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Das neue Album von Zola JesusHeiter durch dunkle Tage

Nika Roza Danilova ist die finstere Lady des Gothic Pop. Auf ihrem neuen Album „Taiga“ bereitet ihr der Nadelwald eine Bühne für grandioses Pop-Pathos.

Der Wald ist in ihr drin: Zola Jesus. Screenshot: Zola Jesus / Youtube

Während einer okkulten Zeremonie tritt sie im dunklen Mantel hervor, mit Dreieckssymbolen hantierend. Im Video zur aktuellen Single „Dangerous Days“ steht sie als Zauberin in braunem Filz vor einer Wildnis im Nebel. Die US-Amerikanerin Zola Jesus ist die finstere Lady des Gothic-Pop. Ihre Texte handeln von einem abgeschiedenen „Ich“. Es flieht vor einem bedrohlichen „Es“ und ruft nach einem ungreifbaren „Du“. Nika Roza Danilova, so ihr bürgerlicher Name, besingt damit stets die Einsamkeit.

Nun veröffentlicht die 25-Jährige ihr neues Album. „Taiga“ ist bereits das vierte Werk der emsigen Zola Jesus, es ist ein äußerst kraftvolles Stück Pop. Klangen ihre Songs früher nach Dark-Wave und experimenteller Verschrobenheit, so nimmt sie den Titel ihres Albums dieses Mal zum musikalischen Anlass, um ihren Sound zu öffnen. „Taiga“ das ist der nördlichste Waldtypus der Erde: In Taiga-Gebieten in Sibirien, Skandinavien oder Nordamerika wachsen vornehmlich boreale Nadelbäume.

Wie etwa im nördlichen Teil des US-Bundesstaats Wisconsin, in dem Nika Danilova aufgewachsen ist. Schon Laura Palmer aus David Lynchs TV-Serie „Twin Peaks“ schrieb an einem dieser eiskalten Seen nahe der kanadischen Grenze ihr unheimliches Tagebuch. Und auch die romantischen Vampire aus den „Twilight“-Filmen jagen durch das Tannendickicht. Und nun lobt aktuell Zola Jesus die rauen Weiten dieses urzeitlichen Waldgebiets mit orchestraler Wucht und gewaltiger Stimme.

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Die Musik auf „Taiga“ ist wie eine Kamerafahrt durch diese nördliche Wildnis, der Sound ist schnell, überwältigend, voller Pathos. Theatral leitet Zola Jesus „Taiga“ gleich im Auftaktsong ein: „Do you wish you could go back to it all“, ruft sie, aus der Tiefe wuchern Bläser, „I wouldn’t miss a moment of it all.“ Zwei Sätze, drei Minuten.

Im Chaos der Dinge

Aber warum widmet sie diesem Wald ein ganzes Album? „Ich bin in seiner Umgebung aufgewachsen, die Landschaft ist mir vertraut. Ihre überwältigende Natur zeigt, wie machtlos wir Menschen doch eigentlich sind.“ sagt Nika Danilova im Interview. „Im Chaos der Dinge unserer Zivilisation finden wir nur einen kurzweiligen Halt. Eigentlich ist unsere Existenz ohne jede Ordnung, erst der Wald zeigt uns diese existenzielle Wirrnis auf.“

Beim Begriff Taiga denkt man als Europäerin zuerst an Sibirien. „Meine Vorfahren kommen aus dem Gebiet der heutigen Ukraine. Wald hat sie umgeben. Aber meine Eltern sind Amerikaner, über ihre Herkunft haben sie sich nie Gedanken gemacht“, erzählt Zola Jesus. „Unsere Wurzeln sind kompliziert.“ Geschickt webt Zola Jesus einen Mythos um diese Biografie.

Ein fernes Ahnentum im Osten Europas und der boreale Wald Sibiriens, das ist Teil der Selbsterfindung von Nika Roza Danilova, die sich zu einer entrückten Edeldame stilisiert. Dazu gehört auch ein Stilbewusstsein, das sie auf der Bühne und in ihren Videos prominent platziert: Sie inszeniert sich als zartes, blasses Mädchen, mit roten Lippen und glattem, weit über die Schultern reichendem Haar. Ihr Körper ist stets mit auffälligem Silberschmuck behangen und in langen Stoffen verhüllt. Das Cover ihres dritten Albums „Conatus“, das sie in eremitischer Einsamkeit geschrieben haben soll, zeigt ihr Gesicht von einem weißen Schleier verdeckt – „das Leichentuch als letzter Schrei“, schrieb ein Journalist.

Für „Taiga“ inszeniert sich die Künstlerin als Kleopatra in Weiß. Zola Jesus ist die Neoversion eines Gothic-Girl aus den Achtzigern, eine Stilikone für Pophörer mit Hang zum Finsteren.

Aller Düsternis ihrer Selbstinszenierung zum Trotz wendet sich Zola Jesus mit „Taiga“ allerdings vom musikalischen Underground ab, um großformatigen Pop zu machen, Drama für alle. Der Song „Dangerous Days“ ist bereits ein Hit. Nika Roza Danilova besingt darin über sphärischen Streicherarrangements den „dark, dark day“, tut es jedoch auf einem treibenden 4/4-Beat und setzt ihre Stimme rhythmisch derart pointiert ein, dass die dunklen Tage doch recht heiter wirken.

Selbst ein Song für den Dancefloor ist herausgekommen. „Hunger“ ist treibend: Break-Beats, pulsierender Bass und ein ekstatischer, drängender Refrain. „I got the hunger / I got the hunger in my veins / I will surrender / till it takes me away“, ruft sie mit viel Delay zum borealen Sound. „Ich wollte einfach Musik für den Dancefloor machen“, kommentiert sie trocken.

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Einen Widerspruch zur Zola Jesus von früher ist „Taiga“ nicht. Pathos hatte ihr kraftvoller Gesang schon immer, doch nun sind Innerlichkeit und ihre experimentelle Ader mit gewaltigen Bläsersätzen und orchestralem Bett zu großen, kammermusikalischen Gesten konvertiert. Nichts Geringeres als eine Fanfare und ein schweres Trommeln hat Zola Jesus etwa für den Refrain vom Song „Hollow“ gewählt. „Ich beginne immer mit Gesang, zuerst entsteht eine Melodie und dann komponiere ich die Musik aus.“

Zola Jesus schreibt und produziert alles selbst. Das macht ihren Sound so eigenwillig, lässt ihre Stimme so zentral in dem Sound zur Geltung kommen. Um die elf Songs von „Taiga“ zu entwickeln, hat sich Zola Jesus nach Vanish Island zurückgezogen, einer Insel in der Nähe von Seattle. Sie fühlte sich dort „in die Vergangenheit zurückversetzt“, so Zola Jesus, es ist ein „hügeliger, überwucherter und unberührter Ort“.

Das passt wiederum zu David Lynch, der seiner Regiearbeit für Filme und Serien auch Musik macht, die den borealen Wald in einen expansiven Sound einbinden. Und Zola Jesus steht dem Werk von Lynch in puncto Düsternis und Abgeschlossenheit in nichts nach. Und doch hat ihr neues Album „Taiga“ einen ganz eigenen Zugang zum Gothic-Sound, entdeckt in ihrer Düsternis gar Pop, der heller als die Sonne leuchtet.

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