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Das Corona-Dilemma mündiger FußballprofisNur Marionetten

Es soll wieder Fußball gespielt werden. Die besorgten Profis dürfen aber nicht mitreden. Gibt es denn für sie ein Verweigerungsrecht?

Will sich den Mund nicht verbieten lassen: Subotić von Union Berlin auf dem Weg in die Quarantäne Foto: Matthias Koch/imago-images

An nahezu alles hat die Deutsche Fußball Liga für den Neustart der Saison gedacht. Weshalb wohl in kaum einem Bericht der letzten Wochen die Information fehlen dürfte, dass das Hygienekonzept der DFL, das Grundlagenwerk für die Rückkehr auf den Rasen, stolze 41 Seiten stark ist.

Eine Kleinigkeit haben die Funktionäre dann aber doch außer Acht gelassen. Ein Gewohnheitsfehler zwar, aber doch irgendwie misslich: Sie haben vergessen, die Protagonisten des Spiels, die Fußballprofis, in ihre Entscheidungen und Pläne miteinzubeziehen. Neven Subotić, der Verteidiger von Union Berlin, beklagte jedenfalls: „Wir haben keinen Sitz am Tisch, wir wurden nicht konsultiert.“ Das Management der Krise sehe er kritisch.

Verbitterung schwang gar in der Feststellung des Drittliga-Profis Sören Bertram vom 1. FC Magdeburg mit: „Wir sind nur Marionetten.“ Er berichtete von einer großen Sorge unter den Aktiven: „Wir sind alle im Kopf nicht frei, weil wir nach einer Infektion für den Rest unseres Lebens Lungenprobleme haben könnten.“ So nachdenklich haben sich bislang wenige geäußert. Das Handyfilmchen von Hertha-Profi Salomon Kalou verbreitete stattdessen einprägsame Bilder von erstaunlich unbekümmerten und erstaunlich distanzlosen Fußballprofis.

Sorgenvolle Anfragen treffen aber ebenso beim Heidelberger Anwalt und Sportrechtsexperten Michael Lehner ein. Dabei gehe es den Profis nicht nur darum, ob man Gehaltsverzicht hinzunehmen habe. „Ich werde auch gefragt: Muss ich das machen? Muss ich spielen?“, erzählt Lehner.

Vollkontakt bei Distanzempfehlungen

Die Rechtsauffassungen dazu sind unterschiedlich. Die Vereinigung der Vertragsfußballspieler e. V., die Fußballergewerkschaft, hat ihren Mitgliedern erklärt, sie müssten sich fügen, sofern die Vorgaben des Arbeits- und Infektionsschutzes befolgt seien. Lehner ist zum gegenteiligen Ergebnis gekommen: „Es muss ein Verweigerungsrecht des Spielers geben.“ Die Angestellten in der Autoindustrie könnten an ihrem Arbeitsplatz die Hygiene- und Distanzempfehlungen des Robert-Koch-Instituts weitgehend befolgen und hätten deshalb kein Recht, zu Hause zu bleiben. Bei einer Vollkontaktsportart wie dem Fußball sei das aber unmöglich.

Empfiehlt Lehner also seinen Mandanten den Weg vors Gericht? „Ich kann doch keinen gegen die Wand fahren lassen und ihm raten, den Michael Kohlhaas zu spielen“, erklärt Lehner. So ein Musterprozess würde keinen Sinn machen, weil die Spieler riskieren würden, künftig gemieden und nicht mehr angestellt zu werden. Sie müssten gezwungenermaßen mitmachen. „Es ist eine Abhängigkeit, die durch viel Geld erkauft wird.“

Es ist eine Abhängigkeit, die durch viel Geld erkauft wird

Michael Lehner, Anwalt

Andererseits ist Schalke 04 einer DFL-Emfpehlung nachgekommen und hat seinen Profis ausdrücklich versichert, die Teilnahme am Trainings- und Spielbetrieb sei freiwillig. Andere Klubs meiden derlei Ansagen. Lehner erklärt, als Anwalt von Schalke 04 hätte er auch zu dem Schritt geraten. Denn sollte sich jemand in Kürze vor Gericht beklagen wollen, weil er sich wegen der zu kurzen Vorbereitung gleich im ersten Spiel das Kreuzband gerissen hat, wäre es auf Schalke um seine Chancen schlechter bestellt.

Michael Lehner sieht noch weitere entmündigende Probleme im DFL-Konzept. Die Möglichkeit, dass nun die Saison über das Vertragsende einiger Spieler am 30. Juni ohne deren Einverständnis andauern könnte, hält er juristisch für bedenklich: „Ich kann doch nicht einfach Spieler zwei Monate länger im Vertrag halten.“

Mehr Mitspracherecht fordert Johannes Herber schon von Berufs wegen ein. Der frühere Basketballprofi ist Geschäftsführer des 2017 gegründeten Vereins Athleten Deutschland e. V.- einer unabhängigen Interessenvertretung deutscher Leistungssportler. Sowohl die Fußball- als auch die Basketballfunktionäre, die ebenfalls gerade einen Neustart der Saison planen, hätten vielen Sorgen und Zweifeln der Akteure frühzeitig begegnen können, argumentiert Herber, wenn man sie einbezogen hätte. Es fehle schon an Transparenz. „Basketballspieler haben mir berichtet, sie müssten auf die Website der Basketball-Bundesliga (BBL) gehen, um etwas in Erfahrung zu bringen. Deren Hygienekonzept ist bislang noch nicht einmal öffentlich zugänglich.“

Athleten Deutschland versucht in Beratungsgesprächen, auf die wichtigen Fragen in Zeiten der Coronapandemie aufmerksam zu machen. Herber erklärt: „Es ist für Leistungssportler etwa wichtig zu wissen, ob bei bleibenden Lungenschäden die Berufsunfähigkeitsversicherung greift.“ Wahrscheinlich sei das nicht der Fall, das müsse aber offengelegt werden. Herber wünscht sich von den deutschen Sportverbänden ein Verständnis dafür, dass auch gemeinsam getragene Projekte unter Regeln der Fairness blühende Geschäfte hervorbringen können. Schützenswerte Interessen müssten nicht automatisch gewinnschädigend sein. Im australischen Sport gäbe es dafür gute Beispiele – etwa beim Frauenfußball oder beim Cricket.

Doch Johannes Herber sieht auch die Sportler in der Pflicht, mehr für ihre Rechte zu kämpfen. Die sich in der Krise mehr verbreitende Erkenntnis, wie wichtig organisierte Athletenvertretung sei, wäre das eine. „Es ist aber ein großer Schritt, dies dann mit großem Engagement durchzuziehen.“

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3 Kommentare

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  • Ganz schön blauäugig, oder? Wo bleibt denn die Berechenbarkeit des Fußballgeschäfts, wenn Fußballer plötzlich ein Mitspracherecht erhalten? Dann wird das mit den Verträgen, die den Profifußball so (einfluss-)reich machen, doch ziemlich schwierig, oder nicht?

    Wer professionell Leistungssport betreibt (oder sonst irgendwie an „Big Business“ teilnimmt), der hat (hoffentlich) vorher irgendwann abgewogen zwischen dem Geld, das er dafür bekommt, und der Unfreiheit, die er dafür in Kauf nehmen muss. Dass sich die Relationen in Krisenzeiten ändern können, liegt in der Natur der Krise selber. Bei aller Rechnerei hätte doch klar sein können, dass Leben nicht berechenbar sind. Zumindest für Leute, die irgendwann nicht mehr die „Pampers-Liga“ bespielen, sondern die Premier-Liague.

    Aber ich gebe natürlich zu: Erwachsenwerden ist nicht leicht, wenn man dank permanenter „Fürsorge“ gar nicht so richtig merkt, dass man älter wird und entsprechend klüger werden sollte. Vor allem dann nicht, wenn alles im Leben irgendwie Fußball ist.

  • Ein Stück weit verkaufen wir ja alle unsere Lebenszeit zugunsten unseres notwendigen Lebensunterhalts in Form von Geld. Und in einer Branche, in welcher die Entlohnung schon in der zweiten Liga bei etwa 7000 €/Monat beginnt, in der 1. BL durchschnittlich bei über 800.000 €/Jahr liegt, außerdem eine Transferrealität mit Ablösegeldern existiert, an denen die Profis in der Regel nicht ganz schlecht mitverdienen, würde ich schon sagen, dass sie sich damit ein wenig mehr verkauft haben, als andere "Arbeitnehmer". Und schließlich haben sie in der Regel keine 40 oder mehr Berufsjahre, im Gegenteil, eigentlich könnten die meisten nach allerspätestens 3-4 Jahren sowieso hinschmeißen und chillen. Oder ganz böse formuliert: wieso sollte Vereinsinventar gefragt werden?

  • Das würde ich in der Abwägung hier anders sehen, weil Profis in der 1. und auch noch in der 2. Bundesliga genügend Geld verdienen, dass es nicht um die Existenz geht - zumindest nicht gehen sollte, wenn man mit dem vielen Geld auch vorsorgt. Zu dem vielen Geld gehört nunmal auch, dass es irgendwie eingenommen werden muss. Die Profis sollten genügend Geld haben, dass sie nicht gezwungen sind. Sie können auch aussetzen oder ganz aufhören. Natürlich gibt es, wie immer, auch schwierige Fälle, wie vielleicht einen Jungprofi, der gerade erst angefangen hat und bei dem es tatsächlich um alles oder nichts geht. Da wäre es gut flexible Lösungen zu finden - aber das gilt immer. Ansonsten würde ich es mehr mit einem Börseninvestor vergleichen, der bisher viel Geld genmacht hat. Ich leide auch mit dem, aber eine gesellschaftliche Garantie, dass sein Erfolg sich in der Krise nicht schmälern darf, sozusagen Kurzarbeitergeld für die "Outperformer", das finde ich übertrieben.

    Wenn man nicht spielt, sollten auch alle Gehälter, vielleicht bis auf ein Rumpfgehalt, ausgesetzt werden - und da würden wahrscheinlich die meisten Spielerkollegen eher Sturm laufen.