Das war die Woche in Berlin II: Politik versteckt sich hinter der Justiz
Der Senat hält am Kopftuchverbot fest – und weiß genau: Es braucht wahrscheinlich nur eine erfolgreiche Klage, um es zu kippen.
Es ist schon eine merkwürdige Situation: Die Vielfalt der Gesellschaft wird in allen Bereichen immer deutlicher sichtbar und auch immer breiter akzeptiert. So gehören Kopftuchträgerinnen – etwa als Ärztinnen, Unternehmerinnen, Anwältinnen oder Fahrlehrerinnen – zum Alltag. Die Hälfte der BerlinerInnen gab kürzlich in einer Umfrage zu verstehen, sie hätte auch mit Lehrerinnen, die Kopftuch tragen, kein Problem.
Die Landespolitik hat das schon: Sie verbietet das Kopftuch in den Schulen weiterhin, ebenso wie die Kippa jüdischer Männer. Der Senat entschied am Dienstag auf Vorschlag von Innensenator Frank Henkel (CDU), das bestehende Neutralitätsgesetz nicht zu verändern, obwohl das Bundesverfassungsgericht eine ähnliche Regelung in Nordrhein-Westfalen vor einem halben Jahr gekippt hatte.
In der Folge bedeutet das: Bevölkerungsgruppen, die im alltäglichen Zusammenleben sichtbar vorhanden sind, werden vom Lehrberuf ausgeschlossen. Lehrkörper bleiben schön weiß in christlich-abendländischer Tradition. Das heißt dann Neutralität und ist gar keine.
Damit ist, trotz aller Bekenntnisse des Senats zu dem Gesetz, niemand so richtig zufrieden, wie sich am Rumeiern der Politiker zeigt. Etwa bei Raed Saleh, SPD-Fraktionschef: Er sagt Ja zum Neutralitätsgesetz – ergänzt aber, dass er sich „mehr Vielfalt im Klassenzimmer“ vorstellen könne. Und sogar der Innensenator antwortet auf die Frage der taz, ob die Beibehaltung des Neutralitätsgesetzes nun gesichert sei, es müsse im Prinzip nur jemand klagen, dann könne eine Gerichtsentscheidung die Lage ändern.
Tja: Wenn die Politik nicht mutig genug ist, Entscheidungen zu treffen, müssen eben die RichterInnen ran. Wie die (mehrheitlich weiß, christlich, abendländisch, neutral) dann entscheiden werden, bleibt abzuwarten. Es wird jedoch Zeit, dass diese Klage endlich kommt.
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