Das NSU-Urteil gegen André Eminger: Für die Opfer unerträglich
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall des NSU-Helfers Eminger sendet ein fatales Signal. Wieder kann die rechte Szene jubilieren.
E s ist ein bitteres Ende. André Eminger, der engste Helfer des NSU-Trios, bleibt auf freiem Fuß. Der BGH verwirft die Revision der Bundesanwaltschaft gegen dessen NSU-Urteil. Schon im Münchner Prozess war er milde davongekommen, mit 2,5 Jahren Haft – die Bundesanwaltschaft hatte 12 Jahre gefordert. Damals applaudierten Szenefreunde auf der Empore. Nun dürften sie wieder jubilieren.
Zehn Morde, drei Anschläge und fünfzehn Raubüberfalle verübte der Nationalsozialistische Untergrund – die bis heute schwerste Rechtsterrorserie der Republik. Dutzende Menschen wurden verletzt, sind bis heute traumatisiert, ihre Existenzen zerstört. Nur Beate Zschäpe muss lebenslänglich ins Gefängnis, ihre zwei Kumpane hatten sich erschossen. Vier Helfer kamen fast durchweg mit niedrigen Strafen davon – so nun auch Eminger.
Natürlich muss der Rechtsstaat Eminger eine Schuld nachweisen. Aber das Münchner Gericht zweifelte, dass er früh eingeweiht war. Und der BGH sieht dabei nun keine Rechtsfehler. Dabei spricht alles dagegen, dass Eminger nichts wusste. Ausgerechnet er, ein Mann mit „Die Jew Die“-Tätowierung, der den Terroristen einen Schrein errichtete und sich nie vom NSU-Terror distanzierte? Größer noch wird das Unbehagen, da man davon ausgehen muss, dass es weitere Helfer des NSU gibt, die bis heute nicht belangt sind.
Für ihre Existenz spricht viel: Die NSU-Taten erfolgten quer durch die Republik, teils penibel ausgespäht, mit Waffen, deren Herkunft weitgehend ungeklärt ist. Gegen neun mögliche Helfer hat die Bundesanwaltschaft noch Verfahren offen.
Wohl nicht mehr lange. Denn wenn schon der engste Helfer nicht drangekriegt wird, werden es die anderen noch weniger. Die Anhängerschaft rechten Terrors kann sich also entspannt zurücklehnen – und weitermachen. Und das in Zeiten, in denen diese Terrorgefahr keineswegs gebannt ist, sondern mit radikalisierten Coronaleugnern, Reichsbürgern oder Extremisten in den Sicherheitsbehörden ohnehin wächst. Der Fall Eminger sendet hier ein fatales Signal. Für die NSU-Opfer muss es unerträglich sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands