DIW-Expertin Holst in Rente: Ohne Zahlen geht die Elke nicht
Die Forschungsdirektorin für Gender Studies beim DIW ist sachlich, rhetorisch stark und eine Faktenfetischistin. Jetzt hört sie auf.
Lediglich 8 Prozent Frauen in den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen; aber immerhin ein Viertel weibliche Aufsichtsräte bei den Top-200-Firmen: Das ist laut dem Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin schon besser als noch vor ein paar Jahren. Doch in den Augen von Elke Holst, seit 2010 Forschungsdirektorin für Gender Studies beim DIW und Erfinderin des Managerinnen-Barometers, noch lange nicht genug.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin und Privatdozentin an der Uni Flensburg gibt erst Ruhe, wenn das Geschlechterverhältnis ausgewogen ist. Fragt man sie danach, rollt sie schon mal die Augen und sagt Sätze wie: „Es zieht sich wie Kaugummi.“
Elke Holst ist die Frau gewordene Instanz der Gender-Ökonomie. Seit Ende der 1980er Jahre forscht sie beim DIW zu Genderfragen: angefangen beim Arbeitsmarkt und der Rente über Führungspositionen und den Gender Pay Gap bis hin zu unbezahlter Hausarbeit und dem Geschlechterdesaster bei Banken. Dazu hat sie alle Zahlen im Kopf. Zu nahezu jeder Tages- und Nachtzeit kann man sie anrufen und etwas fragen. Dann spult sie ihr Wissen ab. Sogar auf dem Handy am Sonntagabend, wenn andere den „Tatort“ gucken, kann man sie stören. Wenn sie auf dem Flughafen gerade eincheckt, kann es passieren, dass sie das Sicherheitspersonal um Geduld bittet: „Moment noch, ja? Das hier ist wichtig.“
Das wird jetzt alles nicht mehr möglich sein. Holst hat jetzt beim DIW aufgehört, sie geht in Rente und macht Platz für eine junge Kollegin.
Vorrechnen für Mathevollpfosten
Auch wenn sie dem Thema „verbunden bleibt“ – Holst wird fehlen. Nicht nur beim DIW, sondern vor allem im Diskurs um Geschlechterfragen, der häufig ideologisch aufgeladen ist. Holst hingegen hat stets ausschließlich mit Fakten gearbeitet. Kaum eine andere Geschlechterexpertin hat die Gender-Debatte „so sachlich mit Zahlen, Argumenten und dennoch mit Leidenschaft untermauert – und sogar in den Wirtschaftswissenschaften salonfähig gemacht“, schreibt eine Journalistin auf Twitter.
Scrollt man sich durch Holsts Publikationsliste, braucht man eine ganze Weile, um am Ende anzukommen. Ihre Vorträge auf Kongressen und Tagungen, selbst ihre O-Töne auf Pressekonferenzen sind so fundiert wie locker und fernab jeglicher Professor*innenprosa. Selbst für Mathevollpfosten rechnet sie auf einfachem Wege vor, warum es beim jetzigen Gleichstellungstempo bis zum Jahr 2036 dauert, bis bei den Aufsichtsräten eine Geschlechterparität erreicht ist. Bei den Vorständen, insbesondere bei den Banken, muss man sogar bis zum Jahr 2082 warten.
Über all den Zahlen, Fakten, Aussichten und dem Gender Trouble hat Holst das Leben nicht vergessen. Mit die schönsten Momente, die man mit ihr erleben kann, sind – neben den wissenschaftlichen Sternstunden natürlich – Momente bei Wein und in Plauderlaune. Irgendwann sagt sie dann: „Ich muss jetzt erst mal eine rauchen“, steht auf und geht vor die Tür. Simone Schmollack
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