Simone Schmollack über das neue Samenspenderegister: Das Recht der Kinder geht vor
Wer ist mein Vater? Diese Frage können die meisten Menschen klar beantworten. Kinder aber, die mithilfe einer Samenspende gezeugt worden sind, wissen häufig nicht, vom wem die Hälfte ihrer Gene stammt. Fast immer, weil die Samenspende anonym war, manchmal aber auch, weil die Mutter und der Samenspender es verheimlichen. Damit soll glücklicherweise jetzt Schluss sein. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will ein Samenspenderegister einrichten und den betroffenen Kindern – analog zum Adoptionsrecht – ermöglichen, ihren biologischen Vater mit 18 Jahren kennenzulernen.
Das Recht der Kinder auf das Wissen um ihre Herkunft wiegt schwerer als der Wunsch der Samenspender, anonym zu bleiben. Denn Kinder, die um das Wissen ihrer Herkunft betrogen werden, fehlt oft ein Teil ihrer Identität. Durch diese Leerstelle fühlen viele sich zerrissen, unvollständig, unfertig. Oft sind sie ein Leben lang auf der Suche – selbst dann, wenn sie in liebevollen Familien aufwachsen, die aus der Wahrheit keinen Hehl machen. Viele Eltern von Spenderkindern unterschätzen die „Macht der Abstammung“ und sind überrascht von der Hartnäckigkeit, mit der ihre Kinder nachfragen.
Das geplante Samenspenderegister berücksichtigt aber auch die Interessen der Spender. Sie sollen nicht mehr – so wie es bislang zumindest theoretisch möglich war – finanziell für das Kind aufkommen müssen. Es ist also kaum zu befürchten, dass Samenspenden wegen des Registers und der begrenzten Anonymität nun vor dem Aus stehen.
Gröhes Vorstoß ist sozial und modern. Er orientiert sich an gelebter familiärer Vielfalt: Es gibt immer mehr lesbische und schwule Eltern, Singlefrauen, die sich ihren Wunsch nach einem Kind ohne festen Partner erfüllen wollen. Es gibt späte Eltern, die auf Spendersamen zurückgreifen (müssen). Und Paare, die selbst keine Kinder zeugen können. Endlich wird hierzulande Standard, was woanders längst üblich ist.
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