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Daniela Klette vor GerichtUnd wer nimmt jetzt den Hund?

Im Prozess gegen die mutmaßliche RAF-Terroristin Daniela Klette sagt ein Fahnder des LKA aus. Er schildert skurrile Szenen bei der Festnahme.

Mit Sendungsbewusstsein: Daniela Klette vor dem Oberlandesgericht Celle Foto: Fabian Bimmer/epa/dpa

Verden taz | Im Prozess gegen die mutmaßliche RAF-Terroristin Daniela Klette vor dem Landgericht Verden hat am Dienstag der Zielfahnder des Landeskriminalamtes (LKA) Niedersachsen ausgesagt, der sie festgenommen hatte. Als „gefasst“ und „kooperativ“ beschreibt der Beamte sie. Rund um die Verhaftung sei es allerdings zu einigen skurrilen Szenen gekommen.

Dabei, erklärt er, habe sich das Ganze für ihn zunächst einmal angelassen wie das routinemäßige Abarbeiten des „250sten“ Hinweises. Zum Hinweisgeber selbst kann er nichts Konkretes sagen. Der habe sich im November 2023 an die Staatsanwaltschaft Verden gewandt und dort Vertraulichkeit zugesichert bekommen. Auf dem Schreibtisch des Zielfahnders landete nur der schriftliche Hinweis, bei zwei Personen, deren Fotos im Internet im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Capoeira­festivals öffentlich einsehbar seien, könnte es sich um die gesuchten Klette und Garweg handeln.

Eine erste oberflächliche Prüfung verlief jedoch im Sand: Sie führte zu einer Frau, die ebenfalls den Namen „Claudia Schmidt“ trug und sich im Umfeld des Capoeiravereins bewegte. Claudia Schmidt war auch einer von Klettes zahlreichen Aliasnamen. Erst als Anfang Dezember 2023 der Podcast „Legion“ herauskam und ähnliche Spuren verfolgte, lebte die Spur wieder auf. Der Capoeira­meister rückte schließlich zwei Telefonnummern und eine Adres­se heraus. Das war die später berühmt gewordene Sebastianstraße 73, wo der LKA-Beamte und sein Kollege, verstärkt durch zwei Berliner Uniformierte, zunächst an der falschen Wohnungstür klopften.

Auch als sie dann vor der richtigen Tür standen und Klette aufmachte, waren sie sich noch lange nicht sicher, die seit 30 Jahren gesuchte Person vor sich zu haben. So erklärt der Fahnder auch, was nach der Verhaftung für Spott gesorgt hatte: Die Fahnder ließen sich noch zweimal eine Tür vor der Nase zu machen. Einmal, als Klette versprach, ihren laut bellenden Hund im Wohnzimmer einzusperren; ein anderes Mal, als sie noch rasch auf die Toilette verschwand und Garweg warnte. „Bei so vielen Hinweisen in so vielen Jahren können wir da nicht jedes Mal offensiv reinmarschieren.“

Seltsame Geste am Schluss

Erst als man Klette mit aufs Revier genommen habe, sei ihm aufgegangen, dass dieses Mal möglicherweise mehr dran sei. Irgendwann stand ihre Identität fest. „Ich sage ab jetzt mal Frau Klette, das wird sie nach all der Zeit ja vielleicht auch freuen, diesen Namen mal wieder zu hören“, habe er zu ihr gesagt.

Außerdem habe man beratschlagt, was mit ihrem kranken Hund passieren sollte. „Haben sie da nicht jemanden?“, fragte er. Aus dem unterdrückten Schmunzeln in ihrem Gesicht habe er geschlossen, dass sie wohl kurz beide an die gleiche Person gedacht hätten: an Klettes mutmaßlichen RAF-Kollegen Burkhard Garweg nämlich, der weiter auf der Flucht ist. Auch nach ihrer Familie habe sie sich gleich erkundigt, nach ihrer Mutter, ihrer Schwester.

Umso seltsamer sei ihm erschienen, was sie dann tat. Als man sie zum Transport in die Gefangenensammelstelle abführte und dazu die Wartehalle durchquerte, habe Klette gerufen: „Ich bin Daniela Klette von der RAF, und ich bin festgenommen.“ Was der Sinn dieser Selbstbezichtigung sei, habe sich ihm nicht erschlossen. Vor Gericht steht Klette allerdings auch nicht wegen der RAF, sondern wegen mutmaßlicher Beteiligung an 13 Raubüberfällen, mit denen sie ihr Leben im Untergrund finanziert haben soll.

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15 Kommentare

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  • Der Hund einer Verbrecherin interessiert mich nicht. Wenn die Zielfahndung auch Fehler gemacht hat, sie haben Klette geschnappt.

  • Daniela Klette ist eben ein Mensch und sie hing halt an dem Hund. Der Nachrichtenwert dieser Info ... Nun ja, wir sind ja alle neugierig und immerhin wollte sie mal die Revolution machen, zum Bankraub reichte es dann ja noch.



    Interessant ist ja, dass sie dann nicht nach Manier Carlos noch rumgeballert hat oder sonstwas probiert hat. Die ist dann schon klar und ruhig gewesen.



    Die Moral der Geschichte: Nicht in einem Tanzclub mitmischen, wenn man im Untergrund ist, das bricht einem dann das Genick, weil alle und jeder überall filmt und fotografiert.

  • Was ist das denn für eine Gurkentruppe?

  • Schon rührend, wie sich die taz um den Hund einer mutmaßlichen Verbrecherin, einer Terroristin, welche möglicherweise mindestens wegen Raubüberfall und Beihilfe zum Mord verurteilt wird, sorgt. Aber das ist ja auch das Schöne an der taz: Die Sorgen und Nöte des kleinen Mannes/der Frau mal in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung zu rücken, wie geht's der Mutter, der Schwester, was wird aus dem Hund ….. sind ja auch nur Menschen. Außer man arbeitet bei der Polizei, da ist man dann per se ein Mörder/eine Mörderin, da interessiert das Wohlergehen des Hundes eines/r Polizisten/in natürlich nicht. (vergl. taz vom 29.10.24 taz.de/Die-Polizei...en-erschossen-wie- eit-1999-nicht-mehr/!6042771/ )

  • Ja das ist natürlich voll total interessant zu erfahren, was die begrenzte Vorstellungswelt eines LKA-Zielfahnders so ausmacht.

    Ist man festgenommen, hat zu diesem Zeitpunkt noch niemand oder möglicherweise niemand ausserhalb der Polizei /Staatschutzbehörden /Justiz /Geheimdienste mitbekommen, dass man festgenommen ist. Also auch noch keinen Kontakt zu einem Anwalt gehabt,



    sorgt man halt nach Möglichkeit dafür, dass irgendjemand mitbekommt, dass man festgenommen worden ist.



    Das beschneidet möglicherweise den Raum und die Zeit für jene Kräfte in den Behörden, für die der Rechtsstaat, die "regelbasierte Werteordnung" aller tatsächlichen Alltagserfahrung nach nicht so sehr und nicht so unbedingt verbindlich ist.

    Man kann annehmen, Daniela Klette war zu diesem Zeitpunkt klar, ihre Identität ist bereits offen gelegt.



    Weshalb sie Gelegenheit nutzte, unabhängig von den Interessen der Staatschutzbehörden nun möglichst früh publik zu machen, dass sie festgenommen ist.



    Um damit wiederum Menschen Möglichkeit zu geben, die von ihrer Festnahme mittelbar oder unmittelbar betroffen sind - die ihre wahre Identität möglicherweise gar nicht kannten - Massnahmen zu ergreifen.



    Völlig Unmerkwürdig.

  • Angeblich hat der Denunziant 25.000€ bekommen. Wie arm muss man sein, dafür eine alte Capoeiratanzerin an einen rechten Staat auszuliefern?

    • @Radek Sellenz:

      "...eine alte Capoeiratanzerin…" mutmaßlichen Verbrecherin, Terroristin, welche möglicherweise mindestens wegen Raubüberfall und Beihilfe zum Mord verurteilt wird, denke, dass haben Sie in der Eile einfach vergessen, deswegen ergänze ich das für Sie hier mal. Und außerdem heißt es nicht "... rechten Staat...", sondern Rechtsstaat, Sie sollten sich da etwas mehr konzentrieren - und dringend mal Ihren Kompass überprüfen.

    • @Radek Sellenz:

      Das hätten viele auch umsonst gemacht. Die alte Capoeiratänzerin ist schließlich hauptberuflich Bankräuberin gewesen. Das würde auch in einem linken Staat bestraft

    • @Radek Sellenz:

      ... und wie viel Geld hat Frau Klette mit bewaffneten Raubüberfällen erbeutet, um ihren RAF-Albtraum weiter zu leben?

  • und was ist jetzt aus dem Hund geworden?

    • @Tz-B:

      ich glaube die taz recherchiert noch, etwas Zeit müssen Sie ihr da schon geben. Denke aber, dass es dazu rechtzeitig eine Eilmeldung geben wird. Thema ist ja auch zu wichtig.

  • Nach 25 Jahren findet die Polizei durch einen Tipp, inklusive Anschrift, eine gesuchte Person und lobt sich selbst für die hervorragende Arbeit. 00 Schneider ey

  • Aktuell wird auch im Prozess thematisiert, dass D. Klette eine schwere Bleiweste tragen muss, die ihr Schmerzen verursacht. Schade, dass die TAZ das nicht erwähnt.



    Ebenso hatte ich damals 2024 die Erwähnung vermisst, dass sie ein Blech vor dem Fenster hatte. Ich gehöre nicht zu ihren Unterstützern, und natürlich muss sie sich verantworten, aber das geht zu weit.

    Wichtig fand ich, dass erwähnt wurde, dass der Hund krank war. Die Aussage des Beamten, sie hätte unterdrückt geschmunzelt, weil sie (ebenso wie er!) an Garweg dachte, ist zynisch und unglaubwürdig. Damals waren die Bilder von ihm und seinen Hunden noch nicht bekannt!! Zudem wusste man noch nicht, dass sie engen Kontakt mit Garweg hatte.



    Und einem Menschen, der sein krankes Tier zurücklassen muss, wird eher zum Weinen als zum Schmunzeln zumute gewesen sein. (Mich würde interessieren, ob der Hund gleich von einer vertrauten Person abgeholt oder erst eine Art Hundefänger vom Amt bestellt



    wurde.)

    Petra D. Christ

  • Zum Foto: Frau Klette mit Kufiya und Grußbotschaft an die, wie man sagt, in Teilen antisemitischer 1. Mai-Demonstration: Weiß Gott sehr viel erlebt und sehr wenig reflektiert und fast gar nichts begriffen.

    Das Drama der deutschen Linken.

  • Tierlieb ist die Frau ja. Nur menschenlieb nicht. Sie hat ja auf einen Menschen geschossen.So ist es in einem Video zu sehen. Splitter einer Patrone wurden im Beifahrersitz des Geld Transporters gefunden. Das nennt sich wohl gezielter Schuss und nicht Warnschuss wie der Anwalt behauptet.