Das Ende des INF-Vertrages: Europa ist am Zug
Die USA wollen sich aus internationalen Verpflichtungen befreien. Um einen Rüstungswettlauf zu verhindern, muss die EU eingreifen.

F ür das Ende des INF-Abkommens sind nur vordergründig die Vertragsverletzungen verantwortlich, die sich die USA und Russland gegenseitig vorwerfen. Vorwürfe, die nie eindeutig belegt oder widerlegt wurden. Auch nicht von den USA gegenüber ihren Nato-Verbündeten.
Verantwortlich ist zum einen das erklärte Bestreben der Hardliner und Amerika-first-Propagandisten in Washington, die Weltmacht USA aus den Fesseln internationaler Verträge zu befreien, die sie als „Einschränkung der nationalen Souveränität und Handlungsfreiheit“ ihres Landes denunzieren.
Dieses Bestreben könnte in den nächsten Jahren zur Zerstörung noch weiterer Rüstungskontrollverträge führen. Der zweite Faktor ist der gemeinsame Wunsch in Washington und Moskau, Staaten, die seit Abschluss des INF-Vertrages 1987 in den Besitz von Mittelstreckenraketen gelangt sind, in ein Abkommen zum Verbot dieser Waffensysteme einzubinden. Wobei die Trump-Administration selektiv nur die drei „Schurkenstaaten“ Iran, Nordkorea und China im Auge hat, die Regierung Putin hingegen auch Israel, Indien, Pakistan und Südkorea.
Die Bundesregierung in der Verantwortung
Da diese insgesamt sieben Staaten mit ihren Mittelstreckenenraketen ausschließlich das Territorium Russlands erreichen können, nicht aber das Festland der USA, hat Moskau auch das relativ größere Interesse an einem multilateralen Abkommen mit im besten Fall weltweiter Gültigkeit.
Der richtige Ort für entsprechende Verhandlungen wäre die ständige Abrüstungskonferenz der UNO in Genf. Dort wurde unter anderem 1993 das weltweite Verbot von Chemiewaffen vereinbart zu einem Zeitpunkt, als lediglich 15 Staaten der Erde über derartige Massenvernichtungsmittel verfügten.
Wenn die Bundesregierung, wie sie behauptet, einen neuen atomaren Rüstungswettlauf in Europa verhindern will, dann sollte sie gemeinsam mit anderen Regierungen umgehend eine Initiative zur Aufnahme von Verhandlungen in der UNO-Abrüstungskonferenz ergreifen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder