. Dabei müsste sich das mit dem neuen Polizeigesetz nun ändern – es sieht laut der Verteidigerin vor, dass derlei Anträge in aller Regel binnen eines Monats beschieden werden müssten.
Weiterer Rechtsstreit für die Polizei „entbehrlich“
Kurz vor Redaktionsschluss reagierte die Polizei schließlich auf wiederholte Nachfrage der taz: Man bedauere die lange Bearbeitungszeit und habe die Datensätze zum entsprechenden Vorgang gelöscht, erklärte ein Sprecher der Polizei. „Ein weiterer Rechtsstreit in dieser Sache ist somit aus Sicht der Polizei Bremen entbehrlich.“
Die Fehlidentifikation durch die szenekundigen Beamten verstehe die Polizei Bremen für sich „als Auftrag“: Man habe den Sachverhalt zum Anlass genommen, die Mechanismen zur Identifizierung von Personen zu optimieren.
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