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Danke, FC Bayern!Rot gewinnt

Gott sei Dank: Der FC Bayern wird nun doch deutscher Fußballmeister. Das ist schön und gut und wichtig für uns alle, nicht wahr?

Spart sich den Erfolg vom Munde ab: Meistertrainer Thomas Tuchel Foto: dpa

B in heilfroh, dass der FC Bayern München doch noch Meister wird. Das Untergangs- und Krisengeraune, das sich im Ballungsraum München verdichtete, war nicht mehr zum Aushalten. Und Ausmalbilder in Sachen Dystopie pinseln wir derzeit eh ständig aus: Gletscherschmelze, Klimadings, Waldsterben, Inflation der Kipppunkte und des Geldes, Kriege. Uff. Da wollen wir doch wenigstens im Fußball geordnete Verhältnisse, nicht wahr? PSG wird in Frankreich Meister, City in England und Barca in Spanien. Schön – und gut.

Die Bayern sind hierzulande seit zehn Jahren Primus in der Ballbewegungsbranche. Kurzum: Sie sind der BFC Dynamo in Nachwendedeutschland. Damals schickte das Zentralkomitee Talente aus der Provinz wie Thomas Doll in die Hauptstadt der Tätärä, um den Vorsprung auf die Konkurrenz abzusichern, Äquidistanz per Parteiauftrag sozusagen. Heute quäkt es nach ein paar Punktverlusten der Roten in der Presselandschaft so laut, dass es einem in den Ohren klingelt.

Daraufhin bündeln die Funktionäre des FC Bayern ihre Kräfte, sammeln sich, sondieren, setzen ihre Spieler und den Trainer noch mehr unter Druck. Zeichnen Schreckensbilder an die Wand, die sie aus den Zeitungen abpausen. Tun so, als gäbe es im Rautenland nichts Wichtigeres mehr, als den Startelfeinsatz eines gewissen Thomas Müller oder die Aufsichtsratssitzung des FC Bayern Ende Mai, auf der angeblich ein Titan zur Disposition stehen soll.

Zuckt er mit der Wimper?

Das Gedöns schwillt an zum Bocksgesang, und bei den TV-Übertragungen auf Sky oder DAZN ist es fast wichtiger, ob und wann Vorstandschef Oliver Kahn seinen Platz verlässt oder Sportdirektor Hasan Salihamidzic mit der Wimper zuckt.

Auch das ist schön und gut, denn wie gesagt: Wir brauchen Orientierung und die Wiederkehr des ewig Gleichen in diesen turbulenten Zeiten. Ja, wenn sich selbst diese Zeiten wenden hin zu einer Zeitenwende und der Bürger plötzlich seine Wärme herpumpen soll und die Kälte in der Gesellschaft weg-, dann wird die Tabelle der Fußballbundesliga zum Orientierungspunkt.

Oben steht der FC Hollywood. Er liefert uns Geschichten und stabile Weltsichten. Er gibt Halt. So soll es sein. Danke, FC Bayern! Ein Dank geht natürlich auch an alle Fußballhysteriker, die so verlässlich denen von der Säbener Straße dienen.

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Redakteur
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5 Kommentare

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  • Also, ich lese sporadisch die taz, weil ich wissen muss, wie und was der Klassenfeind denkt. Selbst der FC Bayern in der momentanen Situation scheint wichtiger, als alles andere...



    Alle Kommentatoren hier haben Recht, auch Frau Alina Schwermer an anderer Stelle und ich habe jetzt die taz mit meinem Beitrag freiwillig unterstützt:-).

  • Schöner Artikel, kann man nur unterschreiben, der Meisterzustand der Bayern ist das neue "Wetten Dass?", der neue Tatortsonntag der Deutschen. Ukrainekrieg, Klimawandel, Inflation, die Katastrophen kommen und bleiben viel zu lange, der gleichbleibende Zustand des Deutschen Meisters der Sympathieträger aus München setzt ein wohltuendes Gegengewicht von Beständigkeit und Verlässlichkeit. Fast rührend, wenn sich die angeblich unbesiegbaren Superbayern durch geballte Kimmichfäuste und Streberbrüllen über einen Heimsieg gegen eine desaströse Hertha freuen können. Eine gelungene Saison, auch die Bayern sind nur Menschen, doch am Ende geht wieder alles gut aus, furchtbares Weißbier fliesst in Strömen, Kahn bleibt und Marco Reus wird wieder nicht Meister. Und im Sommer räumen Brazzo und Kahn wieder auf, nächstes Jahr holt Fröttmaning mindestens das Double und zementiert die Vorherrschaft mal wieder bis mindestens 2032. Ein Dank geht natürlich auch nach Dortmund, die nicht schäbig die Schwäche des wankenden Riesen ausgenutzt und sich fieserweise die ihnen einfach nicht zustehende Schale durch Auswärtssiege ergaunert haben. Daheim geglänzt, auswärts den Beitrag zum Gelingen der Bayernparty geleistet, bravo!

  • Ich korrigiere mal den Absatz:



    "Daraufhin bündeln die Funktionäre des FC Bayern ihre Kräfte, sammeln sich, sondieren, setzen ihre Schiris und Video-Schris noch mehr unter Druck. Und die liefern."

  • "Das Gedöns schwillt an zum Bocksgesang, und bei den TV-Übertragungen auf Sky oder DAZN ist es fast wichtiger, ob und wann Vorstandschef Oliver Kahn seinen Platz verlässt oder Sportdirektor Hasan Salihamidzic mit der Wimper zuckt."

    Kann man schon so sehen. Aber halt nicht nur in TV Übertragungen. Soogar auf den Sportseiten so mancher linker Tagezeitung. Und ehrlich, ein bisserl Spaß machts schon, mit in den boulevardesken Bockgesang einzustimmen. Oder hab ich hier den Abschnitt, mit dem sportlichen Gehalt des Artikels überlesen?

  • Und wer wird deutscher Meister.?

    Na wer schon..

    Booaahh....ist das langweilig..